5754 —
Der verwandelte Dernburg.
Herr Dernburg war in Afrika
Als flotter Tropenwandrer,
Und weil er drinnen manches sah.
Ward plötzlich er ein andrer.
Zwar Schätze hat er nicht gebracht
Aus jenen fernen Orten,
Doch sieh, wer hätte das gedacht?
Er ist human geworden.
Gar sanft will er die Schwarzen nur
Zn Zukunft noch behandeln.
Zu Trägern höherer Kultur
Will er sie so verwandeln.
Den Kolonien sei kein Krieg
Zn Zukunft mehr beschieden,
Herr Dernburg will jetzt seinen Sieg
Erringen nur im Frieden.
Die Pflanzer drüben sind entsetzt —
Was soll nur werden künftig.
Wenn doch der Dernburg grade jetzt
Urplötzlich wird vernünftig?
Ein jeder Kolonialsex schreit:
Will Dernburg uns denn strafen?
Wir brauchen doch vor allem heut
Dort neue Arbeitssklaven! —
Wenn's so mit Dernburg weiter geht.
Wird dies Geschrei stets toller!
Za, hätt' er statt Humanität
Gebracht den Tropenkoller —
Dann hätt' man ihn gepriesen heut
Als echten Tropenhelden
Und wüßte noch in später Zeit
Von seinem Ruhm zu melden. ■».s.
vlltzllravtNÄchritzten.
Berlin. Fürst Bülow hat an die Londoner „Times"
einen höflichen Brief gerichtet und gebeten, ihm besonders
politische Vorgänge und Lreignisse zwischen Deutschland
und England doch immer rechtzeitig mitzuteilen, da er ja
leider sozusagen ein verantwortlicher Staatsmann sei.
— Der „Reichsanzeiger" veröffentlicht die Umtaufe der
Bezeichnung „Reichs sch atz amt" in „Reichsdallesamt".
— Die freisinnigen Parteien beschlossen, das Gehalt
für eineinviertel Iahr getreuer Blockdienste vom Reichs-
kanzler auf dem Wege der „ordentlichen Ulage" einzu-
ziehen. Termin erster Instanz findet am April statt.
— Der gesuchte Raubmörder Stecnickel nähert sich in ge-
waltsamen Eilmärschen der Reichshauptstadt. Lr hat dein
Polizeipräsidium bereits offiziell mitgeteilt, daß er am
April feierlich durch das Brandenburger Tor in seinen
neuen Wirkungskreis einzuziehen gedenkt.
Märzgedanken.
Wenn du ein guter Bürger bist,
So bleibst du stets zu Lause,
Weil man zurzeit nur sicher ist
Daheim in seiner Klause.
Denn gehst du nur spaziere»,
Ist dies schon demonstrieren.
Ein starkes Schutzmannsausgebot,
Zu Fuß und auch zu Pferde,
Schlägt mit dem Säbel dich gleich tot
And reitet dich zur Erde.
Wer nicht sein Maul kann halten,
Dem wird der Kopf gespalten.
And solch gespaltener Prolet
Der fühlt dann leider meist zu spät,
Daß er in der Millionenstadt
Kein Anrecht auf die Straße hat.
Für Militär und Polizei,
Für Los- und Staatskarossen
Natürlich ist die Straße frei;
Für Bürger und Genossen
Ist sie gesperrt, verschlossen.
Verläßt du nicht gleich den Asphalt
Ist's Widerstand der Staatsgewalt;
Es haut die Schuhmannsplempe
Vom Lut dir ab die Krempe,
Ins Maul kriegst du 'nen Knebel,
Denn heut regiert der Säbel.
And du bemerkst mit Schmerzen:
Leut sind die „Iden des Märzen". A. Schoih.
MaulkorvjuM.
Her Anarchist Ostreich wurde wegen eines Artikels
vom Reichsgericht zu drei Jahren Zuchthaus verurteilt.
Drei ]abre Zuchthaus für ein offen Wort —
Ward so in Russland, Portugal gesündigt??
0 nein, des deutschen Rechtes höchster fiort,
Das Reichsgericht, hat das Ucrdikt verkündigt!
Der bunte Hebel der modernen Phrasen,
Den sie mit grossem Wortschwall um uns breiten.
Zerreisst. Gs platzen just wie Seifenblasen
Die träume von den liberalen Zeiten.
