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009]

Das alrikanMe Paradies.

besehen durch den magischen öuckkasten, Patent vernbnrg.

1 j i M nobeiipätie. m

"} Kam' Christus heut' als Menschensohn
». Nochmal zur Erde nieder,
v\ » Betröge man ihn um sein Recht
®He seine armen Brüder!

®° taten sie's in Rixdorf jüngst,

Nls Weihnacht rückte näher.

Da kreuzigten den Herrn nochmal
Moderne Pharisäer.

M WWWDMM^ Dann gingen sie zur Kirche fromm
^ Und haben brav gebetet.

Sie blickten auf zürn Kruzifix
Und sind nicht inal errötet. . . .

Wer auf den Sozialismus pfeift, tut's nur, um sich das Gruseln
vor ihm zu vertreiben. . ,

Zwei Monden sind vergangen,
Seit Michel war so wild.

Er hat in jedem Wirtshaus
Nach einer Tat gebrüllt.

Er hat verdammt so grimmig
Den Zustand im Deutschen Reich,
Als wollt' aus dem Boden reißen
Er alle Bäume zugleich.

Doch jetzo schnarcht er wieder
In alter Lammsgeduld,

Es haben seine Freunde
Ihn wieder eingelullt.

Die Bourgeoisie hat den heutigen Staat nur gemietet. Das Volk
wird sich ihn noch mal kaufen!

Man spendet jetzt Futter den Vögelein
Und hungernden Menschen — Sprüchelein!

Die schärfste geistige Waffe im Kampfe mit der Sozialdemokratie
ist der Stumpfsinn. Jh, ge treuer Säge. Schreiner.

flffäre 6anter.

ein blaues Brieflein macht die Runde—ln jeder
beffern deutschen Stadt, — Das gibt von düftern
Taten Runde, — Oie Rdreffat verrichtet hat. —
Zroar deutet es nur leite an, — Und doch versteht
es jedermann. — Und es entfetzte schauderhaft —
Sich Rdelftand und Bürgerschaft; — Dem Militär
wie dem Zivil — Das herze in die Hofen fiel; —
ln pngften schlottert das Gebein, — Denn Kein
Gewissen war ganz rein. — Gar mancher Bieder-
mann erblich — Und sprach voll Herzensangst zu
sich: — was du im stillen hast gekündigt,— wird
jetzo aller weit nerKündigt, — €s naht das grohe
Strafgericht — Und alles Kommt ans Tageslicht.

Ls schlug das Brieflein wie ein Blitz — ln den
ostelb'lchen Ritterfitz; — Dem Rmtsrat sträubte
sich das haar, — Lr mah die Größe der Gefahr, —
Lr dachte an die Gattin lein — Und an den Sitt-
lichKeitsverein, — Rls dessen Zierde er erfd)ien. —
„Derdammtes Sündennest Berlin! — Dreimal
verfluchte Sommertour! — Indes — was meint der
SchurKe nur? — Ob’s Lmmy oder Grete war? —
Die Kleine Ruffin aus der Bar? — Dielleicht ist's
Daily auch gewesen? — Meint er den Rbend mit
Therelen? —Meint Lilly er, den Mtzen Schneck? —
Die Blonde aus dem Cafe Reck? — Meint er die
peinliche Märe — Dachmittags mit der dicken
Rläre? — Die Schweinerei im National? — Die

Laura aus dem Rmorfaal?-Die Gattin naht

— ich bin verloren! — O wäre niemals ich ge-
boren!!"

Derbeerend wirkt das Fittentat — Fluch auf den
Herrn Regierungsrat; — Lr denKt des Worts,
das vor drei Wochen — F»n runden Stammtisch
er gesprochen — Ls handelte von Majestät. — „O
Gott, o Gott, nun ist's zu spät! — Ganz sicher
glaubte Ich zu fein, — Und falle jetzt fo fcheuhlich

'rein! — Ls dröhn Derhaftung und verhöre-

Perdu und kutsch ist die Rarriere!"

