Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
5704

Hm u. Januar 1908.

Das war ein Tag, ein Iubeltag, der sich mit lichtem Glorienschein
In der Geschichte ehern Buch mit Feuerlettern schrieb hinein!

Das war ein Tag, ein Iubeltag, der für die Freiheit Bresche schlug
Gen Knechtessmn und Tyrannei, gen Heuchelei und volksbetrug!

Glaubt nicht, daß ihr mit blut'gem Hohn, mit Schergenmacht und

Niedertracht,

Dem Volk das Recht der freien Wahl zu fordern setzt noch streitig macht!
Glaubt nicht, daß ihr mitblinderWut könnt hemmen unfern Siegeslaufs
Ls dämmest schon das Morgenrot der neu erweckten Freiheit aus!

Und wenn ihr auch vom sichren Port in eurem Geldsacksparlament
Das Arbeitsvolk „gewissenlos verhetzt, verführt, verblendet" nennt,
Zhr facht nur selbst die Flamme an, die euern morschen Bau bedroht
Und mit erhab'ner Allgewalt in allen Köpfen zündend loht!

-:---o

©, protzet dreist mit eurer „Macht", die nur auf Unrecht aufgebaut,
Ls kommt dereinst ein Rächertag, da euch vor eurer Torheit graut,
Lin Tag, dereuch wie Peitschenhieb aufden gekrümmten Rücken saust
Und euren Wah», mit einem Schlag in tausendfache Stücke zaust!

Ihr wißt dies wohl, Drum habt ihr auch die Büttel wider uns gehetzt,
Als wir verlangten unser Recht, das ihr mit frecher Stirn verletzt.
Doch wehe! Ieder Tropfen Bluts, der aus der Brust des Volkes quoll,
Lr macht die Schale eurer Schuld nur bis zum Ueberlaufen voll!

Drum Heil dem Tag, dem großen Tag, der für die Freiheit Bresche

schlug

Gen Knechtessinn und Tyrannei, gen Heuchelei und volksbetrug!
Wenn dann die Lnkel weit und breit die Früchte unsrerMühen sehn:
Dein leuchtend Vorbild wird fürwahr nicht in Aeonen untergehn!

gerecht und gesund.

„knie gesunde Reform des preussiseben Äahl-
reebts wird auf eine gerechte Abstimmung des
Gewichts der UJablstimmen Bedacht nehmen
müssen.“ Biilow im preussischcn Landtag.

denn gleiches Recht für alle
Verlangt des Uolkcs Mund,

Dann ist in jedem Jalle
So etwas ungesund.

wer aber zieht den wagen
Des Staats, des Kapitals?
wer muss das Kummet tragen
Um den gescbund'nen Rais?

wem klatschet um die Obren
Die Peitsche schrill und schnell?
wem bohren sich die Sporen
Iti's abgerieb'ne Jell?

Das Lasttier vor dem wage»,

Das Proletariat,

Beschimpft wird's und geschlagen
llon früh bis abends spat.

Und knurrt es einmal leise,
Reisst's: Still, du Lumpenhund!
Das nennt der brave Preusse
gerecht dann und gesund. r, tu.

Splitter.

Die Pfaffen sagen: sie arbeiten
im „Garten des Herrn". — Sie
meinen aber den bewußten „großen
Tiergarten". »

Was ist recht?

Beim Herrn alles ... nichts beim
Knecht! .

Ganz ungesund und schädlich
Ist’s gleiche Wahlrecht gar
Dicht dienlich und nicht rätlicl)
Dem dummen Proletar.

Drei Klassen bat geschaffen
Gott schon im Paradies
JUs er den Menschenaffen
In's Hirn die Seele blies.

So kommt’s, dass dreifach
zählet

In Preusse» der Baron,

Und dass erstklassig wählet
Der Jabrikantensobn.

Den ßleichbeilswahnsinn
schüren

Ist schrecklich ungesund,
Sürs Wahlrecht demonstrieren
Kann nur ein Lumpenhund.

wer brav ist und bequeme,
Bleibt fern der Wahlrechts
schiacht

Und huldigt dem Systeme,
Das Preusse» gross gemacht.

In Bayern fuhr der Ceufel
Des Wahlrechts mit Gestank
Ins Ständehaus! Obn’Zweifel
Ist Bayern sterbenskrank.

Des gleichenCUablrechtsGabe
Bekommt in Baden schlecht,
Sehnsüchtig seufzt der

Schwabe

Dach dem Dreiklassenrecht.

Die ganze lüelt schaut neidig
Auf's schöne Preussenland,
UJo kerngesund und schneidig
Der Jiirst und jeder Stand.

Der Junker lenkt vom Bocke
Den Staat nad^seinem Sinn,
Der Mann im bunten Rocke
Sitzt in der Rutsche drinn.

Cs folgt im Omnibusse
Die ganze Protzenzunft,

Der Gott im Überflüsse
Besitz gab und Uernunft.

Die zerstörte Illusion des Blockfreisinns.

Behüt' dich Gott, es Wär' so schön gewesen.
Behüt' dich Gott, es hat nicht sollen sein.

Das königlich preußische
Haus der Abgeordneten
hat nun endlich einmal
einen „großenTag" gehabt.
Er war auch danach!

Vom Maul des preußi-
schen Antertans.

Der preußischeUntertan
hat einMaul—sonst könnte
er ja nichts essen und seine
körperliche Maschine könn-
te nicht im Gange bleiben,
so daß er Geld verdienen
und Steuern zahlen kann.

Aber höher als die nie-
dere, tierische Sorge für
Magen und Bauch, steht
jener edle, uneigennützige
Idealismus, der von jeher
unsergutes Volkbeseelt
es veranlaßt hat, nun auch
seine reichen geistige»
Kräfte dem Wohl des er-
habenen preußischen Staa-
tes zu widmen.

Und darum hat der Un-
tertan zweitens sein Maul
zu den Zwecken des
a. Hurrabrüllens, Hoch-
rufens und Preußenlied-
singens — als gewöhn-
licher Untertan;

d. Jawohl-und Zu Be-
fehl-Sagens — als Sol-
dat, Beamter und Volks-
vertreter.

Jedemißbräuchliche Be-
nutzung nrehrfach erwähn-
ten Mauls heißt „Volks-
versammlung" und ist ein
Unfug, der sich auf ein
Loch in der preußischen
Verfassung stützt, das Ver-
einsrecht" heißt und durch
Polizeiverordnungen nur
mühsam gestopft wenden
kann.
 
Annotationen