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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 25.1908

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https://doi.org/10.11588/diglit.6608#0238
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—. 5906

Dev Fcrll Zchücking.

Noch brennt auf deinen schänr'gen Wangen
Der faft'ge Streich, den seinerzeit
Du, armer Freisinn, hast empfangen
Von Bülows Hand im wahlrechtsstreit.

Noch drängen auf des Herzens wage
Hie Mannesstolz, hie Demut sich,

Und schon hob er zum zweiten Schlage
Die Faust, die grimme, wider dich.

Dieweil des Blockes Freundschaftskleister
Du treulich rührst mit Fleiß und List,
Verwamst er Husums Bürgermeister,

Der deinem Herzen teuer ist.

Das war zuviel! Lin dräuend Wetter
Mit Blitz und Donner rührt und regt
Schon in den Spalten deiner Blätter
Sich voll und ganz und unentwegt.

Doch bläst du auch die Ariegsfanfare
Mit rachedürstendem Gemüt —

Ich kenn' dich, Freund, seit manchem Jahre
And kann dir sagen, was geschieht.

Du schwingst voll Inbrunst die Standarte
Und schreist Gewalt, doch hinterdrein
Reibst du dir die geschundne Schwarte
Und steckst den Fußtritt ruhig ein.

Schon ebben deines Unmuts Fluten —
Lin Machtwort: und als Opferochs
Sieht man den guten Schücking bluten
Auf dem Altar des heil'gen Blocks! 3. <5.

Mtzürahmachrichten.

Berlin. Die auswärtige Politik ist am Hitzschlag er-
krankt und bis auf weiteres leider nicht fähig, in ge-
wohnter weise jemandem nachzulausen.

— Am \7. August weilte ein beurlaubter Minister
zufällig einige Stunden in Berlin und fuhr dann, um-
braust vom betäubenden Jubel eines tausendköpfigen
Publikums, von neuem in die Sommerfrische.

— Die Vertagung des Lulenburg-Prozestes hat sehr
günstig auf den Zustand des Angeklagten eingewirkt.
Bei etwaigem Wiederbeginn ist nach ärztlichem Gut-
achten eine sofortige Verschlimmerung zu befürchten.

Norderney (amtlich). Gestern traf hier ein bevoll-
mächtigter Botschafter der vereinigten freisinnigen Par-
teien ein und überreichte dem Reichskanzler ein Beglau-
bigungsschreiben. Die Lage ist ernst.

— (amtlich, dringend). Der freisinnige Botschafter
verlangt befriedigende Erklärungen über die Maßrege-
lung des Bürgermeisters Schücking. Die Lage wird
immer ernster.

— (amtlich, dringend, durch Extrablätter bekannt zu
machen). Als Se. Durchlaucht Fürst Bülow sich heute
morgen im Wasser befand, erschien der freisinnige Bot-
schafter und forderte bindende Zugeständnisse in Sachen
Schückings. — Le. Durchlaucht der Herr Reichskanzler

ließ ihm durch den Bademeister sagen, er hätte ihm
nichts mehr zu sagen, und beendete die Unterredung durch
mehrfaches energisches Unter-Waster-Cauchen.

Vom Blocksberg. Das hier nächtigende große tzaupt-
quartier der vereinigten freisinnigen Parteien erhält so-
eben vom wiederausgetauchten Fürsten Bülow ein Tele-
gramm aus Norderney, daß er demnächst einige liberale
Konzessionen bewilligen werde. Der Zwischenfall ist
somit beigelegt.

Aonstantinopel. Infolge anhaltender Wackelbewe-
gungen des kaiserlich türkischen Thrones geriet der Sultan
in eine Verfassung, die medizinisch als „konstitutionell"
bezeichnet wird.

Volk, werüe hart!

Beim Amboß steht der rote Schmied;

Lr schwingt den Hammer,

Das Lisen glüht. . .

Ls leuchtet sein Blick,

Und er brummt durch den Bart:

Volk, werde hart!

Ls naht die schwüle Wetternacht;

Wer weiß wie bald —

Und der Donner kracht . . .

Zum Kriegesruhm

Will der Fürst auf die Fahrt.

