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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 26.1909

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https://doi.org/10.11588/diglit.6707#0039
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6107 —

wie'F trifft:

„Na, Fritze, ivillsle mit in de Lotterte spielen?"

„Nee, ick spiel' schon. Bei't Amts- und Landjericht Hab' ick woll verspielt, aber vielleicht jcwinn ick
bei't Neichsjericht."

Während der dienstfreien Nachmittags- und
Abendstunden ging es an diesem Tage in der
Kompagnie, der anzugehören Josef Amberger
das Glück hatte, geheimnisvoll zu. Besonders
die älteren Mannschaften hatten es wichtig.
Sie steckten tuschelnd die Köpfe zusammen und
zeigten auf einmal ein sehr reges Interesse für
Dinge, die ihnen sonst gleichgültig waren. Der
eine trug, in seinen Rock verborgen, einen ab-
gebrochenen Besenstiel in sein Zimmer und
verbarg ihn liebevoll im Bett, der andere
interessierte sich plötzlich für das Gewicht deS
Schürhakens und prüfte es aufmerksam mit
der Hand, ein dritter schnitt sich in den An-
lagen des Turnplatzes heimlich einen daumen-
dicken Haselnußstock ab, ein vierter brachte
abends ans der Stadt ein Stück Tan mit, das
er eifrig mit zwei festen Knoten versah. Am
geschäftigsten war der Hinterhuber Georg, in
der Heimat der Schlagringschorschl genannt,
weil er immer einen Schlagring mit sich führte
und von ihm auch fleißig Gebrauch inachte.
Seine militärische Dienstzeit hatte ihn schon
längere Zeit des Vergnügens beraubt, einen
Mitmenschen zu „scheiteln". Die Sehnsucht
»ach diesem im südlichen Bayern sehr beliebten
Geschäft, das darin besteht, daß man einem
andern Menschen Holzscheite an den Kopf wirst
oder sie ihm auf den Kopf schlägt, veranlaßte
ihn, in dem Wirtshaus, in dem er verkehrte,
ein handfestes Scheit Buchenholz — Buchen-
holz ist härter als Fichtenholz und daher zum
Scheiteln besser geeignet als dieses — ohne
eingeholte Erlaubnis zu entleihen.

Ilm neun Uhr abends legte sich der In-
fanterist Josef Amberger ins Bett. Trotz seiner
Dummheit war ihm nicht geheuer. Er hatte
Angst, die sich, als der Stubenälteste um halb-
zehn Uhr die Lampe löschte, noch steigerte.
Aber in der Dunkelheit schlief er dennoch ein,
recht fest sogar, wie ein müder Mensch es tut.

Da erwachte er plötzlich, weil ihm jemand
die Decke über den Kopf zog. Und dann sausten
die Hiebe hageldicht auf ihn nieder. Er wollte
schreien und sich wehren, aber alles war ver-
gebens. Starke Hände hielten ihn fest und unter
der Decke verhallte jeder Laut. Und nun erhielt
er einen furchtbaren Schlag auf den Schädel,
dann noch einen und noch einen und dann fühlte
und hörte er nichts mehr. Der Schlagring-
schorschl hatte kräftig seines Amtes gewaltet. —

Um halb sechs Uhr morgens standen die
Mannschaften auf, nur einer blieb liegen: der
Amberger. Er hatte die Decke noch über den
Kopf gezogen. Der Unteroffizier trat an das
Bett und brüllte: „Amberger, fauler Hund,
hast Du noch nicht ausgeschlafen?" Ein Puff
unterstützte die freundliche Rede, aber der
'Amberger rührte sich nicht. Nun zog der Unter-
offizier die Decke weg. Herrgott, ivas war das?
Das mar ja das Gesicht eines Toten!

Spornstreichs lief der Unteroffizier davon
und meldete den» Feldwebel, daß der Amberger
heute Nacht gestorben sei. Die Kompagniemutter
wurde um eine Nuance blässer und antwortete:
„Reden Sie kein Blech!" Aber es ivar halt
doch so: der Amberger blieb tot, mausetot.

Um sechs Uhr klopfte der Bursche des Häupt-
lings mit seinem solid konstruierten Zeige-
finger aus Leibeskräften an die Türe des ehe-
lichen Schlafgemaches seines Gebieters.

„Was ist denn los?" rief der so unsanft aus
Morpheus' Armen Gerissene.

„Herr Hauptmann," schallte es zurück, „den
Amberger hat man tot im Bett g'funden."

Mit einem leisen „Himmelsakrament!" sprang
der Häuptling aus dem Bett. „Ich komme
gleich," rief er.

Als er in der Kaserne ankam, stand schon
ein Stabsarzt am Bett des Amberger. Er

erwiderte den Gruß des Hanptnianns kurz
und sagte dann: „Der Mann ist in der Nacht
schwer mißhandelt und dabei erschlagen wor-
den. Sehen Sie selbst," fuhr er, die Leiche
entblößend, fort. „Hier diese gräßlichen blut-
unterlaufenen Flecke, und da am Kopf diese
weiche blutige Stelle. Man hat ihm einfach
ivie einem Vieh den Schädel eingeschlagen."

