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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 25.1908

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https://doi.org/10.11588/diglit.6608#0060
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° 5728 •-

velgMe erruiigeiifct)aften.

Während Leopold vergnügt seinen Passionen nachgeht, >n»ß sich der arme Belgier mit der ihm an-
gehäugten Kongonegerin abguälen.


fatmachtztelegramme.

Berlin. Fürst Bülow enthüllte schonungslos und mit
ftahlyarter Stimme die geheimen Fäden einer lichtscheuen
„roten Kamarilla", so daß sich der Reichstag schaudernd
schüttelte. B)ie er unwiderleglich nachwies, haben drei
Genossen, die zaubern können und sich mit dem Leusel
duzen, einen Kreis um August Bebel geschloffen und Hetzen
diesen gutmütigen, von Xtatur ganz unpolitischen ^Keu-
schen täglich von neuem gegen Staat und Gesellschaft auf.

- Morgen findet in Berlin die Lnthüllung eines
Lenkmals für den Markgrafen Johann Kasimir mit der
leeren Tasche statt. Den Truppen und der Schuljugend wird
die Bedeutung dieses Mannes vorher klargemacht werden.

— Sämtlichen Mitgliedern der freisinnigen Parteien,
die beim Vrdensfest nicht dekoriert worden sind, geht
heule Abend von Amts wegen ein wohlverpackter Kotillon-
orden als „Muster ohne Wert" zu. Lr trägt die Inschrift:
„Inhaber ist berechtigt, an sämtlichen Reichsmaskenbällcn
leilzunehmen!"

München. Der Konflikt der Bayern mit der Majorität
des deutschen Flottenvereins geschah, wie erst jetzt ver-
lautet, nicht bloß wegen des Generals Keim, sondern
man ärgerte sich auch über den Prograrnmpnnkt: Deutsch-
lands Zukunft liege im Blaffer! — Denn diesen Satz mit
dem Blaffer kann kein guter Bayer unterschreiben; Bayerns
Zukunft liegt im Bier.

Paris. Extrablätter der Zeitung „La patrie" mel-
den soeben, daß die Astronomen der yauptsternwarte
3 Minuten nach 9 auf dem Monde in der Gegend des
Kraters 225 B einen Gegenstand entdeckt haben, den sie
für das entflohene lenkbare Luftschiff „La patrie" halten.
Der Ministerrat tritt zu einer außerordentlichen Sitzung
zusammen.

Fastnachtssitzung
des Deutschen Reichstags.

Abgehalten am Dienstag den 3. März 1908.

Reichskanzler Fürst Bülow: „Meine
Herren! Die Reichsregierung, die entschlossen
ist, mit starker Hand und klarem Blick den
Weltfrieden zu schirmen und zu wahren, hat
Vertrauen in den gesunden Sinn der Nation.
Wenn einst die Stunde schlägt, ivo Deutschland
seines Schicksals Sterne mit kühnem Griff vom
Himmel herunterlangeu darf — dann wird
das nationale Empfinden wie ei» schäumender
Niagara über den Widerstand vaterlandsloser
Gesellen himvegbransen!" (Mit erhobener, stahl-
harter Stimme): „Meine Herren -- wir haben
keine Angst, wir kriegen alles fertig!!"

(Lebhafter Beifall rechts und links.)

Fürst Büloiv (fortfahrend): „Was NUN die
innere Lage anbetrifft, so —" (Der Reichskanzler
steckt die Hände in die Hosentaschen und wendet sich
zur Rechten) „ - so muß ich mit allem Nachdruck
betonen, daß wir durch die Ausgabe von Zehn-
markscheinen genügend den ehrlichen Willen
zu einer gründlichen Finanzreform beivieseu
haben." (Kichern und „sehr gut!" rechts.) „Aber für

bie tut nationalen Interesse unbedingt erforder-
lichen Mehrausgaben genügt das nicht! Und
dann müssen >vir doch auch, tvie jeder an-
ständige Mensch, wenigstens die Zinsen unserer
Schulden zahlen, nicht wahr?" (Vergnügtes
Quieken und Grunzen rechts.) -„Also da konnnen
'vir ganz von selber zu der längst fälligen
Zigarren-Banderole-Steuer " (Bravo rechts:,
„denn wenn die Zigarette schon besteuert ist,
dann ist es nicht mehr wie recht und billig,
die Zigarre auch zu besteuern." (Grobe Heiter-
keit rechts.) „Ferner muß das Bier heran!"
(Lebhafter Beifall rechts.) „Die Arbeiterklasse ver-
plempert ihr Geld für diese Genußmittel und
hat dann noch sotindsoviel Groschen für ihre
Partei übrig; und da soll das Reich ewig der
Dumme sein...?? Meine Herren — so lange
ich lebe, nicht!!" (Tosender Beifall rechts.)

