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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 25.1908

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https://doi.org/10.11588/diglit.6608#0018
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— . 5686

Im schönen £ande Westfalen
Liegt Ragen, die gute Stadt,

Die lang einst Eugen Richter
Im Reichstag vertreten hat.

Dort gibt’s auch Bismarckscbwärmer,
Wie sonsten im deutschen Land,

Ein Bismarckturm hat darum
Bekommen dort seinen Stand.

Das hat die Richterschwärmer
Uersetzt in grossen Sturm,

Drum bauen sie jetzt schleunigst
Dort einen Richterturm ...

Zur mitternächt’gen Stunde,

Wann’s eben Zwölfe schlägt,

Sieht man, wie in den Cürmen
ßespensterhaft sich’s regt.

ik & ik Ballade* & & &

Der Herkules des Jahrhunderts
Erscheint gewappnet hier
Mit seinen Staatsmanns-Stiefeln,
Bismarck, der Kürassier.

Der Mond mit gelben Strahlen
Auf ihn hernieder scheint,

Lässt drüben ihn erkennen
Richter, den alten ?eind. «

Die zwei Kämpfhähne stürzen
Sich auf einander los,

Bei Bismarck wie bei Richter
Ist Bass und Wut gleich gross.

Es brüllt der Kürassier Bismarck:
„Hab' ich dich, alter Bauch!“

Er will mit seinem Stiefel
Ihn treten vor den Bauch.

Und Richter schreit: „Dicht sollst du
Zurück ins kühle ßrab,

Bevor ich die drei Haare
Dir ausgerissen bab’!“-

So raufen sie gar grimmig,

Bis Eins! es drunten schlägt,

Der Beisterspuk verschwindet
Und nichts sich mehr dort regt,

So müssen die beiden raufen
In alle Ewigkeit,

Wenn nicht ein Patriot sie
Durch Busse noch befreit.

Auswendig muss er lernen
Der beiden Reden all,

Bis er sie kann hersagen
In ununterbrochenem Schwall.

Das muss er sitzend leisten Dann endlich gehn die beiden

Dachts nackt auf kaltem Stein, Zur ewigen Ruhe ein.

Justitia.

Dis unter dem dringenden Verdachte der Anstiftung zum
Morde ihres Gatten verhaftete Majortu v. Schönebeck
fuhr in Begleitung des Ersten Staatsanwalts, eines Aus-
setzers und einer Aufseherin ins Nntersuchuugsgefängnts.

Höflichkeit ist eine Tugend,

Ganz besonders beim Gericht,

Aber in gewissen Zöllen
Zeiget sie sich leider nicht.

Nimmt man einen impulsiven
Roten Redakteur in Haft,

Dem die Zeder ausgeglitten
Zm Tumult der Leidenschaft!

So wird flott durch Markt und Gassen
Hingeschleppt der Arrestant,
Zestgeschloss'ne Sisenketten
Klirren ihm an Zuß und Hand.

Doch wenn eine Ldeldame,

Die den Gatten umgebracht,

Zn den Kerker man geleitet,

Wird das glimpflicher gemacht.

Zn bequemer Lquipage
Rollt die Gnädige dahin,

Auf bescheidnem Rücksitz hocken
Staatsanwalt und Dienerin.

Höflichkeit ist eine Tugend,

Ganz besonders beim Gericht,

Doch an roten Zeitungsschreibern
Übt man sie gewöhnlich nicht;

Dahingegen wird zuteil sie
Zeder Mörderin von Stand —

„Gleiches Recht für alle" nennt man
Das im deutschen Vaterland. I. E.

Glossen.

Am 25. Januar feiert der Blockreichstag
seinen Geburtstag. Die Reichsregierung hat
aus diesem Anlas; mehrere große und kleine
goldene Medaillen gestiftet.

Für die Prämiierung komme», wie wir er-
fahren, einige freisinnige Führer stark i» die

engere Wahl. Und selbst iver von ihnen keinen
Preis erhalten sollte, darf schon jetzt bestimmt
mit einer „lobenden Erwähnung" rechnen.

Fürst Eulenburg hat durch Staatsanwalts
Mund „jeden Menschen" auffordern lassen,
gegen ihn Strafanzeige ivegen Meineids zu
erstatten. Warmer Empfang und wenigstens
sechs Monate Gefängnis werden garantiert.
Aber bis jetzt traut sich noch keiner.

Mit gutem Beispiel geht Herr Krupp von
Bohlen und Halbach seinen Arbeitern voran. Er
genehmigte sich für das letzte Geschäftsjahr eine
Dividende von 18 Millionen Mark, hat also
pro Tag — einschließlich der Sonntage! —
rund 50000 Mark verdient.

Während also die Arbeiter ihren Sonntag
in aller Ruhe genießen dürfen, gönnt sich ihr
Chef nicht einmal diesen einen freien Tag in
der Woche! Wie könnle er auch an Ausruhen
denken, wenn er laut obiger Berechnung sogar
am Sonntag 50000 Märker verdienen muß.

Die liberale „Augsburger Abend-Zeitung"
fordert, daß „in Lokalzügen Waggons für
bessere Leute und solche für Arbeiter einge-
stellt werden."

Dann empfiehlt es sich aber auch, besondere
Waggons für Leute einzustellen, die solche An-
sichten vertreten; denn jeder sitzt nicht gerne
mit denen zusammen!

In seinem Aufsatz über „Gefängnispsychosen"
berichtet Medizinalrat Or.Hoffmann von einen;
Verurteilten, der Erfinderwahnsinn simulierte
und sich folgender Erfindungen und Einrich-
tungen rühmte: „Luftbestattung", „Vogel-
akademie", „Deutsch-ainerikanisches Hunde-
ammen-Jnstitut", „Märkische Sperlingssalat-
Zentrale", „Lebenselixier" au§ Urin und Brenn-
nessel, Export fauler Eier nach China usw.

Als Dernburg dies las, sagte er; „Was
hätte der Mann bei seiner Phantasie für einen
Kolonialsekretär abgegeben!"

Polnischer Schulärger.

„Stanislaus Kratzkopfsky . . . wie heißt das
Tier, welches du hier auf Seite 2 deiner Fibel
abgebildet flehest?"

„Heiß' sich Rab', Herr Lehrer!"

„Falsch! Ein Adler ist es!! — Wie kommst
du übrigens zu der Meinung, daß jenes Tier
ein Rabe sei. . .?"

„Weil's stiehlt!!"

Rekrutenunterricht.

„Musketier Gottgetreu . . . warum setzt der
Soldat sich den Helm auf, wenn er sich be-
schwert?"

„Weil er weiß, daß er dann was ,aufs
Dach' kriegt!" ,,_

Warum werden Versammlungen
stets bewacht?

Aus Angst — es könnte einmal — bei Nacht,
Wenn kein Mond nicht scheint
And der Nebel braut.

Wenn das Käutzchen weint.

Daß dem Bürger graut.

So von hinterrücks.

Da wir ahnungslos,

Sich finsteren Blicks
Aus der Dunkelheit Schoß
Eine Bande erheben.

Ruchlos, verwegen
Ohne zu beben,

Land anlegen

An das Deutsche Reich!!

Mit einem Streich
Es Umstürzen gleich!!

Daß der arme Staat

Auf dem Bauch liegt gerad'!!!

Der Bürgersmann hört nur: es hat was ge-
kracht —

And der Teufel lacht!

Darum: werdenVersainmlungen stets bewacht!

M. (£.
 
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