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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 26.1909

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https://doi.org/10.11588/diglit.6707#0382
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— 6450

KL Der Kieler Kaufmann. £©

Jrei nach Schiller.

Wobin segelt derKabn? €r trägt3ulius^rankentbals Ceute,
Die von der Kieler ÜJerft bolen Alteisen und Stabl,
Grössere Quantitäten wobl ansgewäblten IDetalles,
fünfzehn Pfennige nur nahm Meister Rieckens dafür.

Cäcbelnden Auges schiebt alsdann der dankbare Kaufmann
Gern der gefälligen Schar in die geöffnete Rand
ßlänlicbe Lappen, Zigarren und Wein, Mastgänse und Lorten
Und was sonst noch das Rerz stolzer Beamten erfreut.

Gnädig wägte sie ab der menschenfreundliche Reinricb,
Welcher mit lindernder Rand mässigt das Caragewicbt,
Köstlich ist der Gewinn, sobald man die Ware verschärfet,
Lausend und mehr Prozent trägt die Gbabruse davon.

Alsoverwaltet zuKiel mandesDeutscbenReicbesBesitztum,
Dass dem steuernden Uolk quillet die Cräne ins Aug.
leb aber preise selig vor allen den glücklichen ßändler,
Welchem die Götter vergönnt, Rebbes zu machen in Kiel:

Rerrlicb blüht das Geschäft, wo deutsche Beamtenweisheit
Mit kaufmännischem Geiste segenerzeugend sich paart I j.$.

Bereit fein ist alles.

„Bet Nekrutenvereidigung S. M. Wieder von notwen-
dige Bekämpfung des inneren Feindes gesprochen, —
werden jetzt doch mal mit Gefechtsübungen in Straftet,
von Rixdorf anfangen müssen."

Die 3unkerklugbeit.

„Die Junker sind wegen ihrer ererbten politischen Klugheit als
Führer der Bauern nicht zu entbehren.“

Gin Redner in einer Bauernversantmlung.

]a, das ist wahr und so gut wie beschworen:

Sic haben es fingerdick hinter den Obren.

Die Itzenplitze und Reydebrändc
Wissen ja doch Bescheid am Ende,

UJie man die Dinge deichselt und biegt,

Und wo der Pudel begraben liegt.

Die Klugheit— hm —geht schon durch Generationen
Und häuft sich wie Ziffern durch Additionen;

Das ist wie in einem guten Lestüte:

Der junge Beugst hat des alten ßiite.

Der Väter Kraft, Geist und Jähigkeit
Vererbt sich und mehrt sich mit der Zeit.

Die Ahnen lagert wohl hinterm Gesträuche
Und schlugen die Reisenden auf die Bäuche:

Der Morgenstern dröhnte; cs zischte das Messer:
Jlugs ging’s mit der Beute hinauf auf die Schlösser,
Allwo die politische Klugheit sich
Die fett- und weinfeuchte Schnauze strich.

Die Caktik hat sich verändert inzwischen:

Sie lauern nun nicht mehr hinter den Büschen.

Die politische Klugheit aber, ihr Lieben,

Die ist ihnen doppelt und dreifach geblieben.

Sie morden heut nicht mit Messer und Speer, —
Die Lebende» nämlich bringen mehr.

Drum: steht so ein erblich belasteter, kühner
Und schlauer Juchs inmitten der Kühner,

So tut er klug, in schmelzenden Weisen
Die erbliche Weisheit der Jiichse zu preisen.

Man nennt das im gewöhnlichen Gang

Der Dinge sonst freilich: Bauernfang. eP.

Die lorüs.

viel Säufte finö erhoben.

Sie farmen unö sie toben,

Die Lords am Themfeffrand:
„©oööam, wir foUen blechen?

Wir foUen bezahlen die Zechen??"

Sie find aus Rand und Band.

„Auf, auf, ihr Adelshufer,

Schützt eure heiligsten Güter!

Der Seind foll beißen ins Gras!

Zum Teufel die Philister!

Monarchen und minister.

Die können uns fönst noch was!"

So sprachen Albions Söhne.

Wir kennen diese Töne
Zm eignen Land fürwahr:

Ls ist die loyale,

Die internationale
Patent-Raubritterschar!

Sie spielen Krieg im Frieden
So dort und hier, verschieden
Sind nur die Dbren aUein.

Dort zeigen sie KraUen und Zahne -
Bei uns weint man 'ne Träne
Und knickt die Beine ein. .

