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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 25.1908

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https://doi.org/10.11588/diglit.6608#0023
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5691

Habe nun, ach! Salz, Zucker und Bier,
Fahrkarten schon und Zigaretten
Äerangezogen mit heißer Gier,

Vom grimmen Dalles mich zu erretten.
And dennoch bin ich armer Tor
Leut' grad' so klamm als wie zuvor.
And stetig wachsen, Schritt für Schritt,
Die Schulden und das Defizit!

Amsonst seh' ich mich ringsherum
Nach neuen Steuerquellen um:

3ch finde nichts, was wir brauchen können —
Das will mir schier das Herz verbrennen.

In Stadt und Land, in Luft und Meer
Nichts, was nicht längst besteuert wär'I
Es möchte kein 55und so länger leben!

Drum Hab' ich mich jetzt dem Suff ergeben.

Schon heftet sich mein Blick auf jene Stelle,
Wo wohl verwahrt die Kümmelflasche steht.

vcr Volksvertreter.

Motto: „Man treibt doch nicht Polttil, um ewig Ab-
geordneter zu bleiben." Ausspruch des nattonalltberalen
Abgeordneten Pausche.

Wer sicher vorwärts kommen will
Wohl auf des Glückes Rade,

Dem öffnen, wenn er wohlgesinnt,

8ich heut verschied'ne Pfade.

Recht schätzbar sind für diesen Zweck
Geburt, Geld und Talente,

Am leicht'sten aber führt;um Ziel
Gin Sitz im Parlamente.

Wenn du die Sache recht verstehst,

5o kannst, fast ohne Mühen,

Aus diesem stolzen Ehrenamt
Du manchen Vorteil ziehen.

Rach ein'gem Druck und ein'gem Drohn
Und etlichen Intrigen
Liehst der Regierung Spitzen du
vor deinen Züßen liegen.

Der Herr Minister ist bereit —
versteht sich: ganz im stillen! —

Dir jeglichen privaten Wunsch
Rach Kräften zu erfüllen.

Wenn eine Hand die andre wäscht
Zalls beide nicht ganz reinlich ,

3o ist, nicht wahr? für jeden Teil
Der Ruhen augenscheinlich.

Darum, wenn du nicht blöde bist,

So machst du bald Karriere
Im staatlichen verwaltungsfach,

Im Reichsdienst oder Heere.

Auch ist's in solcher Stellung leicht.

Zür Zreunde und Gevattern,

Die sonst zu nichts zu brauchen sind,

Tin Ämtlein zu ergattern.

Und ist dein Rückgrat windelweich
Und eisern deine pelle.

* Stengels Monolog. *

Frei nach Goethe's „Faust".

Im Kops und Busen wird es lieblich Helle,
Sobald mich sanfter Fuselduft umweht.

Ich grüße dich, du einzige Bouteille!

Du warst und bleibst doch stets diejen'ge, welche
Des Herzens tiefstes Sehnen mir gestillt
And mit Ideen meinen Geist erfüllt.

Ich fasse dich und fühl' die Zweifel wanken.
Ein tiefer Schluck—schon kommen die Gedanken!
Ich habe Mut im innersten Gebeine,

o o o

So stürzst du den Minister selbst
Und rückst an seine Stelle.

Kurzum, du füllst die Taschen dir

Gar bald mit reichster Beute-

Zu diesem Zweck wird, lieber Sohn,
Man „Volksvertreter" heute! I. s.

v. Below-Pleitenburg

an v. Arnim-'Schnodderheim.