Die Herren oben sind in sich rer Hut.
Sie denken: gab er schon soviel, der Deutsche, —
Dann apportiert er auch noch wohlgemut.
Wenn man’s verlangt, den IDaulkorbunddiePeitsche.
So denken sie. So sprach das Cribunal.
Doch klingt der Spruch durch uns re tage fort
Und loht durch uns’re Dacht wie ein Jaital:
Drei Jahre Zuchthaus für ein offen Wort!! p. e.
v. Armm-Schnodderheim
an v. Below-Pleikenbnrg.
Mein Allerwertester! Verteufelte Allensteiner
Affäre, gottlob halbwegs glücklich erledigt.
Hätte schönen Kladderadatsch gegeben, wenn
durch indiskrete Gerichtsverhandlung mit allen
nur uns bekannten Einzelheiten in Öffentlich-
keit gebracht worden wäre! Intimitäten aus
besseren Gesellschaftskreisen für Proletenohren
total ungeeignet, weil für feudale Lehens-
anschauung heute kein Verständnis und keine
Hochachtung mehr haben. Durch demokratische
Verhetzung eben leider letzte Spur von Ein-
falt und Ehrfurcht aus deutschen Untertanen-
herzen vertilgt.
Denke oft energisch darüber nach, ivie in
gegenwärtigen bösen Zeiten Demut und christ-
liche Moral unteren Klassen wieder einzubleuen
wäre. Strengere kirchliche Beaufsichtigung und
weise Einschränkung von irreführendem, zur
Anmaßung aufreizendem Volksschulunterricht,
Verlängerung von militärischer Dienstzeit und
gesetzliche Einführung von Prügelstrafe für
untere Steuerstufen vielleicht empfehlenswert.
Aber — um auf Allensteiner Sache zurück-
zukommen: ist doch wahrhaft schändlich, daß
braver ritterlicher Offizier auf so komment-
ividrige Weise enden mußte! Drohende Ge-
richtsverhandlung hätte sich doch wohl durch
medizinische Verrückterklärung glatt verhindern
lassen können. Aber eben auch so ein Zeichen
der Zeit: halbes Dutzend (ärztliche Sachverstän-
dige 'rangelotst, und kein einziger beweist rich-
tige Dienstauffassung! Undisziplinierte Bande
schluckt einfach Honorar und Diäten und lacht
sich hinterher in Fäustchen. Abkömmling von
uralter Familie mußte so als Opfer moderner
Wissenschaft fallen und' sich mit ordinärem
Tischmesser Gurgel abschneiden. Unter solchen
Verhältnissen gar nicht abzusehen, ivas einem
selber noch alles passieren kann!
Einziger Trost, daß wenigstens die Schoene-
beck aus fataler Situation gerettet ist. Soll
übrigens tadelloses Weib sein, schick, rassig
und in jeder Hinsicht tip-top — geborene
Stabsoffiziersfrau. Schwärmerei von ganzer
Garnison. Aber kleine Gnädige allzu treu-
herzig, vertrauensselig und daher unvorsichtig.
Schreibt ahnungslos kompromittierenden Brief,
der abgefaßt wird, bringt Kavalier in scheuß-
liche Lage und hat nun selber verdammte Un-
annehmlichkeiten. Wird sicher noch mehrere
Monate in langweiliger Irrenanstalt sitzen
müssen, bis wieder als völlig geheilt in gute
Gesellschaft zurückkehren kann.
Aus Schnodderheim nicht viel zu berichten.
Rat von westpreußischer Landwirtschaftskam-
mer, daß Gutsbesitzer, um Landflucht einzu-
dämmen, Arbeitern mehr Vergnügungen bieten
sollen, hat in schlechter Presse natürlich pöbel-
haftes Hohngelächter hervorgerufen. Habe
aber doch den Rat als sehr zweckentspre-
chend befolgt. Arbeiter sollen fortan von Festen
und Vergnügungen, die in Herrenhaus statt-
finden, nicht ausgeschlossen sein. Habe zum
Beispiel allgemeine Arbeitervergnügungskasse
eingerichtet, in die jeder Kerl Sonnabend von
Wochenlohn eine Mark einzahlen muß. Kam
bald hübsche Summe zusammen, die Arbeitern
ermöglichte, an Hochzeitsfest nleiner Ältesten,
Ludovika Viktoria Eusemia, teilzunehmen. Er-
Der verwandelte Dernburg.