Volk, werde hart!

Der Dompfaff spitzt den Schnabel schon,
verspricht den Knechten
Des Himmels Lohn . . .

Merkst du noch nicht,

Wie arg er dich narrt? —

Volk, werde hart!

Briefwechsel des Schahs von Persien
mit dem Zaren von Rußland.

Teheran, 20. April. Der König der Könige
grüßt seinen geschätzten Kollegen. Als Sie mir
vor einem Jahre rieten, meinen aufsässigen
Racker von Volk durch den Zucker einer Ver-
fassung und durch parlamentarischen Honig
zu besänftigen — wie konnte ich da ahnen,
daß mich das so in die Tinte reiten würde??
Ich komme mir vor wie ein lackierter Mittel-
europäcr; und das verdanke ich lediglich

meinem blöden Vertrauen auf Ihre, angeblich
reiferen, politischen Kenntnisse.

Ferner gestatte ich mir die energische Frage,
was eigentlich die auffällige Ansamnilung
russischer Truppen in nächster Nähe meiner
Grenze bedeuten soll.

Ihr mißtrauisch gewordener Schah.

ZarskojeSselo,20.Mai.Teuerster Vetter!
Was die Anwesenheit meiner Regimenter vor
den Toren Eures so weise regierten Landes
betrifft, so erkläre ich Euch als der erfahrenere
Politiker, daß Ihr sie bald genug, und zwar
recht zweckmäßig, werdet verwenden können.
Verfassungen und Parlamente sind nämlich
ganz besondere Dinger. So leicht sie sich ein-
führen lassen, so schwer wird man sie wieder
los. Man benötigt dazu gewisser, höchst triftiger
politischer Gründe, wie es zum Beispiel Ka-
nonen und Gewehre sind, und ferner sehr
vieler Soldaten, die mit besagten politischen
Gründen zu schießen verstehen.

Jhrfragtvielleicht: Wozu dann erstderganze
konstitutionelle Klimbim? Teuerster Vetter!
Wir asiatischen Selbstherrscher müssen bis-
weilen etwas „europäisch" tun, um bei jenen
albernen Gjaurs, die konstitutionell oder gar-
parlamentarisch regiert werden, finanziellen
Kredit zu kriegen. Denn zum Kriegführen,
vor allem mit dem eigenen Volke, gehört Geld
und nochmals Geld.

Daß Ihr dem Parlament gegenüber die
Verfassung beschworen habt, darüber braucht
Ihr Euch keine grauen Haare wachsen zu
lassen. Mein Hausgeistlicher, der fromme und

verehrungswürdige heilige Mitja, behauptet,
daß so ein Eid, wenn kein Parlament mehr
da ist, subjektiv ungültig ist; und wenn keine
Verfassung mehr da ist, sogar objektiv.

Mit verwandtschaftlicher Teilnahme

Euer Nikolai.

Teheran, Turm derZufriedenheit, 20.Juli.
Der König der Könige verneigt sich vorder alles
durchdringenden Weisheit seines erhabenen
Freundes und Bruders!! Erlaube, daß wir
uns von nun ab duzen. Ich komme Dir einen
Ganzen mit dem Blute sechs aufrührerischer
Köpfe, die soeben vor meine gebietenden Füße
rollen. Dein Rezept ist großartig! Kanonen,
Gewehre und Soldaten lösen jedes noch so
komplizierte Rätsel in der Politik. Die Oppo-
sition verstummt, wenn sie aufgehängt wor-
den ist.

Aber wie steht's denn: wollen wir nicht
bald mal wieder ein wenig „europäisch" tun?
Ich habe kein- Geld mehr, und von Dir kann
man ja schlecht was pumpen. Bleiben also
nur die -j-j-s Engländer. Freund, was muß
unsereins sich über diese fränkischen Hunde
ärgern! Hast Du in Reval schon mal leise
hingefühlt??

Dein treuer Gesinnungsgenosse und Schah.

Splitter.

Einen tüchtigen Kaufmann nennt man dich
nicht, wenn du einem Kunden etwas ver-
kaufst, das er braucht, sondern etwas, das er
nicht braucht. e.e.
 
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