Der Häuptling war sehr blaß geworden.
„Ich begreife nicht," cntgegnete er, „wie das
kommt. Ich bin ein abgesagter Feind jeder
Mißhandlung. Immer wieder habe ich die
Unteroffiziere ermahnt, keinen Mann anznrüh-
ren, die älteren Mannschaften habe ich strenge
verwarnt, jüngere Kameraden zu quälen."

Jetzt erschienen auch noch der Major und
der Regimentskomniandeur auf der Bildfläche.
Alle beide machten ein böses Gesicht. „Das
wird wieder ein Fressen für die Sozialdemo-
kraten" dachten sie bekümmert bei sich.

Der Stabsarzt machte dem Oberst Meldung,
dann erklärte er die Verletzungen am Körper
des Toten. Der Oberst schüttelte den Kopf, der
Major tat es auch und der Häuptling hielt
es für geraten, es ebenso zu machen.

Nachdem der Stabsarzt geendet hatte, wandte
der Oberst sich dem Hauptmann zu: „Bitte,
Herr Hauptmann," sprach er in gereiztem Ton,
„wie kann so etwas passieren?"

DerHäuptling leierte von neuem das Sprüch-
lein herunter, das er schon dein Stabsarzt ser-
viert halte, ermeldctedemOberst, daßderllnter-
offizier, der in der Stube schlafe, zufällig um
Nachturlaub gebeten habe. Es hätte kein Grund
Vorgelegen, ihm die Bitte abznschlagen. I»
seiner Abwesenheit sei das Unglück geschehen.

Als der Oberst und der Major sich entfernt
hatten, ließ der Häuptling die ganze.Kom-
pagnie im Kasernenhof antreten und hielt mit
weithin schallender Stimme - es war immer
gut, wenn möglichst viele Leute seine Entrüstung
sahen und hörten — folgende Rede:

„Ihr seid doch eine verrohte Schweinebande!
Habe ich euch nicht oft gesagt, das; bei mir
keiner mißhandelt werden darf? Und trotzdem
fallen diese elenden Halunke» in der Nacht
feig über einen schlafenden Kameraden her
und schlagen ihn so unbarmherzig, daß er stirbt.
Aber ich werde euch eure Gemeinheit aus-
treiben! Feldivebel! Sechs Wochen bekommt
keiner mehr eine Erlaubnis, das Detailexer-
zieren wird sechs Wochen lang nur mehr in

feldmarschmäßiger Ausrüstung abgehalten, bis
auf weiteres jeden Sonntag um zwei llhr,
fünf Uhr und sieben Uhr Appell!"

Dann ging er nach Hause und verfaßte
einen langen Bericht a» das Bataillon, in
dem er nochmals seinen Haß gegen jede Miß-
handlung beteuerte und versicherte, daß er den
von Natur aus nicht glücklich veranlagten
Josef Amberger immer mit Nachsicht behan-
delt habe. Er glaube überhaupt, daß die nächt-
liche Mißhandlung des Verstorbenen nicht
mit dienstlichen Angelegenheiten, sondern mit
Privatstreitigkeiten zu tun habe. Dann unter-
schrieb er fein säuberlich: „Fleischer, Haupt-
mann und Kompagniechef."

l)ek Lockvogel.

€in Zwiegcsang.

vernburg:

Kennst du im sonnigen Siidwest das Rekb?

Ulan sagt, es sei dem Paradiese gleich;
ßoldklare Bäche rieseln durch die leider.

.Hus Dattelkisten spriessen Palmenwälder,

Die reichsten Herden weiden auf der Jlur,
ln ew'gem Illaienglanz lacht die llatur,
jagdbare liiere gibt's im Übermasse
Und Diamanten liegen auf der Strasse:

Du hebst sie müh los auf, und ungefähr
In zwei, drei Wochen bist du Millionär.

£s ist das Land, ich sag’ es keck und dreist.

In welchem Milch und Honig fleussl.

Komm, guter Michel, reiche mir die Hand
Und folge mir in dieses Wunderland!

Der Michel:

Ich kenn'dein Reich in Siidweslafrika:

Uor kurzem war ich, lieber Dcrnburg, da;

Doch ich gesteh', dass von den Wundern allen,
Die du erwähnst, mir keines aufgefallen.
Vergebens späht in Sonn- und lllondenschein
Dach Diamanten ich und Dattelhain.

Dur Uslar fand ich, welcher schwitzt' und fluchte
Und mit der Wünschelrute Wasser suchte,

Und von den Herden einen magern Rest,

Die andern starben an der Rinderpest,

Und einen Jarmer, der in deinem Paradies
ln kurzer Zeit den letzten Groschen Hess;

£r räumte gern die gnadenreiche Stätte,

Doch fehlt das Geld ihm zum Retourbillette.
Drum reis'allein, meinSreuud, ich bleib'daheim
Und kriech', weiss 0ott, nie wieder auf den Leim!

3-S.
 
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