Herr Dernburg war in Afrika
Als flotter Tropenwandrer,
Und weil er drinnen manches sah.
Ward plötzlich er ein andrer.
Zwar Schätze hat er nicht gebracht
Aus jenen fernen Orten,
Doch sieh, wer hätte das gedacht?
Er ist human geworden.
Gar sanft will er die Schwarzen nur
Zn Zukunft noch behandeln.
Zu Trägern höherer Kultur
Will er sie so verwandeln.
Den Kolonien sei kein Krieg
Zn Zukunft mehr beschieden,
Herr Dernburg will jetzt seinen Sieg
Erringen nur im Frieden.
Die Pflanzer drüben sind entsetzt —
Was soll nur werden künftig.
Wenn doch der Dernburg grade jetzt
Urplötzlich wird vernünftig?
Ein jeder Kolonialsex schreit:
Will Dernburg uns denn strafen?
Wir brauchen doch vor allem heut
Dort neue Arbeitssklaven! —
Wenn's so mit Dernburg weiter geht.
Wird dies Geschrei stets toller!
Za, hätt' er statt Humanität
Gebracht den Tropenkoller —
Dann hätt' man ihn gepriesen heut
Als echten Tropenhelden
Und wüßte noch in später Zeit
Von seinem Ruhm zu melden. ■».s.
vlltzllravtNÄchritzten.
Berlin. Fürst Bülow hat an die Londoner „Times"
einen höflichen Brief gerichtet und gebeten, ihm besonders
politische Vorgänge und Lreignisse zwischen Deutschland
und England doch immer rechtzeitig mitzuteilen, da er ja
leider sozusagen ein verantwortlicher Staatsmann sei.
— Der „Reichsanzeiger" veröffentlicht die Umtaufe der
Bezeichnung „Reichs sch atz amt" in „Reichsdallesamt".
— Die freisinnigen Parteien beschlossen, das Gehalt
für eineinviertel Iahr getreuer Blockdienste vom Reichs-
kanzler auf dem Wege der „ordentlichen Ulage" einzu-
ziehen. Termin erster Instanz findet am April statt.
— Der gesuchte Raubmörder Stecnickel nähert sich in ge-
waltsamen Eilmärschen der Reichshauptstadt. Lr hat dein
Polizeipräsidium bereits offiziell mitgeteilt, daß er am
April feierlich durch das Brandenburger Tor in seinen
neuen Wirkungskreis einzuziehen gedenkt.
Märzgedanken.
Wenn du ein guter Bürger bist,
So bleibst du stets zu Lause,
Weil man zurzeit nur sicher ist
Daheim in seiner Klause.
Denn gehst du nur spaziere»,
Ist dies schon demonstrieren.
Ein starkes Schutzmannsausgebot,
Zu Fuß und auch zu Pferde,
Schlägt mit dem Säbel dich gleich tot
And reitet dich zur Erde.
Wer nicht sein Maul kann halten,
Dem wird der Kopf gespalten.
And solch gespaltener Prolet
Der fühlt dann leider meist zu spät,
Daß er in der Millionenstadt
Kein Anrecht auf die Straße hat.
Für Militär und Polizei,
Für Los- und Staatskarossen
Natürlich ist die Straße frei;
Für Bürger und Genossen
Ist sie gesperrt, verschlossen.
Verläßt du nicht gleich den Asphalt
Ist's Widerstand der Staatsgewalt;
Es haut die Schuhmannsplempe
Vom Lut dir ab die Krempe,
Ins Maul kriegst du 'nen Knebel,
Denn heut regiert der Säbel.
And du bemerkst mit Schmerzen:
Leut sind die „Iden des Märzen". A. Schoih.
MaulkorvjuM.
Her Anarchist Ostreich wurde wegen eines Artikels
vom Reichsgericht zu drei Jahren Zuchthaus verurteilt.
Drei ]abre Zuchthaus für ein offen Wort —
Ward so in Russland, Portugal gesündigt??
0 nein, des deutschen Rechtes höchster fiort,
Das Reichsgericht, hat das Ucrdikt verkündigt!
Der bunte Hebel der modernen Phrasen,
Den sie mit grossem Wortschwall um uns breiten.
Zerreisst. Gs platzen just wie Seifenblasen
Die träume von den liberalen Zeiten.
