Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 26.1909

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.6707#0042
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Gl 10

Am Leidehaus.

Die Flocken hören ans zu fallen.

Still liegt die Leide und verschneit.

Nun schlägt der Frost die scharfen Krallen
Dem Land ins weiße Winterkleid.

Ein Lauschen lehnt am Rand der Leide,
Durch's Fenster glimmt der Lampenschein;
And drinnen harren voller Freude
Sein Weib, sein Sohn. And fragen beide:
Wann wird der Vater bei uns sein?

Des Alltags nimmermüde Sorgen,

Die peitschen ihn lagein, tagaus
An jedem neuerwachten Morgen
Zur Arbeit aus dem Leidehaus.

Die Axt geschultert zieht voll Lachen
And Lust er in den Wald hinein:

Die Äste splittern, Stämme krachen. . .

And wenn die Sterne blank erwache»,

Wird Vater wieder bei euch sein!

Nach seinem Vater frägt der Bube
Die Mutter, die ihn herzt und drückt.

Ein Jubel zwitschert durch die Stube,

Vier Auge» leuchten hell, beglückt!

Denn all ihr Fühle», all ihr Denken
Gilt ihm, dem sie die Lerzen weihn.

Dem sie sich ganz in Liebe schenken!
DerKleine jauchzt beim Drehn und Schwenken:
Bald wird der Vater bei uns sei»!

Der lange Zeiger macht die Runde
Am Zifferblatt der Kuckucksuhr
And Stunde sickert hin um Stunde....

Was mag nur sein? Wo bleibt er nur?

And stiller wird's im Stübchen immer.

Das Lachen und das Fröhlichsein
Erstirbt. Das fahle Schneegeflimmer
Gleißt kalt im warmen Lampenschinuner . ..
Wo mag nur unser Vater sein?

Ein Knirschen wie von schweren Tritten,
Kommt durch die stille Winternacht.

Knirscht näher, kommt zum Laus geschritten,
Wo Angst und Liebe bangend wacht.

Ein Stapfen, Poltern vor der Pforte.

Ein Räuspern voll Verlegensein,

Gedämpfter Stimmen Mollakkorde. . .

And zwischendurch des Buben Worte:

„Ach Mutti, wird das Vater sein?"

Zur Mutter drängt sich dicht der Kleine.

Die sitzt wie tot. Ihr Lerz schlägt wild.

Die Tür geht auf. Im Lampenscheine
Des Stübchens starrt ein grausig Bild:

Als Toten bringen sie getragen.

Der morgens ging im Frührotschein,

Ei» morscher Baum hat ihn erschlagen. . . .
Erschreckte Kinderaugen fragen:

Soll das . . . soll das der Vater sein?

Sie haben stumm, g'senkten Blickes,

Den Toten auf das Bett gelegt.

Sie fühlen es, daß hier des Glückes
Goldglöcklein niemals wieder schlägt.

Sie schleichen einer nach dem andern
Schwerfällig in die Nacht hinein. — —

Vom Toten zu der Mutter lvandern
Des Kindes Augen . .. fragen. . . wandern:
Wird Vater nie mehr bei uns sein?

Nun kommen ihr die Tränen. Müde
Wankt sic, zum Toten. Wildes Weh
Weint schluchzend. . . . And der Winterfriede
Lüllt rings die Welt in weißen Schnee.

Es spinnt der Frost des Eises Seide,

Gelb glimmt der matte Lampenschein
Durch's Fenster, wo am Rand der Leide
Ein Lauschen steht, bewacht vom Leide.

Ein Weinen schluchzt am Totenschrein. . . .

___ Ludwig Lessen.

Der Marine-Enthusiast.

„Das iväre ja noch verrückter,' wenn >vir
mit dem englischen Schiffsbau nicht mitkommen
sollten. Wir haben doch die größte „Rederei"
der Welt!" _...__

Der ölocftreüner.

„Tiefe unleidigeu Zustände müssen ei» Ende nehmen,
ei» gereiftes Volk verlangt stürmisch Würdigung seiner
Selbständigkeit, und in diesem Sinne fordere ich Sie
auf, meine Herren, mit mir einzustimmen — unser er-
lauchter Kaiser und König, hurra — hurra — hurra!!

Ostelbische Schulpaläste.

„Heute is frei!"

„Warum denn, Jungens?"

„Der neue Lehrer is im Schulgebäude see-
krank geworden!!"

Von der Justiz.

„Es erben sich Gesetz und Rechte wie eine
ew'ge Krankheit fort." — Heutzutage isl's
aber schon mehr'ne Epidemie.

Die Beleidigungsparagraphen sollen erwei-
tert werden. Bravo! Dann wird man wohl
endlich auch die Justiz belangen können, wenn
sie der Gerechtigkeit ins Gesicht schlägt.

Die Staatsanwaltschaft ist die objektivste
Behörde: sie läßt es regnen über Gerechte
und Ungerechte. .

Es gibt noch Richter in Berlin — aber zum
Glück auch tüchtige Rechtsanwälte!

„Wenn du zum Weibe gehst, nimm die
Peitsche mit." — Wenn du zur Justiz gehst,
nimm dir lieber ordentlich Frühstück mit.

Die Justiz ist blind gegen die Person und
taub gegen Beeinflussung. Und gewisse Leute
kann sie — nicht riechen.

Es gibt vierundzwanzig juristische Heilige,
nämlich die vierundzwanzig Buchstaben des
Alphabets. ,

Justitia fundamentum regnorum! Die Justiz
ist das Fundament der Staaten. — Wer sich
mit ihr einläßt, kommt folgerichtig, „in den
Keller"!

Es war mal ein gelehrter Richter — der
wollte den gesunden Menschenverstand lol-
schlagen.

„Womit?" fragte ein Kollege.

„Na, mit Hilfe der deutschen Sprache!!"

„Das geht leider nicht!"

„Wieso?"

„Weil Sie die deulsche Sprache auch schon

umgebrncht haben!"
 
Annotationen