Alt-Lngland, meerumfchlungen,
vom Zunker unbezwungen.

Wir blicken mit Neid auf dich!

Man tauscht doch jetzt Dozenten;

Sag, ob wir nicht tauschen könnten
Die (Dbren gelegentlich?? P, E.

Königlich preußischer Schillerkultus.

Bei der Festvorstellung, die zu Schillers
150. Geburtstag im Berliner Königlichen Schau
spielhause stattfand, war vorgeschrieben, daß
die Damen im Parkett und im ersten Rang
durchweg in Hellen, nach der Hofetikette tief
dekolletierten Kleidern zu erscheinen hätten.
Friedrich Schiller soll, als er davon im Ely-
sium hörte, über die taktvolle Aufmerksainkeit
der Hoftheaterleitung tief gerührt gewesen
sein. Um seiner freudigen Dankbarkeit Aus-
druck zu geben, dichtete er sofort einen Prolog
für diese Vorstellung und sandte ihn an denkunsi
sinnigen Intendanten v. Hülsen. Der Anfang
des Prologs, der aus unbekannten Gründe» nicht
gesprochen worden ist, lautete folgendermaßen:
Der nackten Wahrheit ist der Schauplatz eigen.
Hier dient man nicht dem falschen Scheine mir,
Hier soll unS jede, ivas sie hat, auch zeigen,

Kein Stoff verhiillt die quellende Natur,

Man gönnt dem Blick, beherzt hinabzustetgen
Durchs Oberlicht bis aus des Nabels Spur,

Denn pflichtgemäß, nach höfisch edien Sitten,
Erscheinen alle Damen ausgeschnitten. I. S.

Interview mit dent hl. Bureaukratius.

Ich: Guten Morgen, Herr Geheimrat!

Er: Bitte, mich mit meinem vollen Titel
anzureden!!

Ich: Also guten Morgen, Herr Wirklicher
Geheimer Reichsoberkonfusionsrat!

Er: Guten Morgen! Was wünschen Sie?

Ich: Ich möchte die Meinung Ew. Heilig-
keit über die Kieler Werftunterschleife. . ."

Er: Gibt's ja gar nicht!!

Ich: Aber es ist Jhneir doch allerlei ge
stöhlen worden?

Er: Gestohlen??'Bewahre! Was mir end-
gültig gestohlen ist, das habe ich nicht mehr
als „Anlage" bei meinen Akten; und ivas
nicht mehr bei meinen Akten ist — das exi-
stiert für mich nicht!

Ich: Ja, aber der geivöhnliche deutsche
Steuerzahler — verzeihen Ew. Heiligkeit -
hat doch schließlich ein gewisses selbstverständ-
liches Recht. . .

Er: Hüten Sie Ihre Zunge, werter Herr!!
Das Reich verdankt mir unendlich viel! Als
Schutzpatron der kaiserlichen Marine vertrete
ich lauter höhere Gesichtspunkte, nämlich: ge-
steigerte Wehrkraft, nationales Ruhmbedürfnis,
himmelanstrebende Weltmacht imd so.

Ich: Und für das Kaufmännische. . .?

Er: Sind genug talentvolle Spitzbuben da!!

Das Defizit.

Es klingt ein Ruf wie Wehgeschrei;

Da schweigt der Feste Einerlei.

Die Lust ist jäh in Gram vertauscht
Und alles schweigt und alles lauscht —
Das ist das Lied, das dunkle Lied
Vom ew'gen deutschen Defizit!

Und viel Millionen hören zu
And jeder denkt bei sich: Nanu?

Man hat mit Steuern nicht gelumpt.

Man hat geschnorrt und hat gepumpt
Und dennoch klingt durch mein Gemüt
Das dunkle Lied vom Defizit?

Man sieht, ihr habt ja leinen Dunst
Von Staats- und von Finanzen-Kunst.
Glaubt nur, ihr Toren, zweifelt nicht.

Zu euch der „Offiziöse" spricht:

Je blühender ein Staatsgebiet,

Je größer ist das Defizit. ...

Sieht auch der deutsche Aar — o Graus! —
Just wie der Pleitegeier aus.

Nehmt eure Mützen flugs zur Land:

Ein Loch dem „teuren" Vaterland!

Lell kling' vom Fels zum Meer das Lied:
„Ein Volk, ein Reich, ein Defizit!!" P.<?.
 
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