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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 25.1908

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https://doi.org/10.11588/diglit.6608#0042
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5710 «

—5 Dom

„Stets unbekümmert, ohne Sorg' und Plage,
Bei Wein und Weibern, lustig, dick und drall,
In Saus und Braus verjubl' ich meine Tage
Als fette Majestät von Portugal.

„Fürwahr, es gibt kein wonnigeres Leben,

In ew'gem Frühling lacht die schöne Welt,

And ist der letzte Real ausgegeben.

So schafft der Räuber Franco frisches Geld.

„Äin siecht das Volk. Ich saug' an seinem Blute,
Ich plag' und schinde den gequälten Gaul,

Mit Kerker, Knebel, Maulkorb, Beil und Knute
Stopf' ich dem Murrenden das freche Maul.

Carlos.: -

„Die Schulden wachsen - doch was kann es schaden?
Roch fließt der Quell, aus dem man munter schöpft;
Man ist und bleibt ein Fürst von Gottes Gnaden
And weiß, gottlob, wie man die Bande schröpft!

„And wenn ich auch den Bürgerkrieg entfache
Was schiert mich Glück und Freiheit der Nation?
Von meinem Eid sprecht ihr? Daß ich nicht lache!
Freund Franco! — eine neue Million!

„Ich will dem Bettlervolk die Peitsche geben.

Vis auf die Knochen will ich's-" da, ein Knall!

Die Salve kracht und schließt das lust'ge Leben
Der fetten Majestät von Portugal. 3.s.

Der neue Ceffenüorf.

Szene aus dem preußischen Dreittla(Ten*2irKus.

Ls sprach der Junker Brandenstein:
So geht's nicht länger mehr;

Schon exerziert keck auf der Straß'

Das Proletarierheer.

Und was Versammlung heute heißt
Ist Ausruhrschule schon;

Da lernt der Plebs die Strategie
Der künft'gen Rebellion.

So geht's nicht mehr; das darf nicht sein,
Sonst wächst der Roten Macht;

Aus solchem Straßenumzug wird
Die blut'ge Straßenschlacht.

Dann wäre dieses Hohe Haus
vom Pöbel gleich bedrängt;

Wer weiß, wer von uns dann zuerst
An der Laterne hängt!

Dft ist es mir. als ob am Hals
Ich deutlich Iucken spllr'.

Gerade so, als ob mich dort
Sin rauher Strick berühr'.

Wer so wie ich erzogen ist,
verabscheut jeden Strick,

Besonders einen, der umschlingt
Sein adelig Genick.

Man beuge vor! Sin starker Mann
Tut uns jetzt bitter not,

Der tapfer die Gefahr bekämpft,

Die unsrer Herrschaft droht.

Sin Tessendorf muß wieder her,

Sin Tessendorf voll Kraft,

Der uns die roten Hetzer glatt
Und flugs vom Halse schafft.

Die preußische Gerechtigkeit
Mit Tessendorf-Betrieb
War meiner Jugend Ideal,

Dem immer treu ich blieb.

Denn die Iusti; muß schneidig sein
Als wie das Henkerbeil!

Darin nur, hochverehrte Herrn,

Liegt unser aller Heil.

vor diesem Hohen Hause muß
Sin großer Galgen stehn.

So daß bei jeder Sitzung wir
Sie können hängen sehn,

Die Rädelsführer, die den plan
Jum Aufruhr ausgeheckt,

Und die Proleten, die uns jüngst
Aus unsrer Ruh' gejchreckt.

Drum her mit einem Tessendorf!

Mich hat's am Hals gejuckt;

So ist es Zeit, daß rücksichtslos
Man die Canaille duckt!

Sin Tessendorf, ein Tessendorf,

Sin Tessendorf muß her! —

So sprach der Herr von Brandenstein,
Der es gern selber wär'l Tecundus.

Mehrere Fingerzeige.

In Anbetracht eines kaiserlich deutschen,
chronisch gewordenen Reichs-Dalles gestatten
wir uns ganz gehorsamst, die Aufmerksamkeit
der hohen verbündeten Regierungen auf ge-
wisse erprobte Goldquellen zu lenken, durch
die sich das mit Recht so berühmt gewordene
alte römische Kaiserreich im Laufe seines vier-
hundertjährigen, glorreichen Daseins mehrfach
aus gleichgearteter Klemme herausgeholfen hat.
Dem vielbewährten Scharfblick unserer lei-
tenden Staatsmänner sollte es leicht fallen,
diesen oder jenen Kniff in das moderne Ge-
wand eines Gesetzentwurfes zu übertragen.

