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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 25.1908

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https://doi.org/10.11588/diglit.6608#0118
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5786 - - -

W wir kommen! LT

wir sammeln die Reihen! wir stellen uns auf,

Mag man uns auch drohen und höhnen!

Und vorwärts geht unser Siegeslauf,
vaß die Länder der Erde erdröhnen,
vaß sie lauschen Alle, voll Angst das Ghr,

Und das Her; verzagt und beklommen!

Ooch wir sprengen das Tor, das Zukunftstor:
wir kommen!

Fest, unaufhaltsam in Schritt und Tritt
Marschieren unsre Kolonnen.

Lin jeder, der Dualen und Schmerzen litt,

Zieht mit uns den weg zur Sonnen!

Und jeder weiß, daß er doppelt erhält,
was ihm gierige Hände genommen!

Still! Läuten nicht Glocken über der Welt?
wir kommen!

was immer an Haß und an Tücken lebt,

Sie schleudern's mit Gift und mit Geifer
Uns in den weg. Doch keiner bebt.

Uns leitet ein heiliger Eifer!

Und führt uns der weg auch durch Dunkel und Rächt,
viel Sterne smd blitzend erglommen;

Die leuchten, bis unser Tag erwacht —
wir kommen!

wenn Ihr die Fesseln auch zehnfach vermehrt,

Einst werden sie von uns gleiten!

Und wenn Ihr den weg zur Sonne uns wehrt,
wir werden ihn dennoch schreiten!

Ist rauh auch der Pfad und steinig und steil,

Rur Mut! er wird doch erklommen!
wir bringen die Freiheit, das Glück und das Heil!
wir kommen!

Sie möchten den Glauben, der in uns loht,

Den freien Gedanken ertöten.

wir aber schauen in Rächt und Rot

Schon den Himmel der Zukunft sich röten!

Wohl wühlen wild wogen um Bug und um Bord
Unsres Schiffs. Doch, im Rebel verschwommen,

Steigt fern auf das Land... Und es jubelt das Wort:
wir kommen!

Und unser die Erde sonnenbeglänzt
Bis in die fernsten Lernen!

Dann wandeln auf ihr wir mit Rosen bekränzt
Und mit schimmernden Blütensternen.

Und was da die Hand, was das Hirn erschafft,

Gilt Allen zu Rutz und zu Frommen,

Die wandeln in Schönheit, in Freiheit, in Kraft —

wir kommen! mawig wllcn.

Rcichzvereimgefetz.

An sechsundzwanzigSchwarzbrotrinden kaut
Das deutsche Volk, alsBülow denkt: „Erbarme
Des treuen Pudels dich!" So kriegt der Arme
Die Linheitsknödelfuppe denn gebraut.

Doch wird am Kochtopf ein Bedenken laut:
„Wienämlich, wenn dasvolkdieneuewarme
Recht ungewohnte Kost in seinem Darme
voll Unvernunft nicht regelrecht verdaut?"

Aus Vorsicht gibt der Funker drum den weisen
vom Freisinn akzeptierten Rat, das Schlucken
Der Knödel nicht zu gierig zu gestalten.

Und siehe! Alle braven Köche walten
Des Amtes, in die Suppe jetzt zu spucken:
„So, deutscherdRichel.Wünschewohlzu speisen!

___ W. S.

Freundschaftliche Begegnung.

Sie haben gegessen und haben getrunken
Auf des Besuches Erwiderung!

Und Reden gehalten voll zündender Funken
Und sind sich dann in die Arme gesunken
Zn bundestreuer Verbrüderung.

Es fielen der blendenden Phrasen gar viele.
Von Interessenverwandtschaft und Frieden,
Von offcnen Türen, gemeinsamen Zielen,

Von glücklich vereitelten Ränkespielcn —
Dann sind sie in Freundschaft wieder geschieden.

Und von derZusammenkunstnun das Ergebnis?
Ob es gewürdigt auch nach Gebühr ward?
Man wurstelt so weiter — es war kein Begebnis
Doch immerhin wieder ein Reiseerlebnis —
Und eine recht nette Spazierfahrt. A.Scholtz.

„Durchschnittlich".

Der Reichstags-Vizepräsident Or. Paasche
hat erklärt, daß „durchschnittlich alle Abgeord-
neten vernünftig sind".

Es machen freilich aus Bescheidenheit nicht
alle Gebrauch von dieser Eigenschaft.

De schlabbe Bohlezei.

WieismeiLeibzgmer
von Kerzen deier!
Doch dud mer's Heide
in der Seele lecd.
Denn es ermangeln
seine Bohlezeier
In neirer Zeit der
richdgen Schnei-
diggeed.

DerSachverhald,der
läßt sich nich ver-
schleiern.

Sumst rnersch in
Gobb ooch wie von
dausend Bien.
Wenn unsre Roden wollden's Maifest feiern.
So mußden «aus nach Stötteritz se ziehn.

Doch mußde ähm ä jeder eenzeln reesen.

An wer an andern Ende war zu Laus,

Dad ä Billjet zur Ebbelebdschen leesen
Die brachde ’tt balde fer ä Reidittch 'naus.

Das ärgerde nadierlich unsre Roden
An in der Schdille had das Gohr gedobd
Doch jeder Massenausflug war verboden.
Schon 's sich Versammeln worde nich erlobd!

Der ruhge Börger gladschde in de Lende
An dad der Bohlezei den Dank vodiern —
Ich frage Sie, wohin soll denn an Ende
Ä solcher großer Menschenuffloof fiehrn?

Es herrschte Ordnung drotz der großen Glabbe,
Die bei de Roden je ganz allgemein —

An tut mit eenen Male wern mor schlabbe
An lassen uns uff Gombromisse ein!

Ich häddc wärglich Lust, mich uffzubammeln
An hawwes in der Ehrschde nich geglobd:
Se dürfen sich an ehrschdenMai versammeln
An der Schbaziergang werd'n ooch erlobd!

Mir gehd de Sache eeklig an de Nieren,
Denn so was hädd' ich niemals mir gedachd;

Muß denn der Mensch nich allen Mud verlieren,
Wenn mer den Roden Gonzessjonen machd?

Ich fiehre driewer sicherlich Beschwerde;

Mei guder Geenig läßd mich nich in Schdich.
Die Bande sitzd nu uffen großen Ferde
An sragd: „Warum ging denn das frieher nich?"

Schreckliche Folgen des Prozesses gegen
den „Wahren Jacob".

Da sich ein Schutzmann in Honolulu durch
einen Witz des „Wahren Jacob" beleidigt
fühlt, muß der verantwortliche Redakteur dort-
hin fahren, trat vor dem samoanischen Land-
gericht den Wahrheitsbeweis für den be-
gangenen Witz anzutreten.

Der Breslauer Polizist, der eine schwangere
Frau „dickwampige Sau" nannte, wird zu-
gleich mit dem Abgeordneten Gröber wegen
der Bereicherung des deutschen Sprachschatzes
vom Deutschen Sprachverein zum Ehren-
mitglied ernannt. «

Der „Wahre Jacob" will fortan — zer-
knirscht, wie er ist — nach berühmten Mustern
nur noch immer 60 Prozent der Schutzmann-
schaft beleidigen, nie mehr die Gesamtheit.

Alle anderen Witzblätter bitten den Bres-
lauer Polizeipräsidenten kniefällig um einen
ähnlichen Prozeß, den sie zu Reklamezwecken
vorzüglich gebrauchen könnten.
 
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