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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 25.1908

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https://doi.org/10.11588/diglit.6608#0009
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HamborgbeiSt.Pauli,

im Dezember.

Werte Redakschon!

Ein Glück, daß die
werteRedakschon einen
Mitarbeiter mit nau-
tische Kenntnisse hat,
wo im internatscho-
nalen Signalbuch ge-
nau Bescheid weiß und
die Bedeutung von die
verschiedenen Flaggen
so genau im Kopf hat, wie der Schulmeister
sein ABC. Wenn ich so um Mittag, um mich
'n büschen zu verpusten, aus meinem Grog-
keller hinaufsteige in die frische und wohl-
riechende sanktpaulianische Straßenluft, so
blicke ich naturellemang auf die Elbe und denke
nach über die Signalflaggen nnd weiß ganz
genau, ob da ein brummiger Kappen ist oder
ein gesprächiger, denn mit die Flaggen ist das
genau so wie mit die Wörter: Dem einen
gehen sie leichter ab als dem andern. Und so
lese ich also die Signale und nehme teil an
die Bedürfnisse von dem Fahrzeug, wo es
die sachkundige Menschheit mitteilt mit vier
Flaggens, was eine ganz feine Erfindung ist,
aber im Binnenland nich ordentlich kampiert
wird, leider, denn sonst brauchten die Men-
schen nich so zu gröhlen und auch nich Espe-
ranto zu lernen, wo man uns jetzt zumuten
will, sondern könnten Essen und Trinken und
alles verlangen mittels die Flaggensprache,
wo internatschonal ist und jeder befahrene
Mensch versteht.

Dieses vorausgeschickt komme ich jetzt zu die
Hauptsache oder zu dem Kasus Knusus, näm-
lich die gelbe Flagge.

In Augsburg, wo zwar einmal zu meine
binnenländischen Zeiten eine Wirtschaft be-
standen hat „Zum hohen Meer", aber trotzdem
die Leute in nautischer Hinsicht nicks nich ver-
stehen, da haben die gelben Gewerkschaften
ihre Pflanz- und Ursprungsstätte. Und haben
da auch einen Dichter mit Namen Heinrich
Horst und einen Tonkünstler Heinrich Gläser,
und beide zusammen haben ein Bundeslied
angefertigt zum Preis von die gelb e Flagge.
Und darin heißt es:

Es gleitet ein Schtffletn in sicherer Bahn,

Längst sind schon die Anter gelichtet.

Sein Steuer ist kräftig, die Segel gesund,

Ter Kurs ist nach vorwärts gerichtet.

Die Mannschaft ist just auch vom kernigen Schlag,
Sie hält es mit Mut und Vertrauen;

Es ist eine Freude trotz brausender Flut,

Die Leut' an der Arbeit zu schauen.

Ist gelb auch die Farbe der Flagge am Mast,
Bon vielen mit Scheu noch gemieden.

Sie stattert doch munter im Winde dahin,

Verlündet allüberall Frieden.

Worauf alsdann noch andere schöne Verse
kommen, „Glück auf! dem Geschwader vom
gelben Panier" und so.

Das alles habe ich mit mächtiger Stimme
meine Stammgäste vorgelesen, wo alle nautisch
und Kenner von die internatschonale Flaggen-
sprache sind, und es gab ein Feixen und Lachen,
wie es in meiner Köminsel noch nicht da-
geivesen ist bis auf den heutigen Tag.

Dennwoso?! Die gelbeFlagge vondiesem
„Geschwader" ist nämlich die internatschonale
Pestflagge, und wenn ein Schiff die gehißt
hat, dann geht ihm jeder befahrene Mann
und das nautische Volk von de Waterkant aus
dem Weg. Und die Hafenpolizeibarkassen und
die Sanitätsboote umringen es und es wird
m den Quarantänehafen gelotst inid aus-
geräuchert und muß liegen bleiben und keine
Ratte darf an Land, ehebevor sie untersucht
und desinfiziert und mit Serum geimpft und

Bankdiskont 71/* Prozent.

mit reine Papiere versehen ist, wonach sie
immer noch verdächtig ist und unter Beob-
achtung bleibt, bis sie krepiert ist. So ist es
gebräuchlich hier mit die gelbe Flagge, und
wenn ein Augsburger an de Waterkant kom-
men wollte und sich mit diese Flagge produ-
zieren, so könnte er was nach Hause berichten,
aber in einem Brief, wo mit Nadeln durch-
stochen und geräuchert wäre zur Abschreckung
und Sicherheit.

Dieses wollte ich nur bemerken, indem ich
weiß, daß in Stuttgart die nautischen Kennt-
nisse nicht sehr berühmt sind, weil auf dem
Nesenbach nicht mal ein Torfewer fährt und
somit die internatschonale Pestflagge nicht zur
Verwendung kommt, was sehr angenehm ist.
Wogegen ich empfehlen möchte, daß Augsburg
desinfiziert wird und ausgeräuchert und der
Chlorkalk nicht gespart, bis die Gelben in den
Zustand einer toten Quarantäneratte versetzt
sind, also unschädlich.

Womit der Redakschon vergnügtes Neujahr
wünscht Claus Swartmuul.

Splitter.

Demut ist ein Pfaffenwort;
Dummheit wächst am selben Zweig
Nimmst du eins von beiden fort.
Welkt das andre auch sogleich.

Echtrussisches.

Die Adresse der Duma an den Zaren ver-
mied den Ausdruck „Konstitution".

Konstitution ist im heiligen Rußland bekannt-
lich „die Frau des Großfürsten Konstantin."

Und die besten Frauen sind bekanntlich die,
von denen man — nicht spricht.

als Bülott) sprach.

Als Bülorv sein Programm enthüllt,
Zeigt' er ein rosig Zukunftsbild,

Lr ging der Nechten um den Bart
Und schont' des Freisinns eigne Art.

Lin Zeder tue seine Pflicht:

Doch von dem Wahlrecht sprach er nicht.

Not tat' uns die Zustizreform,

Die Strafen seien zu enorm
Für den, der mal aus Not gefehlt;

Doch viel zu wenig noch eryält
Der rohe sittenlose Wicht:

Doch von dem Wahlrecht sprach er nicht.

Man ließ dem Kanzler keine Nuh
Und ries ihm immer „Wahlrecht!" zu;
Doch hatte er dafür kein Dhr,

Nahm sich den „König Demos" vor.

Lin Lächeln zeigte sein Gesicht:

Doch von dem Wahlrecht sprach er nicht

Der große Zinsfuß trifft

zuerst die kleinen Leute.
 
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