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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 25.1908

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https://doi.org/10.11588/diglit.6608#0166
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5834

Germanias

Der Frühling kam, es blüht der Flieder,

Das Herz schlägt warm und minniglich,

Die Vögel singen Liebeslieder,

Bau'n Nester und begatten sich;

Allorten herrscht der Geist der Liebe
Nach den Gesetzen der Physik:

Es regen sich die Paarungstriebe
Selbst in der hohen Politik.

Frankreich und England, heiß umschlungen,
vergaßen längst den alten Haß,

Im Sturm hat Eduard bezwungen
Das Herz des keuschen Nikolas;

Die Fahrt nach russischen Gestaden
Bracht' mannigsaltigen Profit —

Nur ich sitz' da und Hab' den Schaden
von allem, was ringsum geschieht.

Ich war — bei Gott! — nie stolz noch spröde,
Auch wähl'risch war ich keinesfalls,

Ich warf dem Niklaus wie dem Gde
Sehr impulsiv mich an den Hals;

Klage.

Die Kerzen sucht' ich zu entflammen
Auf diese und aus jene Art,

Mt Reden, Orden, Telegrammen
Ging aller Welt ich um den Bart.

Jedoch der Eifer wollt' nichts nützen,
vergeblich war die brünft'ge Hatz:
Man ging dahin und ließ mich sitzen
Und wählte einen andern Schatz.

Ich blieb allein mit meinen Trieben,
von allen Buhlen, lieb uud hold,
Sind mir am Ende treu verblieben
Nur Monaco und Lleopold.

So sitz' ich solo, schmerzzerrissen,

Mit allen meinen Reizen da,

Rein Luder will von mir was wissen,
Der einsamen Gerniania;

Im Rreis der europä'schen Staaten

ward ich zur komischen Figur-

Ein Hurra unfern Diplomaten!

Ein Hoch der preußischen Rultur!

kMgtMüanken.

Alle wißt ihr aus der Bibel,

Was am Pfingstfest einst geschah,

Als man sämtliche Apostel
Feierlich versammelt sah.

Ueber ste ward ausgegoffen
Dazumal der heil'ge Geist,

Was der Christen alte Lehre
Heute noch als wunder preist.

Und ergriffen waren alle
von der pfingstbegeisterung
Also sehr, daß ste einander
Predigten mit hohem Schwung,
von dem neuen Geist durchdrungen
waren alle wie noch nie,

Und dabei in allen Zungen
Konnten plötzlich sprechen sie.

Alle voll von heil'gem Lifer
Zogen über Land und Meer,

Trugen ihre neue Lehre
Zn der ganzen Welt umher.

Und in guten Boden fiel ihr
Same bald in jedem Land —

Gut, daß der Kulturstaat Preußen
Dazumal noch nicht bestand!

Zhre Reden hätt' verboten
Schneidig dort die Polizei
Mit dem Sprachenparagraphen —

Und mit ihnen war's vorbei! s.gt.

Orol.

Zu Innsbruck, da gibt es so leicht nicht Ruh',

Da ging es auch jüngst wieder lustig zu,
Studenten und Bauern, die kohlschwarz gefärbt,
Die haben einander das Leder gegerbt.

0 altes Cirol mit den schneeigen fjöh’n,

Den blühenden Städten und Cälern so schön,
Mit dem biederen Uolk voll urwüchsiger Kraft —
Wie blühet zu Innsbruck die Wissenschaft!

Klagelied

des Berliner Kreissynodalen.

Fromme Brüder, laßt uns weinen:
Trostlos ist die Not der Zeit,

Gänzlich ausgestorben scheinen
Ehrfurcht, Einfalt, Frömmigkeit.

Ach, die Welt wird rot und röter.

An das Diesseits denkt sie stets.
Während doch im Jenseits später
Erst beginnt der rechte Feez.

Keiner fragt nach dem Prinzipe,

Das der gläub'gen Seele frommt.

And es ist ihm völlig piepe.

Ob er in den Himmel kommt.

Freventlich ist ihr Gebareit,

Ihre Reden sind ein Graus,

And — weh uns! — in Hellen Scharen
Tritt man aus der Kirche aus.

Lehmann, Müller, Schulz und Meier
Drehn den Rücken uns und gehn.

Wenn wir jetzt die Kirchensteuer
Am ein wen'ges nur erhöhn.

Fressen wollen sie und zechen
And was sonst ihr Äerz erfreut.

Aber keiner will mehr blechen
Für die fromme Geistlichkeit.

Weh! die Schafe, die verirrten,

Sehen und begreifen nicht.

Wie uns armen Seelenhirten
An der Nahrung es gebricht.

Knausrig ist das Herz der Sünder,

Hart und ruppig ihr Gemüt —

Ach, und meine siebzehn Kinder
Erbten meinen Appetit!

Nett' mich, Herr, von der Beschwerde,
Lenk' die.Herzen himmelan.

Daß ich die geduld'ge Herde
Wieder ruhig scheren kann!

Ende schleunigst die Misere,

Laß mich nicht vergeblich schrein:

Sonst Verzicht' ich aus die Ehre,
Fürderhin dein Knecht zu sein.

Denn bevor ich auf der Schanze
Als ein heil'ger Dulder sterb',

Lol der Teufel doch das ganze
Gottverfluchte Pfarrgewerb'! 3. e.

Serenissimus und der Fall Eulenburg.

„Also dieser Fürst Eulenburg, lieber Kinder-
mann, war das Haupt dieser sogenannten ...
äh ... wie heißt sie doch gleich ...?"

„Kamarilla, Durchlaucht!!"

„Ah... stimmt. Und gestürzt hat ihn dieser
sogenannte. . . äh . . . kann auf den Namen
nicht kommen..."

„Maximilian Harden, Durchlaucht!"

„Richtig, sehr richtig: Harden.— Nu sagen
Sie mal, Kindermann ... finden Sie das nett
von diesem Kerl, dem Harden?"

„Ganz und gar nicht, Durchlaucht. Es ist
eine große Schofelei gewesen."

„Pst!! Nicht so laut, Kindermann! Sonst
legt er sich ... äh .. . mit uns beiden auch
noch an!!" _______

Der gewissenhafte Bureaukrat.

Auf dem Steuerbureau des Rathauses findet
der revidierende Stadtrat einen leibhaftigen
„Dackel" vor, der stolz wie ein Spanier bei
einem leeren Freßnapf hockt und an einer
Leine befestigt ist, die in den nächsten Schrank
hineinführt.

„Wie kommen Sie dazu, gegen alle Dienst-
vorschriften sich hier einen Hund zu halten??"
schnauzt der Vorgesetzte den amtierenden
Sekretär an. Dieser erwidert gekränkt: „Bitte
sehr, Herr Stadtrat . . . das ist gar kein Hund,
sondern .Anlage Nr. 5c‘ der Akten gegen den
p.p. Schulze wegen rückständiger Hundesteuer!"
 
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