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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 25.1908

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https://doi.org/10.11588/diglit.6608#0140
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5808

6ermamfimmfi.

Die Angst.

Wir lebe» hier obe» in guter Ruh;

Wir speise» und trinke» und singen dazu,
Wir sind an Ahnen und Orden schwer
- Wenn nur das Volk, das Volk nicht war'!

Wir haben zum Spielen mancherlei Dinge,
Wir gottbegnadeten Edelinge,

Vor allem ein hübsch kostümiertes Leer
Wenn nur das Volk, das Volk nicht war'!

Wir haben Paläste und Parks und Geld
Und schöne Frauen. Es wäre die Welt
Ein Paradies, von Sorgen leer.

Wenn eben das Volk, das Volk nicht wär'...

Das sitzt da in der Tiefe und zollt
Uns keine Achtung. Es murrt und grollt.

Es murrt und grollt wie ein böses Tier
Und reckt nach uns die Tatzen schier.

Zu Lilfe, Justiz und Parlament!

Und bindet dem Volk, da es am End'

Sich doch nicht ganz entbehren läßt.
Wenigstens gründlich die Tatzen fest!! P. E.

Menschen—freunde.

Der Arbeitsnachweis der Landwirtschafts-
kammer der Provinz Sachsen erließ in ver-
schiedenen Blättern das Inserat: „Mehrere
größere Posten Wanderarbeiter (Männer,
Frauen und Burschen) sind noch abzugeben."

Durch eine Nachlässigkeit des Setzers ist
folgender Zusatz weggeblieben: „Der Verkauf
geht pfundweise vor sich. Bei größeren Be-
zügen Rabatt."

Mannschaftsparlamentarier.

Der Landwehrrittmeister und Vizepräsident
des deutschen Reichstags Paasche ist vor kurzem
ivegen einer im Parlament gehaltenen Rede
von seiner Vorgesetzten Militärbehörde gerüffelt
und unter Androhung einer disziplinarischen
Bestrafung genötigt worden, seine mißliebigen
Behauptungen in öffentlicher Sitzung unter
dem Ausdruck des Bedauerns zurückzunehmen.

Jeder Patriot, dem die Erhaltung einer
straffen Hecrcsdisziplin am Herzen liegt, wird
dieses energische und zeitgemäße Vorgehen der
Kommandogewalt mit Beifall begrüßt haben.
Aber — so fragt er sich mit banger Sorge —
genügt es denn, unter denjenigen Mitglieder»

des Reichstags, die sich im Besitze derOsfiziers-
epauletts befinden, die militärische Manns-
zucht aufrecht zu erhalten, und sollen parla-
mentarische Jnsubordinationsvergehen jener
Volksvertreter, die nur als Unteroffiziere, Ge-
freite oder Gemeine dem stehenden Heere oder
der Landwehr angehören, gänzlich ungerügt
bleiben? Ein solches Verfahren würde dem in
der Armee herrschenden empfindlichen Rechts-
gefühl offenbar Hohn sprechen, und es ist nötig,
hier schnell und gründlich Abhilfe zu schaffen.
Die Bestimmungen des deutschen Militärstraf-
gesetzbuchs genügen im Verein mit den Kriegs-
artikeln vollkommen, um auch die Mannschafts-
Parlamentarier von, Unteroffizier abwärts in
heilsamer Zucht und Ordnung zu halten. Zu
diesem Zweck wären von den Vorgesetzten Mili-
tärbehörden nur etwa folgende ergänzende
Spezialbefehle zu erlassen:

1. Jeder zum Reichstagsabgeordneten ge-
wählte Unteroffizier, Gefreite oder Gemeine
der Reserve oder Landwehr ersten beziehungs-
weise zweiten Aufgebots hat die Erlaubnis
zur Annahme seines Mandats beim zuständigen
Bezirkskommando persönlich einzuholen. Die
Militärpapiere und ein polizeiliches Führungs-
attest sind mitzubringen. Angehörige der so-
genannten Oppositionsparteien werden vorEr-
teilung des Bescheides durch den Bezirksofsizier
einer eingehenden Prüfung in vaterländischer
Geschichte, Sozialpolitik, Schießvorschriften und
Religion unterzogen. Bei Abgeordneten des
Blocks genügt eine körperliche Untersuchung.
Dieselben haben sich zu diesem Zweck in
sauberer Unterkleidung und mit gewaschenen
Füßen beim Lazarettgehilfen zu melden.

. 2. Die Ausübung des Reichstagsmandats
kann den Mannschaftsparlamentariern bei
nachweislich schlechter Führung jederzeit auf
disziplinarischem Wege untersagt werden.

3. Beabsichtigt ein Mannschaftsparlamen-
tarier im Reichstag eine Rede zu halten, so
hat er den Wortlaut derselben spätestens vier
Wochen vorher in sauberer Niederschrift sei-
nem Bezirksfeldwebel zur Begutachtung ein-
zureichen. Willkürliche und böswillige Ab-
weichungen von dem durch den Vorgesetzten
formulierten Text der Rede werden mit Mittel-
arrest nicht unter vierzehn Tagen bestraft.

4. Ebenso unterliegt die Beteiligung an par-
lamentarische» Abstimmungen der vorherigen
Genehmigung der zuständigen Militärbehörde.
Zuwiderhandlungen seitens der Mannschafts-
parlamentarier werden mit strengein Arrest
und Versetzung in die zweite Klasse des Sol-
datenstandes bestraft.

5. Während der ganzen Dauer einer soge-
nannten Wahlkampagne unterstehen die der
Reserve oder Landwehr angehörenden Parla-
mentskandidaten den Militärstrafgesetzen. Und
zwar treten für diese Zeit die Kriegsartikel
in Kraft.

Auf diese Weise wird man der schon lange
in maßgebenden Kreisen unliebsam bemerkten
Unbotmäßigkeit gewisser Parlamentarier wirk-
same Schranken setzen und zugleich dem poli-
tischen Zeitgeiste der Blockära die gebührende
Huldigung erweisen. _ I. S.
 
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