Die Herren oben sind in sich rer Hut.
Sie denken: gab er schon soviel, der Deutsche, —
Dann apportiert er auch noch wohlgemut.
Wenn man’s verlangt, den IDaulkorbunddiePeitsche.
So denken sie. So sprach das Cribunal.
Doch klingt der Spruch durch uns re tage fort
Und loht durch uns’re Dacht wie ein Jaital:
Drei Jahre Zuchthaus für ein offen Wort!! p. e.
v. Armm-Schnodderheim
an v. Below-Pleikenbnrg.
Mein Allerwertester! Verteufelte Allensteiner
Affäre, gottlob halbwegs glücklich erledigt.
Hätte schönen Kladderadatsch gegeben, wenn
durch indiskrete Gerichtsverhandlung mit allen
nur uns bekannten Einzelheiten in Öffentlich-
keit gebracht worden wäre! Intimitäten aus
besseren Gesellschaftskreisen für Proletenohren
total ungeeignet, weil für feudale Lehens-
anschauung heute kein Verständnis und keine
Hochachtung mehr haben. Durch demokratische
Verhetzung eben leider letzte Spur von Ein-
falt und Ehrfurcht aus deutschen Untertanen-
herzen vertilgt.
Denke oft energisch darüber nach, ivie in
gegenwärtigen bösen Zeiten Demut und christ-
liche Moral unteren Klassen wieder einzubleuen
wäre. Strengere kirchliche Beaufsichtigung und
weise Einschränkung von irreführendem, zur
Anmaßung aufreizendem Volksschulunterricht,
Verlängerung von militärischer Dienstzeit und
gesetzliche Einführung von Prügelstrafe für
untere Steuerstufen vielleicht empfehlenswert.
Aber — um auf Allensteiner Sache zurück-
zukommen: ist doch wahrhaft schändlich, daß
braver ritterlicher Offizier auf so komment-
ividrige Weise enden mußte! Drohende Ge-
richtsverhandlung hätte sich doch wohl durch
medizinische Verrückterklärung glatt verhindern
lassen können. Aber eben auch so ein Zeichen
der Zeit: halbes Dutzend (ärztliche Sachverstän-
dige 'rangelotst, und kein einziger beweist rich-
tige Dienstauffassung! Undisziplinierte Bande
schluckt einfach Honorar und Diäten und lacht
sich hinterher in Fäustchen. Abkömmling von
uralter Familie mußte so als Opfer moderner
Wissenschaft fallen und' sich mit ordinärem
Tischmesser Gurgel abschneiden. Unter solchen
Verhältnissen gar nicht abzusehen, ivas einem
selber noch alles passieren kann!
Einziger Trost, daß wenigstens die Schoene-
beck aus fataler Situation gerettet ist. Soll
übrigens tadelloses Weib sein, schick, rassig
und in jeder Hinsicht tip-top — geborene
Stabsoffiziersfrau. Schwärmerei von ganzer
Garnison. Aber kleine Gnädige allzu treu-
herzig, vertrauensselig und daher unvorsichtig.
Schreibt ahnungslos kompromittierenden Brief,
der abgefaßt wird, bringt Kavalier in scheuß-
liche Lage und hat nun selber verdammte Un-
annehmlichkeiten. Wird sicher noch mehrere
Monate in langweiliger Irrenanstalt sitzen
müssen, bis wieder als völlig geheilt in gute
Gesellschaft zurückkehren kann.
Aus Schnodderheim nicht viel zu berichten.
Rat von westpreußischer Landwirtschaftskam-
mer, daß Gutsbesitzer, um Landflucht einzu-
dämmen, Arbeitern mehr Vergnügungen bieten
sollen, hat in schlechter Presse natürlich pöbel-
haftes Hohngelächter hervorgerufen. Habe
aber doch den Rat als sehr zweckentspre-
chend befolgt. Arbeiter sollen fortan von Festen
und Vergnügungen, die in Herrenhaus statt-
finden, nicht ausgeschlossen sein. Habe zum
Beispiel allgemeine Arbeitervergnügungskasse
eingerichtet, in die jeder Kerl Sonnabend von
Wochenlohn eine Mark einzahlen muß. Kam
bald hübsche Summe zusammen, die Arbeitern
ermöglichte, an Hochzeitsfest nleiner Ältesten,
Ludovika Viktoria Eusemia, teilzunehmen. Er-