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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 25.1908

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https://doi.org/10.11588/diglit.6608#0135
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5803

Bus einer üeulfchcn JuftUUomöüte.

Jdplle am Starnberger See.

gs fiobelfpäne. e©

O Phili, armer Phili,

Du tust mir herzlich leid.
Denn du bist nur ein Opfer
Von dieser bösen Zeit!

Im schönen Mittelalter
Wo's Faustrecht noch floriert,
Da wäre dir solch Unglück
Wahrhaftig nicht passiert.

Die schnöde Hardenpresse
Gab's noch nicht dazumal,
Die dir mit tausend Nadeln
Bereitet solche Qual.

In manchem heißem Kampfe
Einst siegte dein Geschlecht,
Doch jetzt ward es geschlagen
Von einein Schifferknecht!

Für die preußischen Landtagswahlen soll nach dem Muster der
letzte» deutschen Reichstagswahlen eine „nationale" Frage aufgeworfen •
werden. Sie wird ungefähr so lauten: Darf ein Preuße von einem
Polen 10 Mark pumpen? Und wenn er das darf — muß er sie
dann nachher zurückzahlen??

Herr Clemcnceau macht' einst gar viel Geschrei
Und griff besonders an die Polizei —

Doch seit der Edle selbst am Ruder ist,

Zeigt sich, daß er — der schlimmste Polizist!

Die Freisinnige Vereinigung hat sich gespalten. Die Teilung der
Parteikasse vollzog sich glatt in nicht ganz zwanzig Sekunden, Mit
der Teilung der liberalen Ziele und Grundsätze dagegen ist seit vier
Wochen ein vereidigter Bücherrevisor beschäftigt, der soeben seiner
schwierigen Arbeit leider durch einen plötzlichen Gehirn-Knax ent-
rissen wurde. Ihr getreuer Säge, Schreiner,

Prcussiscbe Kunstrcgeln.

Willst in Berlin du Künstler sein, mein Sobn,

So greife nie vermessen in die Sterne —

€s wären Ordenssterne denn! Den Chon
ßadinens greife lieber an und lerne,

Wie man ihn formt zum TOoltkc und zum Roon
Und noch zu hohem Beiden der Kaserne!

Ucrstehst du dies, dann hast du ausgesorgt,

Wenn sonst auf deine Kunst auch niemand borgt,

Und dlinkst du dich in Preussen ein Poet,

So merke dieses: Jreiheifsüeder dichtet
Wan nur in Plötzensee, jedoch versteht
Der Batiptmann Lauft, wie man Kanonen richtet
JTuf den Parnass, dass er — kapores geht.

Erst wenn der ganze Wusensitz vernichtet,

Ist für den Zollerndichter frei die Bahn
Jür Reldcndramen wie den „Gisenzabn“.

Was ist des Kunstdirektors Seligkeit?

Wenn er mit Schlachten-- und Wanöverschmarren
Uon Röchling und von Werner jederzeit
Die Grazien ganz gehörig hält zum Darren.

Wacht sich die Rinnsteinkunst auch noch so breit
Im deutschen Land, hier mag sie draussen harren,
Und lässt sie Cschudi schliesslich doch ins Raus,
So fliegt er schleunigst selbst zur tiir hinaus.

Du träumst, Berliner, dass du für dein Geld
Gin Uird)ow--Denkmal, einen Wärchenbronnen
Dach deinem eignen Gusto dir bestellt;

Der dünkelhafte Craum ist bald zerronnen.

Was soll ein Künstler, der zwar dir gefällt,

Doch in der Bofgunst nimmer sich darf sonnen?
Jür keinen gilt das Wort: „6s ist erreicht!“

Der nicht im Warstall amtlich ist geeicht.

Das ist die Kunst in Preussens Disziplin —

Sonst überall ein Gären und Rumoren,

In Jrüblingsstiirmen sprosst ein neues Grün —
Bier schläft in Scljutzmannsbut sie traumverloren.

Doch ward im Königsschlosse zu Berlin
Zum Ägirsänger Gulenburg erkoren,

Der, alldieweil er Preussens Grösse preist,

Der Kunst des Ciebens neue Bahnen weist.