Zunächst haftet unser geschichtlich begeisterter
Blick an der buckeligen, triefäugigen Helden-
gestalt eines der ersten Kaiser, namens Eali-
gula. Er war das erste große Finauzgenie!
Binnen dreier Monate hatte er die Millionen
seines Geizhalses von Vorgänger verpulvert
und trug von da an stets ein Notizbuch in der
Tasche, wo alle „reichen Knöppe" von Rom
drin verzeichnet waren. Brauchte er Geld, so
strich er ganz einfach drei, vier Namen aus.
Dann wurden die Betreffenden wegen Maje-
stätsbeleidigung verhaftet und schleunigst vom
Leben zum Tode gebracht. Was aber die Haupt-
sache war, ihr gesamter Besitz wurde eiuge-
zogen. Denn die Majestätsbeleidigung kam
schon damals gleich hinterm Pferdestehlen.

„Ach wollte: das ganze römische Volk Härte
nur einen Hals!" pflegte dieser gute Kaiser
zu sagen. Und als er mal ganz saudumm
würfelte und dementsprechend verlor, ging er
bloß mal eben raus und kam freudestrahlend
wieder und sagte: er hätte im Handumdrehen
zwei Millionen verdient. —

Dreißig Jahre später lebte ein gemütlicher
alter Fettbauch von Kaiser — der hieß Ves-
pasian. Bloß mit den Juden hatte er's ver-
schüttet, als er noch Statthalter in Palästina
war. Aber diese Feindschaft lag tiefer: sie be-
ruhte auf Konkurrenzneid! Denn Kaiser Ves-

pasian war ein großes Geschästsgenie. Er fing
die Sache nicht so plump an wie Caligula,
sondern mehr gesetzlich. Er erließ eine Reichs-
steuer auf den — Urin!! Von da ab konnte
im ganzen weiten Römerreich kein Mensch
mehr austreten, ohne daß sofort der Steuer-
erheber dabei stand und seinen Obolus forderte.

Die Räte des Kaisers genierten sich und
meinten: so eine Steuer sei doch wohl nicht
resht würdig. Da hielt ihnen Vespasian eins
der haufenweise herbeiströmenden Goldstücke
unter die Nase und fragte verschmitzt: „Na?
Stinkt's??" Und die Räte schnüffelten und
schüttelten die Köpfe und sagten, daß es nicht
stänke. Sondern es röche gar lieblich und fein.

Hundertundfünfzig Jahre später, als wieder
mal Ebbe in sämtlichen Kassen war, hat die
kaiserliche Garde den Thron samt Kaiserwürde
und Herrschergewalt „öffentlich meistbietend"
versteigert. Der Erlös betrug rund drei
Millionen Mark und wurde auf der Stelle
versoffen. Als die Garde wieder nüchtern war,
schämte sie sich und beeilte sich, den kühnen
Käufer, einen reichen Hofschlächtermeister
namens Didius Julianus, umzubringen.

Wir erwähnen das aber nur der historischen
Treue wegen und wollen es beileibe nicht
empfehlen! Es ist wohl so ungefähr das letzte
Mittel, auf honette Weise Geld zu beschaffen....

Das liberale Ketzergericht.

Die Kopscb und Tischbeck sind sehr empört:
man bat sie — cs ist unerhört —

In ihrer behaglichen Ruhe gestört.

Sie sassen so friedlich im dicken Sumpf

Und wurstelten weiter nach manchem Criumpb

Des biegsamen Rückgrats. Der Block war trumpf

Sie stopften sich die Obren zu,

Da störte ihnen der Barth die Ruh’,

Die wohlverdiente. „Der Barth? Danu?

„was will denn der? hört nicht, was er spricht,
Gr ist ein mann ... Das brauchen wir nicht!
Drum schleunigst her mit dem Ketzergericht!

„was soll ein mann in unseren Reibn??
wir brauchen brave, diskrete Cakai’n
Und mummeigreise obendrein. .

„Grgiesst auf ihn des Zornes Schale:

£r kompromittiert uns liberale —

Gr bat Prinzipien und Ideale!!“ p. €.
 
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