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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 25.1908

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https://doi.org/10.11588/diglit.6608#0379
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was man so nennt, einen guten Fang ge-
macht."

„Wieso?"

„Ihr Vater hat Sie natürlich sehr lieb?"

„Sehr. Ich bin das einzige Kind."

„Und wenn Ihnen etwas zustieße. .."

„. . . wäre er trostlos, ja. Sie wollen mich
Ihrer Rache opfern? Aber ich werde mich
wehren bis zum . . ."

„Unsinn! Romantisches Geschwätz. Ihr
Widerstand würde Ihnen gar nichts nütze».
Ich habe Riesenkräfte. Und Sie sind schlank
und zart. — Was meinen Sie wohl, wenn
Ihr Vater jetzt plötzlich käme und Sie . . .
befreite? Was würde er mit mir machen?"

„Er würde Sie ins Gefängnis werfen lassen."

„Wieder diese geschwollenen Ausdrücke!
Sie meinen, er würde mich wegen versuchten
Straßenraubs usw. anzeigen?"

„Ja, aber sicher."

„Na, und Sie? Was würden Sie tun?
Denn Sie wären ja dann die Belastungs-
zeugin, auf die alles ankäme."

„Ich? Ich würde.. ."

„Sie würden aussagen, daß ich Sie zwar
anständig behandelt, aber doch beraubt hätte."

„Dann kämen Sie ins Zuchthaus?"

„Und ob!"

- . Ich würde gar nichts sagen."

„Das geht nicht. Aussagen müssen Sie.
Als Tochter eines Juristen sollten Sie das
wissen und sich nicht von einem Zuchthäusler
belehren lassen."

„Ja, ich könnte doch aber nicht lügen. Gehn
Sie jetzt schnell! Es könnte wirklich sein, daß
mein Vater hierher. . ."

„Das würde ich ihm nicht raten. Übrigens:
eigentlich müßte ich mich sangen lassen. Bloß
um zu sehn, wie Sie aussagen ivürden. Dar-
auf ivär' ich neugierig. Sehr neugierig."

„Ja, wenn ich einen Meineid schwöre, komme
ich doch ins Zuchthaus."

„Richtig. So ganz unwissend sind Sie also
doch nicht. Aber nur, wenn ich die Wahrheit
sage, kommt Ihr Meineid heraus."

„Aber man wird mir eher glauben als
Ihnen."

„Meinen Sie? Stellen Sie sich mal die ver-
rückte Geschichte vor: ich beschuldige mich selbst
eines Raubes, und die Beraubte leugnet, be-
raubt worden zu sein. Wem ivird man da
ivohl Glauben schenken?"

„Ich glaube, man würde Sie schließlich ins
Irrenhaus sperren."

„Das ist allerdings sehr leicht möglich. Dann
haben Sie mich dahin gebracht. . ."

„. . . und Sie vor dem Zuchthaus bewahrt."

„Durch einen Meineid."

„Auf dem Zuchthaus steht . . ."

„Aber das ist ja Unsinn. Wenn ich mich
an Ihne» rächen ivill und die Wahrheit sage,
haben Sie ja keinen Grund mehr, zu lügen
und mich zu schonen. Sie sehen jedenfalls,
wie leicht man ins Zuchthaus kommen kann:
nicht weil man selbst ein Schuft ist, sondern
weil ein anderer es ist. Es iväre anständig
und edel von Ihnen, den Meineid zu schwöre».
Und wäre schuftig von mir, die Wahrheit zu
sagen. Gehn Sie jetzt. Erzählen Sie Ihrem
Vater die Sache. . ."

„O nein. Er würde auf Sie fahnden lassen."

„Ich verdufte nach einer andern Gegend.
Meinen Sie übrigens ivirklich, daß er die
Gendarmen auf mich Hetzen würde? Wenn
Sie ihm alles erzählen? Alles?"

„Ich iveiß nicht."

„Ich traue es ihm gern zu. Wahrscheinlich
ivürde er an meiner Stelle anders gehandelt
haben."

„Wieso glauben Sie das?"

Deutsche Creue.

„Unser Pech ist, daß der olle Krüger tot ist, sonst würden
wir jetzt sicher ein Sympathictclegrainm an ihn loslassen!"

„Gehn Sie jetzt, geh» Sie! Ich habe Sie
lange genug aufgehalten."

„Ich habe Zeit genug . . ."

„Rein, nein. Es könnte ja jemand kommen,
Ihr Vater könnte mich . . ."

„Das sagen Sie nur, damit ich gehn soll.
Ich gehe also. Aber geben Sie mir eine Adresse.
Ich will Ihnen . . ."

„Geld schicken, nicht wahr? Wird nicht an
genommen."

„Sie fürchten, ich ivollte Ihnen eine Falle
stellen?"

„Da merkt man ivieder die höhere Tochter!
Ich bleibe hier in der Gegend. Zu jedermanns
Verfügung..."

„Verzeihen Sie! Aber kann ich denn gar
nichts für Sie tun?"

„Ja, Sie möchten mir natürlich ivieder auf
den sogenannten rechten Weg helfen. Be-
daure. Dafür ist es zu spät."

„Wollen Sie nicht wenigstens den Inhalt
meiner Tasche mitnehmen? Es sind vierzehn
Mark und ein paar Groschen."

„Danke schön. Von Ihnen nehme ich natür
lich nichts."

„Aber warum nicht? Sie könnte» es doch
sicher gut brauchen."

„Freilich. Aber von dem Geld . . . Das
haben Sie doch von Ihrem Vater?"

„Nein, es ist von . . . von meiner Tante."

„Sie lügen ja. Wieder ein Meineid! Und
außerdem würde Ihr Vater Ihnen dafür
anderes geben. Also Schluß. Adieu."

„Adieu. Und vielen Dank."

„Nee, nee, keine Hand!"

„Weil Ihre schmutzig ist? Sehn Sie, da
mach' ich meine eben auch schnell schmutzig.
Wozu ist man denn im Wald?"

„Na also da! Aber waschen Sie sich die
Hand, ehe Sie nach Hause kommen. Ihr
Vater. . ."

„Leben Sie wohl."

„Au!"

„Ja, es ist vielleicht dumm ausgedrückt,
aber. . . Und vielen Dank!"

„Wofür?"

. . Ich iveiß nicht. Für alles."

„Bitte, bitte, meinerseits. Grüßen Sie Ihre»
Vater. . ."

„O nein!"

„Und gehen Sie nicht mehr in den einsame!
Wald!" '

„Wer weiß? — Adieu!"

„Adieu, Fräulein . . . Bernecke."
 
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