Still grübelte der Superintendent, — wie man
die fünd’ge Welt wohl beffern Könnt, — Und wie
der rechte Glaube nur befreit— Des Menschen Sinn
von CafterbaftigKeit. — Rls frommen Herzens
dieses er bedacht, — hat ihm die Post den blauen
Brief gebracht. — O Gott, wie ist hochwürden
da erschrocken! — Die Lippe bleicht, des Lebens
Pulle stocken. — Und er gedenKt der pein-
lichen Geschichte, — wie nach dem Rcmkir-
mandenunterricbte — Lr im verschwiegnen SeKre-
tariat — Der Kleinen Meier menschlich näher trat

Dem BanKdireKtor wurde schwach, — Fils er
den blauen Brief erbrach; — Denn mit den De-
positen war—Bei ihm nidstalles rein und Klar,—
Und vor den wirren Rügen tanzen — Lin Schock
verschleierte Bilanzen. — Ls überläuft ihn heih
und Kalt, ^ Lr eilt zu feinem Rechtsanwalt, —
Und mit gelchornem Haupte lieht — Lr sich be-
reits in Moabit.

Rls der Baron den Brief gelesen, — Ist Ihm
verteufelt flau gewesen. — Mit einem StallKnecht,
sanft und lieblich, — hat, wie's in belfern Rreifen
üblich, — Lr dies und jenes vorgenommen, —
Dun ist die Lhole ’rausgeKommen. — Zwar hilft
ein stramm gefchworner Lid — Gar oft aus der
Verlegenheit, — Und das Dertraun zum Staats-
anwalt — verleiht der Seele eln’gen hast, —
Denn vor dem fldel des Geblüts — Beugt sich
die preußische luftiz. — Indes — jedoch - : man
Kann nicht willen, — Fühlt sich belämmert und

befch-Und geht auf jeden Fall darum —

Schon beut ins Sanatorium. i. s.

Lieber Jacob!

De Berliner Lust scheint sor de hohe Polletik
keen jinstijes Klima nich zu sind. Et jedeiht
hier uff dieses Jebiet nischt mehr, ooch wenn
de Mistbeete noch so ippig bejossen werden.
Det hat jetz ooch der Präsedent Castro von
Venezuela zu seinem Pech erfahren misse».

'ne janze Reihe Jahre waren ihn alle seine
polliteschen Unternehmungen jejlickt, un mit
alle eiropäischen Jroßmächte hatte er von
seinen siedamerikaneschen Raubstaat aus de
jlorreichsten Kämpfe jefiehrt — aber kaum drei
Dage weilte er an'n jrienen Strand der Spree,
als se ihm zu Hause ooch schon sor entbehr-
lich erachtet un abjesägt hatten!

Uff diese Weise is die in Berlin anwesende
jroße Zahl von Arbeetslosen noch um eenen
venezuelischenExpräsedenten vermehrt worden,
lln ooch uff andern hochjelejenen Jebieten soll
der alljemeene wirtschaftliche Niederjang seine
Opfer jefordert haben. Mehrere preißesche
Minister un deitsche Staatssekretäre erwarten
täglich ihre Kindijung, un wejen Einschränkung
des Betriebes missen demnächst sojar einije
kaiserliche Filialen am Rhein un anderswo
einjezogen un verkooft werden.

Unter de jejenwärtije jeschäftliche Notlage
haben also, wie et scheint, alle Berufsklassen
zu leiden. Bloß de Pollezei nich. Die weeß
immer jleich 'n Ausweg aus de Bedrängnis.
Wenn mit de öffentliche Sicherheit nischt zu
verdienen is, denn versucht man't ebent mit
de jeheime Unsicherheit. Ick denke dabei an
dem beriehmten Schutzmann Buchholz, der zu-
erst in de hiesije Haupt- un Resedenzstadt als
Stitze der birjerlichen Jesellschaftsordnung mit
scheenen Erfolg tätig jewesen war un denn
zu det Räuberjewerbe ieberjing, wo er wejen
seine jroßen Erfahrungen un Talente sehr bald
zum Hauptmann befördert wurde. Kurz vor
Weihnachten hat er nu leider wejen einije be-
rufliche Unvorsichtigkeiten dem Dienst quit-
tieren missen un verzehrt oogenblicklich seine
Pension hinter Schloß un Riejel. Ob er sich
jetz „Schutzmann a. D." oder „Räuberhaupt-
mann a. D." nennt, weeß ick nich.

Womit ick verbleibe mit ville Jrieße Dein
jetreier Jotthilf Rauke,

an'n Jörlitzer Bahnhof, jleich links-
 
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