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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 26.1909

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https://doi.org/10.11588/diglit.6707#0006
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6074

Vas neue jahr. LT

Und leise legt vors Mondenlicht
Siel) weiher Nebelflor,

Da pocht in stummer Winternacht
€in junger Gaft ans Tor.

Ins Buge tief den Hut gedrückt.

Den Stecken in der Band-

„Sag’an, von wannen deine fahrt.
Du kommst aus fremdem Land?"

„Bus goldner ferne komm ich her,
Don immergrüner Flur;

Den weg, den ich geschritten bin.
Bezeichnet keine Spur.

Es stiebt der Schnee um meinen fuh.
Und flüchtig kehr’ ich ein, —

Doch pflückt’ ich Cure Roten gern
Und tränke euren wein!

„Bn eurem Herde gönnt mir Raft.
Des alten Brauchs gedenk,

Berg’ ich in meinem Ränzel euch
Manch liebes Gastgeschenk:

Der Träne blinkendes Gelchmeid,
Die Himmelsblüte Glück —

Und was Ihr mir dagegen gebt.
Ich nehm’ es gern zurück.

„Don euren Lippen nehm’ich mit
Den Kampfruf, hell und heih,

Bus eurer Hand das reite Werk,

Don eurer Stirn den Schweih;

Das 2ukunttslächeln, das Ihr lockt
In Bugen, rot und matt,...

Bus eurem Schuldbuch nehm’ ich mit
Das ausgeriff’ne Blatt!"

Und tonend durch die Winternacht
erklingt ein Glockenchor...

„So tritt herein, du fremder Gaft,
wir offnen dir das Tor,

Damit du untre Roten brichst
Und trinkst von unterm wein —
Und ob du Luft, ob Leiden bringst,
Du sollst willkommen fein!"

,Unbeirrt!'

Jetzt ward die neue Zeit geboren,

Lin junger Frühling brach heran —

So wähntet ihr, leichtgläub'ge Toren,
Und stimmtet Jubelpsalmen an.

C>b auch durch eure Jeitungsspalten
Die hoffnungsfrohe Phrase schwirrt —
Bei uns bleibt alles hübsch beim alten:
Unbeirrt!

Hier gibt's nur einen Herrn und Lenker,
Rur einen Imperator Rex,

Im Land der Dichter und der Denker
Ist Herrscherwille Summa Lex;

Lin Geist soll über allen walten,

Hier ist die Herde, dort der Hirt —

Bei uns bleibt alles hübsch beim alten:
Unbeirrt!

Glaubt nicht, ihr unterwürf'gen Knechte,
Daß jemals euch das Werk gelingt,

Daß Freiheit ihr und Menschenrechte
Durch Hundedemut euch erzwingt!

Die stolzen Worte, sie verhallten,

Die peitsche saust, die Kette klirrt —
Bei uns bleibt alles hübsch beim alten:
Unbeirrt!

Im alten Gleis, auf altem Pfade
Hintrabt die Herde, blind und taub —
Lin Lächeln allerhöchster Gnade
Wirft die Philister in den Staub;

Lin Wink scheucht ihre Unmutsfalten,
Lin Schmeichelwort hat sie gekirrt —
Bei uns bleibt alles hübsch beim alten:
Unbeirrt! z.s.

Begründeter Weltschmerz.

Serenissimus und Kindermann saßen am
Silvesterabend nachdenklich da. Mit dem
Glockenschlage zwölf sagte Kindermann: „Ge-
horsamstes Prosit Neujahr, Durchlaucht!"

Serenissimus erwiderte den frommen Wunsch
mit säuerlicher Miene und meinte nach einer
Weile: „Es hat keinen Zweck, Kindermann!
Jedes neue Jahr is 'n verkappter Sozial-
demokrat!!"

Instinkt oder Überlegung.

Die Rigaer Polizei bestellte sich aus Deutsch-
land mehrere erprobte Polizeihunde. Die
deutsche Polizei fühlte sich dadurch sehr geehrt
und sandte vor allem mit großem Vertrauen den
erfolgreichen Polizeihund „Schwapp" ab, der
eine kolossale Spürnase für Verbrecher hatte. —
Nach kaum fünf Tagen kam er als Eilgut zurück,
und brieflich hieß es: das Biest sei zu klug —
es habe den Gouverneur ins Bein gebissen!

Die Verfassungskommission.

Auf daß des Volkes Rechte sie
Erweit're und verstärke.

Ist die Versassungskommission
Seit längerer Zeit am Werke.

Schon hielt sie eine Sitzung ab
Im Zeitraum von sechs Wochen
Schon hat der Kreth sein erstes Wort
In ihrem Schoß gesprochen.

Nachdem sie diese Tat vollbracht.

Legt sie die Waffen nieder

And kehrt nach Neujahr — so Gott will —

Mit frischen Kräften wieder.

Also mit ernster Gründlichkeit
Wirkt sie zu Deutschlands Heile,

Ganz ohne jede wüste Hast
And impulsive Eile.

Man meidet streng und prinzipiell
Die sonst gewohnte Schnelle:

Am Liebesgaben geht's ja nicht
Noch um Getreidezölle.

Geldsack und Junker wünschen nichts
Von diesem Prachtkonzile:

Es stehen hier nur lumpige
Volksrechte auf dem Spiele. ;

Wenn sie ein Jahr und noch ein Jahr
Still hingewurstelt haben.

So ist vielleicht der ganze Mist
Vergessen und begraben.

Der Michel schleppt ein schönes Pack
Geduld in seinem Ranzen
And murrt auch diesmal nicht, wenn sie
Ihm auf der Rase tanzen.

Zeitgemäße Betrachtung.

A. : Ich glaube, die jüngsten Vorgänge im
Reich werden ein starkes Anwachsen der Sozial
demokratie zur Folge haben!

B. : Wieso?

A.: Na, es ist doch wirklich nicht verwunder-
lich, wenn man bei solchen Äußerungen „rot"
wird!

SiluefteroeüanKen.

Li, da erscheint schon wieder
Lin Jahr, das neu man nennt,

Bei dem man von dem alten
Den Unterschied nicht kennt.

Im neuen bleibt das Llend,

Das alte, in der Welt,

Und so brutal wie immer
Herrscht weiter noch das Geld.

Die Weisheit will nicht kommen,

Die Dummheit doch besteht
Und hat im neuen Jahre
Auch die Majorität.

Auch die Philisterseelen,

Die alten, bleiben da,

Der Lsel schreit wie immer
vergnügt dazu I—ah!

Roch immer bleibt als Gärtner
Im neuen Jahr der Bock,

Roch immer zieht der Freisinn
Am Junkerstrang im Block.

Roch immer muß manch Deutscher,

Des Fleiß ermattet nie,

Sich laben an Kartoffeln
Und an Zichorienbrüh'.

Ls blinkt die liebe Sonne
In ihrem goldnen Schein,

Doch bleibt so schwarz wie immer.

Die pfaffengaff am Rhein.

Und nachts die Sternlein schimmern
Herab wie stets so kalt -
D neues Jahr, wie bist du
So alt, so alt, so alt!

von; fiiif.
 
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