Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 26.1909

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.6707#0150
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
6218

SL Der neue Belsazar. LT

Das Morgenrot den Himmel säumt.

Im Vildiz noch der Sultan träumt»

Er blickt aus eine weiße Wand,

Dort kommt's hervor wie Menschenhand,

Schreibt hin die Worte unverweilt:
„Gezählt! Bestimmt! Gewogen! Geteilt!" — —

Ihm wird mit einem Mal so heiß.

Die Stirn bedeckt ein kalter Schweiß.

Er fährt empor: „Verdammter Traum!
Jedoch ich weiß, du bist nur Schaum!"

„Von Belsazar die alte Mär —

Als ob die heut' noch Wahrheit wär'!

„So rüttelt nur am alten Joch,

Der alte Sultan bleib'ich doch!

„Was Volksrecht! Was Konstitution!
Roch sitz' ich fest auf meinem Thron!

„And die Empörer trifft zumal

Noch heute blut'ger Rache Strahl!"-

Horch, draußen ein Trompetenstoß!

Da bricht's wie ein Getümmel los

And des Geschützes Donnerkrach
Nuft all die Hof-Eunuchen wach.

Sie rennen kopflos fort und schrei'n.

Bald sieht der Sultan sich allein

And der Befreier Schar, sie bricht
Zum Tor. herein im Morgenlicht-

So bleibt in ew'gen Zeiten wahr.

Die alte Mär von Belsazar! «-«•

Der „heulende Schloßhund".

Deutsches Volk, bezwinge deine Rüh-
rung;

Denn nun wird uns alles offenbar:

Bülow war ein Opfer der Ver-
führung

Böser Leute, da er untreu war.

Statt des Äerrschers Majestät zu
decken.

Als ein jeder Pfeile auf sie schoß.

Duckte er sich schüchtern in die Ecken,

Bis der große Zorn im Sand verfloß.

Kann ein so bescheidenes Gebaren
Eines Dieners wohl den Lerrn erfreu'»?
Nein! Drum wuchsen seinem Amt Gefahren,
Sein Verlust — o Gott! — schien uns zu dräu'n.

Doch der Kelch, er ging an uns vorüber:
Bernhards Grübchen lächeln wieder froh;
Längst vergessen ist der Nasenstüber,

And aufatmend fragen wir: Wieso?

Seht! Er warf sich seinem Äerrn zu Füßen,
And das treue Auge hat gebebt.

Ließ die Zähren auf den Sessel fließen.

Daß — der Podex um so fester klebt. Ep.

Phili, der Harfner.

Eine Geschichte in Zeitungsnachrichten.

Im Jahre 1909.

Berlin, 12. Mai: Der Termin für den Mein-
eidsprozeß gegen den Fürsten Eulenburg ist
nunmehr auf den 10. Juni festgesetzt.

Liebenberg, 7. Juni: Das Befinden des
Fürsten Eulenburg hat sich sehr verschlimmert.
Die Arterienverkalkung macht rapide Fort-
schritte. Der Fürst kann keine Bewegung ohne
fremde Hilfe machen. Manchmal ist das Be-
wußtsein des Kranken getrübt. Das Ende
dürfte in kurzer Zeit bevorstehen.

Berlin, 9. Juni: Der Eulenburgprozeß ist
auf den 20. September vertagt worden.

Liebenberg, 12. Juni: Fürst Eulenburg
befindet sich ziemlich wohl. Er hat seine
Spaziergänge wieder aufgenomnien, liest täg-
lich mehrere Zeitungen und musiziert mit den
Gästen, die sich im Schloß befinden.

Liebenberg, 18. September: Die Um-
gebung des Fürsten Eulenburg ist in schwerer
Sorge. Die Tage des Fürsten scheinen gezählt
zu sein. Zur Arterienverkalkung ist eine Venen-
entzündung hinzugetreten. Die Nieren haben
ihre Tätigkeit eingestellt. Die Auslösung wird
voraussichtlich in wenigen Tagen erfolgen.

Berlin, 19. September: Der Eulenburg-
prozeß ist auf den 30. November vertagt
worden.

Liebenberg, 21. September: Fürst Eulen-
burg ist gestern seit langer Zeit wieder ein-
mal zu Pferde gestiegen und hat in flottem
Trab einen längeren Spazierritt unternommen.
Nachdem er eine Erfrischung eingenommen
hatte, spielte er mehrere Stunden Skat, wobei
er seine Partner durch seinen Witz und seine
Liebenswürdigkeit entzückte. Morgen findet
ein großes Treibjagen statt, an dem der Fürst
sich ebenfalls beteiligen wird.

Liebenberg, 28.November: Beim Fürsten
Eulenburg scheint die Katastrophe zu nahen.
Er leidet seit einer Woche an hochgradiger
Wassersucht. Der Puls ist kaum mehr zu fühlen.
Die Herztätigkeit sehr schwach. Die Arzte, die
ihm gestern zwanzig Liter Wasser abzapften,
befürchten jeden Augenblick eine Herzlähmung.

Berlin, 29. November: Der Eulenburg-
prozeß ist auf den 15. April nächsten Jahres
vertagt worden.

Liebenberg, 2. Dezember: Fürst Eulen-
burg rodelt täglich auf der ausgezeichneten
Rodelbahn, die er sich ganz nach bayerischem
Muster hat Herstellen lassen. Trotz seines vor-
geschrittenen Alters will er das Schlittschuh-
laufen wieder probieren.

Im Jahre 1910»

Siehe das Jahr 1909.

Im Jahre 1911.

Siehe das Jahr 1910.

Im Jahre 1912.

Siehe das Jahr 1911.

Im Jahre 1913.

Starnberg, 13. Februar: Der aus dein
Eulenburgprozeß bekannte Fischermeister Ernst
ist hier gestorben. Im übrigen siehe das Jahr
1912.

Im Jahre 1914.

München, 16. Januar: Der aus dem
Eulenburgprozeß bekannte Milchhändler Riedl
ist hier verschieden. Im übrigen siehe das
Jahr 1918.

Im Jahre 1915.

Berlin, 9. April: Maximilian Harden ist
plötzlich gestorben.

Liebenberg, 12. April: Gestern wurde hier
eine große Fuchsjagd abgehalten, an der viele
Adelige der Umgegend teilnahmen. Fürst Eulen-
burg ritt selbst mit. Die Schneid, mit der der
alte Herr seine englische Vollblutstute lenkte,
erregte allgemeine Bewunderung. Wie ein
junger Husarenleutnant nahm er alle Hinder-
nisse und war stets einer der Vordersten.

Liebenberg, 12. Juli 1947: Dahier ist
heute in einem Alter von mehr als hundert
Jahren Fürst Eulenburg an Altersschwäche
sanft verschieden. Unter Wilhelm II., dem
Vater des jetzigen Kaisers, wurde sein Name
längere Zeit viel genannt. Möge ihm die
Erde leicht sein! N. K.
 
Annotationen