Glosse.

Im letzten Jahre gab es in Deutschland
mehr als 5000 Automobilunfälle.

Die Zahl ist sehr gering, wenn man bedenkt,
daß es in Deutschland immer noch mehr Men-
schen wie Autos gibt!

Lieber Jacob!

Ick begreife nich, woso sich de Jelehrten noch
immer ieber jewisse sozjale un pollitesche Fragen
dem Kopp zerbrechen. De Rejierung im Keenig-
reich Preißen hat alle sonne Probleme in de
Praxis schon längst uff de eenfachste Weise
jeleest. Det Rezept is janich zu verfehlen. Et
heeßt: wer nach Ärbeet schreit, kriegt eens
mit'n Pollezeiknippel vor'n Kopp, un wem det
Dreiklassenwahlrecht nich jefällt, der kriegt
ebentfalls eens mit'n Pollezeiknippel vor'n
Kopp, un wenn eener dadran noch nich jenug hat,
denn kommt er vor'n Staatsanwalt un wird
injelocht. Et mag manchen villeicht wunder-
bar erscheinen, det de Leite nich schon frieher
uff diese jeistreiche Leesung der schwierigsten
polliteschen Fragen jekommen sind — aber det
liegt dadran, det in't zwanzigste Jahrhundert
ebent nich jede Rejierung mehr sonne Jnfälle
hat wie de preißesche un det nich jede ieber
sonne taktvolle Pollezei un sonne zuverlässijen
Richter verfiejen tut. Also sind wir zufrieden
und nerjeln wir nich, sondern treesten wir uns
mit det Bibelwort: Et kann allens noch ville
scheener kommen!

In den letzten Arbeetslosenprozeß hat 'n
erfahrener un jlaubhafter Pollezeihauptmann
det beeidigte un sachverständije Zeignis ab-

jelegt, det ihn rvährend seine fimfunzwanzig-
jährije Dienstzeit nie keen Spitzel nich vor de
Oogen jekommen is un det diese bekannte
Jnstituzjon bei de Berliner Sicherheitsbeheerde
ieberhaupt nich in't jeringste existiert. Iber
die sensazjonelle Enthillung haben sich de Leite
natierlich sehr jewundert un die sieben Dutzend
Spitzel, die während det letzte Vierteljahr-
hundert vor de Effentlichkeit entlarvt worden
sind, sollen sich in ihre edelsten Empfindungen
jekränkt fiehlen, weil von so maßjebende Stelle
nich bloß ihre Verdienste um det Vaterland
jeleijnet werden, sondern sojar ihre irdische
Leibhaftigkeit jänzlich bestritten wird. Se sollen
vor Ärjer beschlossen jehabt haben, in'n Streik
inzutreten. Du kannst dir denken, wat det for
Foljen jehabt hätte. Uff'n Alexanderplatz is
bei die Nachricht jleich 'ne besinnungslose Panik
ausjebrochen un man hat in de erste Bestirzung
'ne vertrauliche Anfrage an dem Reichsverband
zur Bekämpfung der Sozjaldemokratie jerichtet,
ob er villeicht aus seinen Mitjliederkreis 'ne
Anzahl erprobte un jeiebte Kräfte for dem
Spitzeldienst zur Verfiejung stellen könnte. Aber
jlicklicherweise brauchte diese verzweifelte Maß
rejel nich erjriffen rverden un die jarrze pein-
liche Anjelejenheit hat schließlich 'ne alljemeine
befriedijende Uffklärung jefunden. Et liegt näm-
lich nischt weiter als wie ’n bloßes Mißver-
ständnis von den Prozeßberichterstatter vor.
Der Pollezeihauptmann hat ieberhaupt von
janz wat anderes jesprochen jehabt. Er hat
jesagt, ihm sei während seine fimfunzwanzig-
jährije Dienstzeit noch nie keen von de Berliner
Pollezei gefaßter Merder nich vor de Oogen
jekommen! Un det jloobt den Mann jeder
ooch ohne Eid.

Womit ick verbleibe mit ville Jrieße Dein
jetreier Jotthilf Rauke,

an'n Jörlitzer Bahnhof, jleich links.

G
 
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