Fürst Bülow (fortfahrend): „Ich komme
nun zu den politischen Fragen." (Ter Reichs-
kanzlex steckt beide Daumen in die Achsellöcher seiner
Weste und wendet sich an die Linke.) „Meine Herren!
Der Liberalismus hat bei den Wahlen ein
Maß von nationaler Einsicht gezeigt, das inich
auch heute noch zu der Hoffnung berechtigt,
die Blockpolitik bis zur Reife ihrer herrlichen
Früchte dtirchführenztt können. AberSte müssen
mir Zeit lassen, meine Herren! Sie dürfen
nicht drängeln!! Halten Sie sich stets vor
Augen, daß Sie der hohen, ehrenvollen Rolle
einer Regierungspartei für würdig er-
achtet morden sind —" (Hört, hört! links) „dann
tvird Ihr schon zu Anfang des vorigen Jahres
so befriedigend erprobtes politisches Taktgefühl
Ihnen stets das Nichtige raten. Ihre liberalen
Wünsche sollen alle nacheinander beivilligt
werben." (Lebhaftes „hört, hört!" und Beifall links.)
„Haben Sie nur ein wenig Geduld!" (Justim-
mende Rufe links!) „Dann tvird alles gut werden,
sehr gut sogar." (Lebhafter Beifall links.) „Als
leitender Staatsmann darf ich kein liberales
Herz haben; aber ich habe ein Herz für den
Liberalismus, so lange er politische Einsicht
beweist!" (Bravo links!- „Ihr liebenswürdiger,
hoffnungsfrendiger Optimismus ist mir sym-
pathisch. Sie haben zum Beispiel den Wunsch
geäußert nach einer Reform des preußischen
Wahlrechts." (Bewegung links.) „Nun, obwohl
das eine Sache des Einzelstaates ist, kann Ich
Ihnen hier doch schon die autoritative Mit-
teilung machen, daß ich, der Reichskanzler —"
(Die freisinnigen Abgeordneten sind, um besser hören
zu können, auf die Pulte geklettert) „— Mich ent-

schlossen habe, init dem preußischen Minister-
präsidenten zu verhandeln, und ihn zu beivegen
versuchen werde, über den bewußten Gegen-
stand, sobald es ihm zweckmäßig erscheint, Er-
wägungen anzustellen!" (Tomiernder Beifall links.
Fürst Bülow wartet, bis sich die freisinnige Begeiste-
rung gelegt hat, steckt die Hände wieder in die Hosen-
taschen, wippt sich hin und her und fährt, de» Back
gradeaits gerichtet, fort):

„Die Einuiütigkeit der Nation —" (Lebhafter
Beifall rechts und links) in allen Fragen, nicht
bloß der auswärtigen, sondern auch der in-
neren Politik —" (Lebhafter Beifall rechts und links)

- gibt der Reichsregierung die beruhigende
Gewißheit, daß sie auf das nationale Ehrgefühl
der gebildeten und besitzenden Kreise zählen

kattn —“ (Lebhafter Beifall rechts und links. Stür-
mische Jawohl- und Zu-Befehl-Rufe) „— wenn die
fortgesetzt plebejische, ordinäre, ^niederträch-
tige und rohe Kampfesweise der Sozialdeino-
kratie —" (Rasender Beifall rechts und links. Ter
Abgeordnete Kämpf zeigt entrüstet ein Bild des „Wahren

Jacob" vor) besondere gesetzgeberische Maß-
nahmen erforderlich machen sollte!!" (Bei-alls-
ftürme rechts und links. Der Abgeordnete v. Lieber!
vereidigt seine Fiaktionsgenossen auf das Handbuch des
Reichsverbands. Die Abgeordneten für Tilsit und Frank-
furt a. M. fallen sich um den Hals und tauschen de»
Brüderlich.) 2.
 
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