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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 25.1908

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https://doi.org/10.11588/diglit.6608#0026
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Politische Übersicht.

Ägirs Erwachen!

Noch lebt der alte Gott! Grollend stößt er
seinen mächtigen Dreizack in die Fluten, daß
sie weit aufschäumen ob seinem gerechten
Zorne! Wohin er das forschende Auge lenkt,

er vermag Deutschlands Flotte nicht zu
schauen — so winzig klein ist sie! Zahllose
Panzerkolosse Albions kreuzen auf den Ozeanen,
der welsche Erbfeind sendet Schiff auf Schiff
in See, die russische Armada bedeckt das Meer
so dicht, daß keine Stecknadel ins Wasser fallen
könnte, nur Deutschland, Deutschland — nicht
über alles, sonder» hinter allem zurück! Und
wir waren einst das gefürchtete Wickingervolk,
der Schrecken der Landratten! Begreift man
da den Schmerz unseres getreuen National-
gottes, seine brennende Sehnsucht, uns wieder
dort zu sehen, wo unsere Vorfahren herrschten?
Hüten wir uns davor, ihn zu enttäuschen!
Bitter not tut uns eine große Flotte. Darum
ans Werk, ehe es für immer zu spät!

Krupp in Bedrängnis.

Traurige Nachrichten kommen aus Essen. Der
gegenwärtige Chef des ehrwürdigen Hauses
Krupp befindet sich infolge mangelnder Auf-

Schneller bauen!

Nicht oft genug können wir diesen Mahn-
ruf wiederholen. Ist es nicht beschämend, daß
die Herstellung eines Kriegsschiffs noch immer
drei bis vier Jahre dauert? Wie sollen wir
denn da überhaupt mit dem Ausland Schritt
halten können? Unsere Ingenieure hätte»
längst auf die simple Idee verfallen können,
die Zahl der Arbeitskräfte zu vervielfältigen.
Ihr Ziel muß sein, daß in vierzehn Tagen
bis drei Wochen so ein mittlerer Panzer be-
quem vom Kiel bis zum Mastkorb komplett
fertig gestellt werden kann! Freilich, der gute
Wille muß da sein, ivoran es aber hoffentlich
nicht fehlen wird!

^ Nachahmenswert.

Das Muster eines braven Bürgers bietet
Herr Rentier Gotthelf Sebastian Stockfisch,
der seinen Schädel kürzlich als anatomische
Merkwürdigkeit dem Museum des Deutschen
Flottenvereins vermacht hat. Der treffliche
Mann war zeitlebens ein aufopfernder Agi-
tator für die Vergrößerung unserer nationalen
Seemacht. Seine Gedanken waren so innig
mit dem feuchten Element verknüpft, auf dem
unsere Zukunft liegt, daß er das Ziel seines
rastlosen Ehrgeizes erreichte und schließlich

träge cn bitterster Notlage. Gestern mußte die
Milchfrau weggeschickt werden, weil man ihr
keine Zahlung leisten konnte und der Steuer-
exekutor ist ein so häufiger Gast geworden,
daß ihn die Hofhunde wie ein Familienmitglied
begrüßen. So weit ist es mit einer Firma
gekommen, die in der uneigennützigsten Weise
ihre Kräfte in den Dienst unserer Wehrmacht
stellte! Der Reichstag wird sich hoffentlich
seiner Pflicht erinnern und ihr wieder was
zu verdienen geben. Er wird es nicht dulde»,
daß ein Krupp der Armenversorgung zur Last
falle!

selbst einen regelrechten Wasserkopf bekam!
Er umfaßte vier volle Liter! Nun kann man
ihn gegen 20 Pfennig Entree — zugunsten des
Flottenvereines im Museum sehen. Mögen
recht viele Vereinsmitglieder in gleicher Weise
unfern Werbefonds bereichern!

Vom Tage.

Stapellauf.

Der nach dem allerneuesten System gebaute
Zwillingsschraubenpanzer „Nix und Neck"
wird nächsten Samstag die Vulkanwerft ver
lassen. „Nix und Neck" ist ein Kriegsschiff,
auf das unsere Marine stolz sein darf. Mit
allen Mitteln der modernsten Technik aus-
gestattet, hat cs bloß den Spottpreis von
20 Millionen Mark gekostet.

Nachtrag. Während die nachstehende Notiz
gesetzt, stereotypiert und gedruckt wurde, ist
„Nix und Neck" leider schon so veraltet,

daß man ihn gar nicht mehr vom Stapel
lassen wird. Die Technik schreitet eben so
rasend schnell vorwärts, daß die Konstruktion
von „Nix und Neck" bei Fachleuten nur
mehr Heiterkeit erweckt. Diese Form der Ge-
schütze, der Steuerung, des Panzerplatten-
systems ist ja längst überholt! Damit kann
man sich vor dem Ausland nicht sehen lassen.
Zum Glück haben einige Händler „Nix und
Neck" als altes Eisen gekauft und 600 Mark
dafür gezahlt. So hat das Kriegsschiff doch
noch seine Schätzer gefunden.

Was ist's mit der Luftflotte?

Schon mehrere Monate ist es jetzt her, seit
Graf Zeppelin seinen gelungenen Aufstieg
unternommen hat, und noch rührt sich keine
Stimme für den Ausbau unserer Atmosphären-
marine! Ja, vergessen wirdenn ganz, daß unsere
Zukunft in der Luft liegt? Fürs erste brauchten
wir bloß drei bis vier Dutzend Hochluftkreuzer,
aber der Anfang muß einmal gemacht werden!
Sonst schnappen uns die anderen Nationen
noch unsere Plätze in den Wolken weg!

Fragekasten.

Herrn H20: Bei Schiffen ist wohl eine
Taufe üblich, welche mit Champagner vor-
genoMmen wird, aber niemals eine Beschnei-
dung. Letztere Zeremonie wird vielmehr bloß
an den Flottenvorlagen versucht, ist aber dank
der genialen Blockpaarung nur noch selten
von Erfolg begleitet.

Kleines Feuilleton.

Marineheraldik.

Das preußische Wappentier, der Adler,
genügt eigentlich längst nicht mehr den An-
forderungen der Gegenwart. Für das trockene
Land mag er wohl ausreichen, aber Deutsch-
land zur See bedarf dringend eines neuen
Symbols. Wirschlagen vor, den Karpfen mit
der Ehre zu betrauen, uns ein Wappentier

abzugeben, das nicht nur durch seine Intelli-
genz, sondern durch seine Eigenschaft, Moos
auf dem Haupte zu kriegen, dieser Auszeich-
nung würdig erscheint. Wo der deutsche Karpfen
seine Flossen eingeschlagen, da soll kein fremder
Stockfisch mehr hinkommen dürfen!
 
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