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6046

Türkische Reformen.

Der Sultan ist ein kranker Mann,

Der sich nicht viel mehr leisten kann;

Er ließ den Dingen seinen Lauf
Und gab sogar den Larem auf.

Schien dieses auch nicht orientalisch,

So war's doch sittlich und moralisch.

Auch ohne Larem gibt's Verdruß
Genug für ihn am Bosporus.

Der Teufel möge da regieren.

Wo Volk und Leer samt Offizieren
Nicht sklavisch Order mehr parieren
Und opponieren, revoltieren.

Um neue Sitten einzufiihren.

Da heißt es; keine Zeit verlieren.

Den Staat von Grund aus reformieren,
Sonst hat ein Ende das Regieren.

Zweihundert Frauen war'n zuviel.

Für einen Mann kein Kinderspiel,

Und darum ohne Zweifel
Zagt' er sie auch zum Teufel.

Die Litten wurden pensioniert,

Die Jüngeren verauktioniert.

Und was vom Ramsch noch ist verblieben.
Ward registriert und eingeschrieben,

Das kann dann — wie bei uns — nach zehn
Am Goldnen Lorn spazieren gehn.

Rur eines hat man nicht bedacht;

Was man mit den Eunuchen macht.

Die sind jetzt drüben übel dran.

Sie sind nicht Weib und sind nicht Mann,
Und andrer Menschen „Sitten"

Sind ihnen abgeschnitten.

Vielleicht, daß sich bei uns zuland
Für sie ein fettes Pöstchen fand.

Für solche, die total entmannt,

Zst stets ein hohes Amt vakant;

Sie sind der Lerrscher rechte Land
Zm Sklaven- und Eunuchenland.

Alfred Scholy.

„Wir Wilden..."

Von Rudolf Franz.

„Hall!"

„Um Gotles willen, was haben Sie mich
erschreckt!"

„Schadet nichts."

„Was wolle» Sie? Bleiben Sie drüben.

Wenn Sie über den Bach kommen, schreie ich
um Hilfe."

„Nützt Ihnen gar nichts. Weit und breit
ist keine Menschenseele. Meinen Sie, ich wäre
so dumm, mir einen Platz auszuwählen, ivo
man mich in meinen Geschäften stören könnte?"

„. . . Geschäfte? Was wollen Sie?"

„Ich bin, lvas man so nennt, ein Wege
lagerer, ein friedlicher Rällber. Angst brauchen
Sie nicht zu haben. Sie sind zwar eine junge
und hübsche Dame, und wir sind allein in>
tiefen Wald . ■ . aber ich will nur Ihr Geld
haben."

„Das kriegen Sie nicht."

„Das wäre sehr dumm von Ihnen. Merk-
würdig, woher Sie die Kühnheit nehmen!
Jeder andere an meiner Stelle würde längst.. -
'Aber so seid ihr Frauen: je anständiger man
euch behandelt, desto schlechter behandelt ihr
uns. . ."

„Bleiben Sie drüben!"

„Ich denke gar nicht dran. Sehn Sie, da
bin ich schon in der Mitte. . . Nun steige ich
auf diesen Stein. . . Und nun bin ich da.
Ich sehe, Sie sind vernünftig und laufen nicht
fort. Nach zwanzig Schritten hätte ich Sie ja
doch eingeholt."

„Ich bleibe deshalb, weil ich hoffe, daß ich
es mit einem Ehrenmanne zu tun habe."

„Quatsch! Entschuldigen Sie, daß ich Ihnen
die Wahrheit sage . . aber Sie sehen ja, daß
ich schlecht gekleidet bin. Wenn man keinen
Kragen anhat, braucht man keine überflüssigen
Redensarten zu machen."

„Es gibt auch Ehrenmänner ohne Kragen."

„Sehr verbunden. Alles Mögliche, daß Sie
das zugeben. Nützt aber nichts: ich bin leider
kein Ehrenmann."

. „Was haben Sie davon, wenn Sie mir die
paar Mark abnehmen, die ich bei mir trage?
Ich gehe hin, zeige Sie an, der Wald wird ..."

„Zum Dank dafür, daß ich, in dessen Ge-
walt Sie sind, Ihnen nichts tue?! Sie sind
sicher 'ne höhere Tochter."

„Mein Vater ist Landgerichtspräsident. •

„Sehr angenehm. Freut mich ja riesig, daß
ich gerade die Tochter von so einem aus-
plündern kann."

„Wieso?"

„Ein Landgerichtspräsident hat mich ins
Zuchthaus gebracht."

„Sie werden's wohl verdient gehabt haben."

„Weiß ich nicht. Ich habe inimer nur Leuten

was gestohlen, die genug hatten ... zu viel
hatten."

„Und mir? Mir wollen Sie mein Geld
nehmen, ohne zu wissen, ob ich genug habe
oder gar zu viel!"

„Das seh' ich doch an Ihrer Kleidung. Die
Bluse da zum Beispiel. . . Und Sie machen
sogar noch ein Geschäft dabei; wenn Sie zurück-
kommen und erzählen, daß ich Sie ausge-
plündert habe. . ."

„Das werde ich nicht tun."

„Nicht? Das sagen Sie jetzt natürlich. Aber
nachher . . .! Dann werden Sie bedauert und
verhätschelt, und das Geld kriegen Sie doppelt
und dreifach wieder vom Papa. Wieviel haben
Sie denn bei sich?"

„Da, sehn Sie nach."

„Nein, ich habe dreckige Hän-de, die Tasche
wird schmutzig . . . sehr hübsche Tasche. Sie
können's ja selber rausnehnien und mir geben."

„Schön. Sagen Sie mir, wie hieß eigent-
lich der Landgerichtspräsident, der Sie ins
Zuchthaus gebracht hat?"

„Warum wollen Sie denn das wissen? Das
ist der einzige Mensch, den ich umbringe»
könnte."

„Glauben Sie denn nicht, daß er nach dem
Willen des Gesetzes so handeln muhte, wie er
es tat?"

„I wo! Er hat für die höchste zulässige
Strafe gesorgt. Nicht mal der Staatsanwalt
hatte soviel beantragt. Und der war doch
sonst auch ’n Schuft."

„Lag denn Ihr Fall so schwer?"

„Ich sagte ja schon . . . Diebstahl im Rück-
fall. Aber ich sollte einen exemplarischen Denk-
zettel bekommen. Die Gesellschaft sollte mög
lichst lange vor mir sicher sein."

„Und die Strafe haben Sie verbüßt?"

„Ja. Jetzt mach' ich die Gesellschaft wieder
unsicher."

„Ich kann das verstehen. Sie wollen sich
rächen. . ."

„Ich nehme ja nur von denen, die 's dazu
haben. Aber räche», wirklich rächen niöcht' ich
mich an dem Hund, der mich ins Zuchthaus
gebracht hat. Wenn Sie ihn sehn, bestelle»
Sie ihm das! Vielleicht kennen Sie ihn ja -
als Kollegen Ihres Vaters. Bernecke heißt er."

„Bern—?"

„Aha! Sie kennen ihn also?"

„Das ist mein Vater."

„Donnerwetter! Da hätte ich ja.
 
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