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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 26.1909

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https://doi.org/10.11588/diglit.6707#0383
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— 6451

W öruvenunMck. es

„Jammern Sie nicht »in Ihre verunglückten Männer, liebe Frauen, auch ich habe
den Ernst des Lebens kennen gelernt: erst neulich muhte ich 80Ü Mark Erbschafts-
steuer zahlen!"

m ftobelfpäne. *©

Die Witwen und die Waisen,

Die lvünschte man versorgt,

Doch kann das Reich nichts geben,
Dieiveil es selber borgt.

Die frommen Zentrumsmannen
Versprachen's mit Bedacht,

Und werden's nunmehr zeigen,

Wie so was ivird gemacht.

Sie stellen ihre Wechsel
Jetzt aus auf's Paradies
Die Witwen und die Waisen,

Wie gut doch haben die's!

Das Ergebnis der Berliner Kommunalwahlen hat dem altein-
gesessenen Freisinn einen gehörigen Schreck eingejagt! Er sieht schon
die Zeit kommen, wo an den Biertischen der Bezirksvereine die Würfel
nicht mehr über das Schicksal der Reichshanptstadt, sondern nur noch
über die „nächste Runde" entscheiden werden.

Wir fürchten Gott und sonst nichts auf der Welt,

So prahlen die Junker, >vie Bismarck, ihr Held!

Da fuhr der Schnapsboykott ihnen hinein
Auf einmal ins klappernde Junkergebein!

In Kiel arbeitete der Kaufmann Frankenthal nicht bloß mit un-
edlen Metallen, sonder» auch gelegentlich als Juwelier. So zum
Beispiel verstand er sehr geschickt bei einigen Werftbeamten den Edel
stein ihrer Pflichttreue mit Gold zu „fassen".

Ihr getreuer Sage, Schreiner.

Not ist Crumpf!

Über ekclm RU st und Kot,

Zaulem Morast, stink'gem Sumpf
Steigt empor das Morgenrot.

Sei gegrüßt mir: Rot ist Trumpf!

Hei! wie schüttelten die Köpf',

Die so leer und hohl und dumpf,

Hoch im Rat die eiteln Tröpf',

Als sie sahen: Rot ist Trumps!

Und nun lodert's ringsumher,

Und mit brausendem Triumph
Wälzt sich fort das Zlammenmeer;

Wird ;um Weltbrand .. . Rot ist Trumpf!

Und der Zinsterlinge Heer
Wird vertilgt mit Stiel und Stumpf;
Weggefegt vom roten Meer . . .

Hoch die Zahne! Rot ist Trumps! A.S-holh.

Lieber Jacob!

Wie Dir ivoll ooch »ich unbekannt sein berste,
haben wir Deitsche die Eijentienilichkeit, bet wir
bei't Steierzahlen von jeradezil wollistije Emp-
findilngen durchrieselt werden. Uff diese nazjo-
nale Leidenschaften wird von seiten unserer
Reichsrejierung in de entjejenkommendste Weise
Ricksicht jenommen. Kaum is uns de Wohl-
tat von 'ne halbe Milliarde frischjebackene
Steiern zuteil jewordeu un wir derfen uns
dem sinnlichen Jenuß von Bier-, Tabak-,
Spiritus- un andere Abjaben bis zur Aus-
schweifung hinjeben — da taucht bereits 'n
funkelnagelneier Reichsdalles ain Horizont uff
un ersillt de blechlustije Seele des deitschen
Volkes mit de weitestjehenden Hoffnungen. Der
Nachtragsetat, der dem Reichstag demnächst
zujeht, soll de kihnsten Erwartungen ieber-
treffen. Jn't Ooge des reichstreien Birjers
werden daher bald einige Tränen der Rihrung
un Dankbarkeit uffsteigen, un er wird in seinem
Herzen de Hottentottenwahlen sejnen, die er
dunnemals vermittelst seine bodenlose Weis-
heit zustande jebracht hat.

Det Verjniejen, det bet Steierzahlen au un
fier sich schon janz von alleene hervorruft.

ivird noch dadurch erheht, det der deitsche
Reichsanjeheerije mit eiferte Doge» sehen kann,
zu ivelche jemeinnitzliche Zwecke seine Jroschens
von de Beheerden verwendt werden. Det zeigt
sich ihm jejenwärtig in sehr lehrreiche Weise
beim Kieler Prozeß, der in de weitesten Kreise
der Bevelkeruug nnjeteilte Bejeisterung her-
vorjerufen hat.

