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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 25.1908

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https://doi.org/10.11588/diglit.6608#0210
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— 5878


Vas verschleierte Bild zu Norderney.

(Sehr frei nach Schiller.)

Ein Kreisinnrheld. den heißer Wissensdurst
Nach Norderney getrieben, dort des Ranzlers
Geheime Weisheit zu erlernen, hatte
Schon oft der großen Krage sich gewidmet,
wie „Kreisinn" man und „Reaktion" verbindet.

Stets ritz ihn seine Korschbegierde weiter
Und kaum besänftigte der weise Uanzler
Den ungeduldig Kragenden, der stets
Des Blockes Ziel, das große, wissen wollte.

Indem sie einst so sprachen, standen sie
In einem einsamen Gemache still,
wo ein verschleiert Bild von Niesengröhe
Der Kreisinnrheld ersah, und ganz verwundert
Blickt er den Uanzler an und spricht: „was ist's.
Dar hinter diesem Schleier sich verbirgt?"

„Die Wahrheit ist's". -er weise Uanzler spricht.
„Die Wahrheit - über die Kinanzreform!"

„Nach Wahrheit streb' ich ja allein", ruft jener.
„Und sie gerade bleibt mir da verhüllt?" —

Der kluge Uanzler aber lächelnd spricht:
„Gewichtiger, mein Sohn, als du es meinst.

Ist dieser dünne Klar — für deine Hand
Zwar leicht, doch zentnerschwer sür dein Gewissen!"-
Tiefsinnig geht der Kreisinnrheld nach Hause.

Ihm raubt des Wissens brennende Begier

Den Schlaf, er wälzt sich glühend aus dem Lager
Und rafft sich auf um Mitternacht. Zum Bilde
Kührt unfreiwillig ihn der scheue Tritt.

Er geht hinein und spricht sich selber Mut ein:

„wer diesen Schleier hebt, soll Wahrheit schauen.

Sei hinter ihm, war will, ich heb' ihn auf!"

Er ruft's mit lauter Stimm': „Ich will sie schauen."

Schauen!

Gellt ihm ein langes Echo spottend nach.

Er spricht's und hat den Schleier aufgedeckt.
„Nun", fragt ihr, „und war zeigte sich ihm hier?"
)ch weiß er nicht. Besinnungslos und bleich
Kand ihn bei seiner Morgenpromenade
Der Uanzler ausgestreckt am Kuß des Bilder.

Und als der Kreisinnrheld erwacht, der Uanzler
Sprach zu ihm sein mit Überlegenheit:

„hätt'st du gewartet, bis ich dir im Reichstag
Dar Bild entschleiert, ward die Sach' dir leichter,
Nachdem ich auseinander dir gesetzt.

Daß du das alles mutzt bewilligen,
weil es das teure Vaterland verlangt
Und du dem großen Blocke angehörst.

Dann brauchtest du vor Schreck nicht umzufallen
hier auf dem harten Boden, denn im Reichstag
wird viel gemütlicher der - Umfall fein!" ».«•

MwürahtnaHriOlen.

Berlin. Beim Prozeß Lulenburg war die Öffentlich-
keit strengstens ausgeschlossen. Sogar die Göttin der Ge-
rechtigkeit hatte nur gegen Paßkarte Antritt!

— Seit einiger Zeit leidet die auswärtige Reichspolitik
an schlafstörenden Beklemmungen. Der spukhafte Alp-
druck wiegt rund zwei Zentner und heißt König Lduard.

— Der Reichskanzler hat die Beurlaubung Liebknechts
aus der Haft verweigert. Dagegen hat er erklärt, daß
er gern bereit sei, die übrigen sechs Genossen aus dem
Landtag zu beurlauben!

Wien (amtlich), wegen vorgekommener Mißverständ-
nisse wird nochmals dringlich bekannt gegeben, daß sich
die hiesigen fortgesetzten Festivitäten auf das fünfzig-
jährige Regierungsjubiläum Franz Josefs I. beziehen
und nicht auf das sechzigjährige der Revolution von ^8^8.

Teheran. Der Schah ist fest entschlossen, die europäische
Zivilisation in Persien einzuführen. Sie befindet sich in
den Patronentaschen der russischen Kosakenbrigade.

New Z)ert. Kriegsminister Taft wird voraussichtlich
Präsident der vereinigten Staaten. Entscheidend für seine
Nominierung war, daß sein Mundwerk die Spannweite
des Roofeveltschen hat.

Glossen.

Die bayerische Verkehrsverwaltung hat bei
der Reorganisation des Betriebes zweihundert
Wagenladungen alter Akten vernichten lassen.

Vor Entsetzen über diesen Akt des Vanda-
lismus will sich Sankt Bureaukratius an seinem
eigenen Zopf aufhängen.

Der König von Italien, dessen Automobil
den Motorwagen des Bürgermeisters beschä-
digte, ist von diesem deshalb verklagt worden.

Als der Oberbürgermeister von Berlin dies
las, bekam er einen Ohnmachtsanfall.

In der Presse wird bemängelt, daß dem
Oberbürgerineister von Berlin kürzlich eine
kaiserliche Audienz von nur fünfzehn Minuten
Länge bewilligt wurde.

Mit Unrecht. Die Zeit genügte vollständig:
es handelte sich lediglich um Schnitt und Farbe
der Livree, die Kirschner als Lohn für seine
Wacht am Brandenburger Tor verliehen wor-
den ist. t

Major Graf v. Götz sagte von den wegen
sechshundert Soldatenmißhandlungen ange-
klagten Unteroffizieren, er hätte mit ihnen
Ehre einlegen können.

Der Major soll nunmehr zum Gouverneur
einer afrikanischen Kolonie ausersehen worden
sein.

Landrat v. Wedell-Piesdorf drohte einem
Lehrer in Nordhausen »nt Amtsentlassung,
wenn er seine Vorträge über Säuglingssterb-
lichkeit fortsetze.

Das ist sehr vernünftig; denn, da die vor
dem Elend beschützten Säuglinge wahrschein-
lich später doch Sozialdemokraten geworden
wären, kommt die scheinbar so harmlose Tätig-
keit des Lehrers einer Unterstützung der vater-
landslosen Partei gleich.

Lerr Bumps.

Lerr Bumps, der ist ein Patriot
Aus gutem Bürgerstande,

Er opfert sich mit Gut und Blut
Dem deutschen Vaterlande.

Im Wirtshaus an dem Stammtisch dort
Der größte Redner ist er.

Er trinkt nur echtes deutsches Bier,

Dazu Franzosen frißt er.

Schlägt mit der Faust er auf den Tisch,
Wenn er gerät in Flammen,

Meint man, es brach' die Republik
In Frankreich gleich zusammen.

Am England zu besiegen, will
Er tausend Schiffe bauen.

And die Franzosen will er grimm
Zu Land zusammenhauen.

„Wir", brüllt er, „sind das stärkste Volk,
Denn wir sind die Germanen,

And schlagen drein gerad so wild
Wie einstens unsre Ahnen!

„Wenn gegen eine ganze Welt
Deutschland alleinig bliebe.

Dann lernt recht kennen man die Wucht
Erst unsrer deutschen Liebe!"-

Ein Jüngling lächelnd fragt: „Lerr Bumps,
Wenn es nun kommt zum Schlagen,

So werden Sie doch auch mit uns
Im Feld die Waffen tragen?" —

Lerr Bumps wird rot, nimmt einen Schluck
And spricht: „Ihr könnt mir's glauben.

Ich zöge gern mit euch hinaus,

Tät's — meine Frau erlauben!" HansFiux.
 
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