Mein Allerwertester! Fatale Geschichte mit
altem Freund Graf v.Kliuckerwitz werden jeden-
falls schon gehört haben. War seit lange in
scheußlicher Geldklemme. Vorigen Sommer
hatten ihm Gläubiger — stellen sich vor! —
Roggenfeld durch Gerichtsvollzieher versiegeln
lassen! Protestierte damals in Versammlung
von Bund sehr energisch gegen nnerhörtes
Verfahren. Wandte mich an elenden „Verein
zur Erhaltung von Schönheit des Landschafts-
bildes" und wies darauf hin, daß uraltes
Rittergut mit versiegeltem Kornfeld jedem äst-
hetischen Empfinden ins Gesicht schlagen muß.
Half leider alles nichts. Jetzt höre plötzlich,
daß gegen prächtigen alten Herrn Untersuchung
wegen betrügerischen Bankrott eingeleitet ist.
Begreife Staatsanwaltschaft nicht! Klincker-
witz selbsttedend alles in Bewegung gesetzt, um
infamen Verdacht zu entkräften und alten Ruf
von Familie wiederherzustellen. Sofort in
Sanatorium abgereist, wo jetzt Geisteszerrüt-
tung mimt. Hat bereits am ersten Tage eiser-
nen Ofen kurz und klein geschlagen und halbe
Roßhaarmatratze aufgefreffen. Hoffe zu Gott,
daß daraufhin medizinische Autoritäten richtige
Dienstauffassung bekunden werden. Wäre ja
unglaubliche Taktlosigkeit, wenn sie alten hoch-
angesehenen Edelmann einfach wie ersten besten
Börsenjuden wegen Gaunerei einspunden wür-
den! Wie soll da, frage Sie, in Volk not-
wendige Pietät gegen Edelste unb Beste auf-
recht erhalten werden?

£

Ich seh' die Welt in rosenrotem Scheine,

Ich rieche, schmeck' und fühle nur das Eine:
Des Reiches Zukunft liegt im Brannteweine!

Schon klärt sich der Etat!

Das Minus schwindet!

Der Fiskus jauchzt. Schnapsbrennende
Agrarier

Füll'n schmunzelnd sich die weite Tasche,

Es wächst mein Ruhm mit jeder Flasche;
Handlungsgehilfen ziehen vor mein Haus
And jubeln nachts mich aus dem Bett heraus.

Die Menge singt: Heil dir im Siegerkranz,
And preist als Netter mich des Vaterlands,
Am meine Schläfen strahlt die Aureole:

Ein dreifach Hoch dem Branntweinmono-
pole! I.S.

Vielbesprochene Reise nach England schien
auch mir anfangs nicht unbedenklich. Bin aber
jetzt, nachdem ausführliche Zeitungsberichte
gelesen, vollkommen beruhigt. Gefahr, daß
schlechtes Beispiel von demokratischer Schein-
monarchie gute preußische Sitten verderben
könnte, absolut ausgeschlossen. Besitzen gott-
lob genügende intellektuelle Widerstandsfähig-
keit gegen modernen freiheitliche» Humbug,
und angestammtes kraftvolles Selbstbewußl-
sein bewahrt uns davor, sogenannten neuen
Ideen zugänglich zu sein. Allerhöchste Äuße-
rung über gesunden Menschenverstand, der
deutschem Pressepöbel leidermangelt, hat selbst-
verständlich auch meinen ungeteilten Beifall.
Bin vor allem der festen Ansicht, daß, wenn
gesunder Menschenverstand in öffentlicher Mei-
nung Platz greift, auch unwandelbares Ver-
trauen in überragende Fähigkeiten von preußi-
schem Adel und kindlicher Glaube an über-
natürliche Herkunft von Gottesgnadentum
endlich wieder zu allgemeiner Geltung kommen
würden. Aber niederen Schichten von Volk
durch rohe Verhetzung zurzeit leider jede Spur
von gesundem Menschenverstand abhanden
gekommen. Glauben, wie aus sicherer Quelle
hörte, nicht mal mehr an Wünschelrute und
Gesundbeten!

Peinliche Moltke-Affäre regt mich immer
noch auf. Ekelhafte Berliner Proletenblätter
treiben unentwegt Spott mit heiligsten Ge-
fühlen von auserlesenen Gesellschaftsklassen.
Und dabei las neulich sogar in „Kreuzzeitung"
Inserat, daß Berliner Handwerkerfamilie
„Aftermieter" sucht! Schamlos, was? Groß-
städtisches Gesindel sollte also doch allen Grund
haben, freches Maul zu halten und sich nicht
über alten Adel lustig zu machen! Freute
mich, daß gerade in dieser Zeit Krupp-
Denkmal in Essen enthüllt ist. Müsse»
Nörglerbande zeigen, daß uns nichts daraus
machen!

Inzwischen Gottbefohlen! Ihr Belou>.
 
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