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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 26.1909

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https://doi.org/10.11588/diglit.6707#0270
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G338

Die Breslauer Zentrumsparade.

willkommen, schwarze Bottesstreiter!
leb $eb’ euch stets von neuem gern.

Und euer Anblick stimmt mich beiter,
Ibrfrommenundbocbwürd’genRerrn!

Ibr spielt das lustigste Cbeater,

Dran jeder frechen Anteil nimmt:

Bold lächelt selbst der beil’ge Uater,

Der meistenteils sonst mies gestimmt.

Zwei Dinge aber gibt’s bienieden,

Die eure Rerzen nicht erfreun:

Das sind zunächst mal die perfiden
Krakeeler in den eignen Reibn;

Dann aber, ach, die bösen Roten,

Die liegen stets im Hinterhalt,

Und sehn euch auf die schmutz’gen Pfoten
Und bau’n aufs Maul euch, dass es knallt.

Ihr habt die Zügel, habt die Führung
Und schwingt die Peitsche mit Rumor
Der hochwohlweisen Reichsregierung,
wenn sie zu mucksen wagt, ums Ohr.
Dein Michel schindet ihr die Pelle,

Der Kanzler aber, der missfällt,
wird, einszwei drei,mit windesschnelle
Blatt abgesägt und kaltgestellt.

Drum wünsch’ ich, dass des Rimmels Bnade
Ralf schirmend über euch die Rand,
wenn ihr zur lustigen Parade
Uersammelt euch am Oderstrand,

Auf dass es in des Streites Ritze
Dicht komm’ zu einer Keilerei,

Und vor den Roten euch beschütze

Der Herrgott und die Polizei. a.s.

Uiel starke Beiden lasst ihr schauen;
Sie trafen frohen Herzens ein
Aus Posens fuselschwangern Bauen,
Uom Bayerlande und vom Rhein.
CUohl aus dem ganzen Deutschen Reiche
Uersammelt sich die Beistlicbkeit -
Die sah Europa so viel Bäuche
Und so viel Bottergebenheit.

Alfons’ Klagegefang-

Daß sich ein Mensch so kann blamieren,
Das glaubt' ich selber nicht bis Heut —
Als Landesvaterzu amtieren,

Ist wahrlich keine Kleinigkeit.

Ins Zeld rief ich die Streiterheere,

In Kampf und Tod entsandt' ich sie
Zur meines Hauses Ruhm und Lhre
Und den Profit der Industrie.

Doch leider irrt' in den Kalkülen
Ich schmachvoll mich und radikal:

Im Süden siegen die Kabylen,

Im Norden streikt man general.

Der Revoluzzer wilde Meute
Den Untertan ;um Aufruhr treibt
Und zweifelhaft ist es noch heute,

Gb Kopf und Krone mir verbleibt.

Das Schicksal trifft mich hart und herbe!
Der Teufel hole Lhr' und Ruhm
Und Spaniens Handel und Gewerbe
Mitsamt dem Gottesgnadentum! J.S.

v. Arnim-Schnodderheim

an v. Below-Pleitenburg.

Mein Allerwertester! Angenehme politische
Sommerferien diesesJahr! UndankbarerPöbel
versucht, ans eigene Faust unerlaubte Welt-
geschichte zu machen. Generalstreik in Schwe-
den, Revolution in Spanien! Allerliebste Zu-
stände! Bei uns in Ostelbien dagegen Gott
Lob und Dank Noch alles bei alter Zucht
und Ordnung, trotz infamer Wühlereien von
schlechter Presse und gewissenlosen Aufhetzern.
Einzelne Lichtpunkte, wie Geschichte des vor-
trefflichen Pastors Breithaupt in Mielezyn, so-
gar fast geeignet, über traurige Ereignisse der
Gegenwart hinwegzutrösten. Wahre Freude
für jeden, der preußisches Junkerherz auf
rechtem Fleck hat. In unserem geistlichen
Stande lebt noch, wie man sieht, tatkräftiges
Christentum und evangelischer Streiternmt.
Wäre himmelschreiender Skandal, wenn roten
Banditen gelingen sollte, handfesten Gottes-
mann und Jngenderzieher abzuhalftern. Bin
fest entschlossen, falls Breithaupt Amt in Posen
verliert, ihm geeignete Brotstelle auf Schnodder-
Heim anzubieten. Kann Sonntagsandachten in

Schloß abhalten und, damit liebgewordene
körperliche Übungen nicht entbehrt, Abdeckerei-
arbeiten auf Hof besorgen. Alter Schwein-
igel, der dazu bis jetzt verwendet wurde, ist
mir vorige Woche an Lungenentzündung ab-
gekratzt. Ware passender und angenehmer
Posten für Mielezyner Pastor, der nebenbei
auf Grund seiner wissenschaftlichen theolo-
gischen Ausbildung auch gleich Besprechen
von krankem Leutevieh besorgen könnte, was
gerne gut bezahle, da dadurch lästige Aus-
gaben für Tierarzt und Medizin erspart wer-
den. Will, sobald höre, daß löblichen An-
strengungen von Berliner Stadtverwaltung
nicht gelingt, Mielezyner Fürsorgevater in
Amt und Würden zu erhalten, an ihn schreiben
und bedauernswertem Märtyrer Zufluchts-
stätte offerieren.

