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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 26.1909

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https://doi.org/10.11588/diglit.6707#0399
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• 6467 • •

Um sich an dem harte» Pfefferkuchen die Zähne nicht vollends auszubeißen,
nimmt Michel jetzt den Stiefelabsatz zu Hilfe, . , .

lD; DobeWAne. LT

Der brave Schneidermeister Zwirn,

Der weiß von schlimmen Tagen,

Wo Schmalhans Küchenmeister ist,

Doch ivill er drob nicht klagen.

Und geht es ihm auch noch so schlecht.
Sein trocken Brot froh beißt er,

Denn er ist doch noch besser dran
Als löte der Reichsschatzmeister,

Der Meister Zwirn kann jedes Loch
In alten Hosen flicken,

Deni Reichsschatzmeister ivird dies nicht
A»r Reichsgeldbentel glücken.

Der preußische Staat ist das Schoßkind der Weltgeschichte, Aber
die mag sich nicht schlecht geivnndert haben, als ihr Sprößling später
plötzlich in die sogenannten Flegeljahre kam.

Preußens Macht hat auf den Schlachtfeldern viel Blut und Eisen
gekostet und kostet heute am grünen Tisch noch iveit mehr Stahlfedern
und Tinte. „

Michels Weihnachtsbaum gehört naturwissenschaftlich zu den Steuer-
nadelhölzern. Die Gesamtheit der dort aufgesteckten Lichter strahlt mit
der Leuchtkraft jener Bogenlampe, die für Michel mittlerweile auf-
gegangen ist. „ .

Der heilige Abend der Reichsregierung ivird im Zeichen altpreußi-
scher Sparsamkeit verlebt werden, iveil beim heurigen 'Achsenbruch
der Reichskarre auch der ganze politische Glaskugelzauber zum Teufel
gegangen ist. getveuer Säge, Schreiner.

Äauspaschas Weihnachten.

„Na, den Kuppkes da oben in der vierten
Etage scheint's ja mächtig gut zu gehen! Jetzt
singen sie schon zum drittenmal: ,O du fröh-
liche, o du selige . . .‘ Da will ich ihnen ain
I. Januar doch rasch mal die Miete steigern!!"

Scherzfrage.

Mit welchen Schleifen ist in Kiel das meiste
Geld zu verdienen?

-usstsichjaspi), pAtz

Den Beruf verfehlt.

„Herrgottsakrament, hätte ich früher gewußt, was für
ein schweres und gefährliches Geschäft das Einbrechen
ist, dann wäre ich doch lieber Beamter auf der Kieler
Werst geworden!"

Preußens Trauer.

Das bekannte Bonner Studentenkorps „Borussia" ist
durch den Rektor der Universität suspendiert worden.

Nun schlinget, prenß'sche Patrioten,

Am euren Arm den Trauerflor:

Geschlossen wurde und verboten
Des Vaterlands feudalstes Korps!

Dem Edel-Züngling wie dem -Greise
Raubt' man das feinste Rendezvous,

Den Kneipkumpanen höchster Kreise
Schloß meuchlings man die Bude zu!

Die edle Schar, die Gott erkoren,

Berufen in den Windeln schon.

Sobald sie trocken hinter 'n Ohren,

Zn Herrn und Führern der Nation,

Die streng und ehrenfest gesoffen,

Das Schwert gekreuzt im blut'gen Streit —
Nun hat der Bannstrahl sie getroffen.

And aus ist's mit der.Herrlichkeit.
Bierzipfel und Couleurband fehlen.

Im Schrank der weiße Stürmer ruht.

And gleich den schäbigsten „Kamelen"
Lustwandeln sie im schwarzen Hut.

Die stolzen Sterne, sie verglommen,
„Borussia" ward dahingerafft,

Weil kecken Muts sie sich benommen
Zu ritterlich und rüpelhaft.

Geschlossen wurde und verboten
Des Vaterlands feudalstes Korps,

Drum schlinget, prenß'sche Patrioten,

Am euren Arm den Trauerflor! 3. ®.

Lieber Jacob!

Wir leben in'n impulsives Zeitalter, keenen
Tag is man sicher, bet »ich irjend wat Un-
erwartetes passiert, un nu fängt sojar schon
de Natur selber an, uns mit allerhand Plötzlich-
keiten zu ieberraschen. Mit eenmal is et in
Berlin Winter jeworden un't schneet so doll,
det De morjens nich aus de Haustiere 'raus-
kominst. Det bedeitet for de Jugend natier-
lich '» jroßct Verjniejen. In allen Straßen

werden Schneemänner jebaut, un ivenn De
durch de Jroße Frankfurter jehst, denn denkste.
De bist in de Siejesallee: lauter iveiße Puppen
von jreuliches Ansehen! Aber eenen kinstle-
rischen Vorzug haben se doch, nämlich den,
det se in acht Dage» todsicher wegjefegt un ab-
jefahren sind, ivat von de plastischen Jebilde
in'n Tierjarten leider nich zu erivarten is.

De letzten sozjaldemokrateschen Wahlsieje sind
sowohl de Schwarzen wie de Blauen eklig in
de Knochen jefahren. Uff den fröhlichen Reichs-
finanzrummel is 'n sehr unanjenehmer Katzen-
jammer jesolgt. Et scheint, als ob de Brieder
vom Fuselblock sich ieberhaupt jraulen, noch
effentlich Farbe zu bekennen. De Oberscharf-
macher vom Zentralverband der Industriellen
haben in diese Tage erklären lassen, det se
mit pollitesche Sachen partuh nich det jeringste
zu tun haben wollen, un de „Germania" schwert
'n heilsten Eid, det det Zentrum keene konfes-
sionelle Partei nich is! Ick jloobe, man nennt
det verschämte Arme in de Polletik.

In England hat det Junkerparlament, wat
se hat Oberhaus nennen, dem janzen Etat ab-
jelehnt, weil der feidale Jroßjrnndbesitz keene
Lust nich hat, de Steiern zu bezahlen, die er
zu bezahlen verslichtet is. Et scheint, det de
englischen Lords bei de deitschen Ostelbier in
de Schule jejangen sind. Denn se haben sich
von unsere Edelsten un Besten nich bloß dem
patrioteschen Opfermut, sondern ooch de per-
seenliche Kurasche abjekiekt. Hiebe kriegt ja
keener jern, aber det se jleich det janze Par-
lamentsjebeide pollezeilich absperren ließen, um
sich vor de jeplanten Huldijungeirder Londoner
Bevelkerung zu schitzen, det finde ick doch jar
zu ostelbisch ritterlich. Feine Familje dort wie
hier! Et wird Zeit, det de Belker Eiropas
sich zusammentun un jejen de jemeinjefähr-
lichen Bestrebungen der ajrarischen Jnternaz-
jonale von't Leder ziehn!

Womit ick verbleibe mit ville Jrieße Dein
jetreier Jotthilf Rauke,

an'» Jörlitzer Bahnhof, jleich links.
 
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