De Kieler Affäre is aber man bloß 'ne
kleene Oase in de alljemeene Wieste der son-
stijen polliteschen Ereijnisse. Et sieht ziemlich
klatrig aus uff unfern ollen Erdenball. Keene
Autorität jilt »ich mehr. Sojar det jeduldije
konservative Stimmvieh in't finsterste Ost-
elbien erachtet seine ihm von Jott injesetzten
Leithämmel sor'n Nasenpopel un will Heyde-
brandt'n nich Order parieren. Un in Baden
wagten de liberalen llnentwegten fefeit ihre
polliteschen Beichtväter zu mucksen un haben
bei de Wahlen ihre Stimmen die roten Kau
dedaten jejeben, wat doch de janze sittliche
Weltordnung widersprechen tut un ooch sonst
strengstens verboten war.

Et is sor'n ordnungsliebenden Staatsbirjer
jräßlich mitanzusehen, wie ieberall de drohen-
den Zeichen sich mehren, die deitlich uff dem
nahenden Weltunterjang Hinweisen. Am Him-
mel lauern de Sternkieker tagtäglich uff die
Ankunft des jroßen Riesenkometen, wat nach
Ansicht der jelehrtesten Theologen immer soll
'ne sehr jefährliche Sache sind, un in Däne
mark is'n leibhaftijes Ministerjum ans Ruder,
det bereits alle Titel un Orden den Unterjang
jeschworen hat. Damit sängt der Kladderadatsch
an. Wenn de Obrigkeit keene Orden un keene
Titel nich mehr trägt, wodurch — frage ick —
soll der jehorsame Untertan ihr denn von'»
jewehnlichen Bummler un Dussel unterscheiden
kennen? Un wenn de Menschheit erst dieser
herrlichsten Jieter berankt is, denn is et ooch
de heechste Eisenbahn, det det janze Weltall
in Klump fällt. Denn womit soll man ihm
sonst noch länger zusammenhalten?

Womit ick verbleibe mit ville Jriefie Dein
jetreier Jotthilf Rauke,

an'n Jörlitzer Bahnhof, jleich link^.

Oie Stillen im Cantle.

Zur sechsten Cagung der preussischen 0encral$ynode.

Kennt ihr den Cross ebrwiird’ger Dunkelmänner,
mit frommem JTugenaufscblag, keusch und rein,
moderner Unmoral ingrimm’ge Kenner,

Das schlichte haar umstrahlt vom heil'geuschein?

Die, wie es scheint, seit tausend fahren schliefen,
Nichts ahnend von dem Sange der Kultur,

Und deren salbungsvolle Reden triefen
Uom Seiferschaum zelotiscber Bravour?

Die Denker, die dem kleinsten Fortschritt grollen,
Die Sonne hassen, die den Cag erhellt,

Und die’s noch immer nicht begreifen wollen,
Dass auf- und vorwärts gebt der Lauf der CUelt ?

Die stets zur Ketzerjagd bereiten Meute»,
mit Schädeldecke», fest und wetterhart,
Sespenster, aus des mittelalters Zeiten
hineingeschneit in unsre Segenwart?

Das sind die Hetzer mit dem Demutsscheitel,

Das ist die Ritterschar vom Klingelbeutel,

Das sind die Heil'geu ohne Hirn und Rode —

Das ist die preuss’scbe Seneralsynode.

Friedrich Schiller

Für den Wahren Jacob gemalt
von Hans G. Ientzfch.

Chromotypie in vier Farben. Auf feinem Matt-
Kunsldrurk-Karton. Format 25x33 cm.
Ladenpreis 50 Pfennig. Wenn direkt vom Verlag
bezogen für Verpackung und Porto 20 Pfennig extra,
u □ □

Zahlreichen Wiinschen entsprechend, haben wir
von dem in Nr. 608 des „Wahren Jaeob" veröffenr-
tichten Porträt Friedrich Schillers Sonderdrucke
Herstellen taffen. Dem wachsenden Bedürfnis nach
künstlerisch hervorragendem und dennoch nicht zu
teurem Wandschmuck für das Leim des Proletariers
glauben wir durch die Lerstellung dieses Bildes
entgegenzukommen und empfehlen es als ein geeig-
netes Weihnachtsgeschenk. Das Bild kann durch
alle Buchhandlungen und Kolporteure sowie direkt
von uns bezogen werden.

Verlag von Paul Singer in Stuttgart.
 
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