Im übrigen stehe natürlich durchaus auf
Ihrem Standpunkt. Begreife sogenannten
Zeitgeist absolut nicht mehr. Moderne Nör-
gelei an gutkonservativer Steuer- und Wirt-
schaftspolitik unsagbar lächerlich. Was soll
blödsinnige Unbotmäßigkeit gegen erprobten
Führer v. Heydebrand? Wollen konservative
Mistbauern, Schuster- und Schneidermeister
etwa anfangen, plötzlich eigene Meinung zu
haben? Wäre ja noch schöner! Bande sollte
doch vollauf zufrieden sein, daß Ehre genießt,
mit Edelsten der Nation zur selben Partei zu
gehören! Preußischer Junker ist mit bockbeini-
gem deutschen Michel noch immer fertig ge-
worden. Wenn Pöbel lange über Bier- und
Tobakverteuerung räsoniert, wollen ihm mal
Bierkrug und Tobakbeutel so hoch hängen,
daß froh sein soll, zu Kaisers Geburtstag
Schluck trinken und Prise schnupfen zu können.
Schwarzer Block wird lausigem Plebejerpack
noch Nuß zu knacken geben! Unerhört, daß
Proleten, die von Gnade und Groschen der
werteschaffenden Stände leben, noch zu mucksen
wagen wollen!

Mit Ernteaussichten bin — unberufen —
recht zufrieden. Gottes Segen ruht sichtlich
auf redlicher Arbeit des deutschen Landmanns.
Hafer total verhagelt, hat schöne Versiche-
rungssumme gebracht. Außerdem umfang-
reiche Herbstmanöver in Aussicht, ivo von
Flurschädenersatz das Beste zu hoffen.

Inzwischen Gott befohlen! Ihr Arnim.

Noch eine schlimme Folge der Zarenreise.

Millionen von Fischleichen sollen an der
englischen Küste beobachtet worden sein. Die
Erscheinung erklärt sich folgendermaßen.

Als das Zarenschiff der englischen Küste
seinen Besuch abstattete, erschien plötzlich ein
Luftballon und schwebte über das Schiff hin.
Die Kinder des Zaren, die so etwas noch nie
gesehen hatten, freuten sich sehr. Der Zar aber
freute sich gar nicht. Ein Attentat — Bomben
von oben herunter — das war sein erster und
einziger Gedanke! Schreckensbleich stand er da,
während das Luftschiff über seinem schuld-
beladenen Haupt dahinflog. Dann suchte er
sofort einen gewissen, ganz diskreten Ort auf.
— Daher das große Fischsterben. . . .

Die Sache hat auch noch eine wissenschaft-
lich interessante Seite. Daß die durch Angst
hervorgebrachten Ausscheidungen giftig sind,
war bekannt. Über den Grad der Giftigkeit
wußte man noch nichts. Es scheint nun, datz
die Starke des Giftes in direktem Verhältnis
zu der Größe der Angst steht. Was muß der
arme Mann in den kritischen Minuten aus-
gestanden haben!

Die streitbare Kirche.

„O, daß ich tausend Zungen hätte und einen
tausendfachen Mund!" deklamierte der fromme
spanische Klerus, als er das Evangelium der
Liebe durch Kanonen verkündigen ließ.

Die Jesuiten von Barcelona gebrauchten ihre
Gewehre mit christlichem Anstand: während
die einen feuerten, lagen die andern auf den
Knien und beteten, daß niemand durch die
Kugeln Schaden leiden möchte.

Gar viel verdankt die Kirche den gelehrten
Mönchen des Mittelalters. Aber keiner von
ihnen hat ihr doch einen so nützlichen Dienst
erwiesen, wie jener Berthold Schwarz, der
das Pulver erfand. ,

Pfaffe und Leutnant Arm in Arm ist ein
rührendes Bild; nur darf sich dabei der Rosen-
kranz nicht mit deni Säbelgriff verheddern —
sonst sind sie nachher alle beide aktions-
unfähig! T.
 
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