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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 26.1909

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https://doi.org/10.11588/diglit.6707#0403
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• . 6471

Das kam von einem kleinen geschmückten
Tannenbäumchen, das Hanne Kersten trug.

Sie erröteten beide. Aber wieder war sie
es, die sich zuerst faßte.

„Ich wollte nur frage», Herr Horn, ob ich
mit unserem Baum nicht ein Weilchen bei
Ihnen bleiben kann? Bei uns ist es heute
so ungemütlich."

„Wenn Sie wollen," stammelte er.

„Sehr höflich sind Sie eigentlich nicht, Herr
Horn! Ich störe doch nicht??"

Da überlief es ihn heiß.

„Das mit dem Eingeladensein war nämlich
Schwindel, Fräulein Kersten. Ich muß es
nur gleich eingestehen."

„Als ob ich das nicht gemerkt hätte," eut-
gegnete sie.

„Sie wußten es? Ja ja," sagte er lachend,
„das Mogeln versteh' ich nicht. Nun müssen Sie
mich aber einen Augenblick entschuldigen —"

Er griff nach dem Hute.

„Was wollen Sie?"

„Bloß eine Kleinigkeit besorgen."

„DaS ist nicht nötig. Das haben wir
bereits." Sie öffnete das kleine Paket, dem
allerlei Weihnachtsgebäck entquoll. „Mutter
ist beim Kaufmann an der Ecke zum Feste
geladen. Für sie brauchen wir also nichts zu
sparen. Wenn es nur reichen wird?!"

„Aber das ist ja viel zu viel. Wie soll ich
das nur'wieder gutmachen?"

„Später! Wenn Sie ivieder eine Masse Geld
verdienen, revanchieren Sie sich fürstlich, nicht?"

Was sich Pater Filuzius notierte.

Es gibt nichts Edleres, als wenn man den
Wunsch hegt, auf de» Gräbern seiner Feinde
beten zu können. „

Der heilige Petrus fing Menschen. Wir
Nachfolger haben nun die Last, aufzupassen,
daß sie uns nicht ivieder auskneifen.

Die Frömmigkeit ist ein Netz für dumme
Karpfen; gerissene Hechte lassen sich nur am
Köder irdischer Herrschsucht angeln.

Einst brachte derMönch einer dankbaren Welt
die mittelalterliche Kultur! Heutzutage muß er
sie ihr schon förmlich ausschwatzen, und ris-
kiert dabei noch, 'rausgeschmissen zu werden.

Wo der liebe Gotr als Medizin gegen Ver-
stocktheit nicht mehr zieht, ivirkt immer noch
der Teufel wie Rhabarber.

Satanas ist schlau und schwer zu fassen:
schon bei Erschaffung der Welt hat er offenbar
nur die Rolle des Anstifters gespielt.

Man darf nur gläubig gen Himmel gucken
oder voll Demut auf den Boden, aber nie der
Wahrheit ins Gesicht: man hält's nicht lange
aus!! „

Christus mußte sterben, weil die Justiz sich
damals noch nicht so gilt mit seiner Religion
vertragen konnte wie heute.

Die Zeiten der zivölf Apostel waren die
Flitterwochen der christlichen Liebe. Gott sei
Dank ivurde das Schnäbeln und Girren sehr
bald durch Scheiterhaufen ersetzt!

Irdische Güter richten seelischen Schaden
a». Ilm sie daran gu verhindern, sucht die
heilige Kirche sie in ihre Hände 51t bekommen.

Ei» Hirt, der seine Schafe im Leben spazieren
führt, bedarf der Unterstützung durch einen
tüchtigen politischen Leithammel.

Der feine eigene Duft der Tanneuzivcige
trug in die kleilie Stube einen Hauch des
großen winterlichen Waldes da draußen

irgendwo-Er drückte ihre Hand und sagte,

seitwärts in die Lichter des Baumes sehend:
„Sie sind so gut und wissen vielleicht gar nicht,
lvem Sie das eriveisen! Einem, der —"

-o o o-

Ja, kam' er einmal mietler...!

Fa, kam’ er einmal wieder,

Des Zimmermannes Sohn,

Der einst am Kreuz gestorben
Mit einer Dorncnkron’.

Nicht so. wie Schriftgelehrte
Entstellt ihn und verkannt,

Rein, so, wie seine Zeit ihn
Und auch sein Volk verstand.

Und hörte er im Reiche
Der Schwarzen Lulenschrei,

Die alles grimm verfolgen,

Was stolz noch denkt und frei,

Die falsch und doppelzüngig
Und giftig schlangengleich
Mit wohlgesetzter Lüge
Erfüllen jetzt das Reich,

Die, was sie selbstverschuldet,

Den andern laden auf,

Dem Volk zum Elend geben
Den Hohn mit in den Kauf,

Die, wo es paßt, das Grade
Ins Krumme stets verkehrt,

Daß zwei mal zwei fei fünfe
Dem guten Volk gelehrt,

Die, pred’gend Rächstenliebe,

Selbst voll Brutalität —

Za, wenn die Heuchler sähe
Der Mann von Razareth,

Wohl wiederum zu Händen
Rühm' er den Strick sogleich
Und triebe diese Bande
Hinaus zum deutschen Reich! H. Fl.

Eine versöhnende Szene.

Auf der Zeche weilte Se. Exzellenz der Herr
Minister. Er sah alles, prüfte alles und fand
alles sehr nett.

Dann kam der sozialpolitische Höhepunkt:
Exzellenz verschwand auf kurze Zeit in einem
kleinen Kabinett und war, als erwiederznmBor-

„Still!" sagte sie schnell und leise. „Ich
iveiß alles. Deshalb kam ich ja. Sie taten
mir doch so leid!"

Da küßte er ihre Hand und schwieg er-
schüttert.

Denn es war schon lange her, daß jemand
so zil ihm gesprochen hatte. . . .

schein kam, ein richtiger Bergmann geworden,
mit Grubenlampe und Schlägel in der Hand.

Und die andereir Bergleute, die zugucken
durften, riefen begeistertHurra, als der Minister
nun ganz kaltblütig in den Sechshundertmeter-
schacht einfuhr - grade, als wenn es nur in
den Seiler seines heimatlichen Palais ginge.

Sie riefen zum zweiteninal begeistert Hurra,
als nach einer Stunde der Förderkorb ivieder
auftauchte ilnd Se. Exzellenz ihm ganz kalt-
blütig wieder.entstieg.

Aber das alles ivar noch gar nichts gegen
das dritte begeisterte Hurra, das sie von sich
gaben, als dem Minister nun auch noch durch
den Herr» Direktor ein richtiger Stundenlohn
von 36 deutschen Reichspfennigen in einer
richtigen Lohntüte feierlich überreicht ivurde!

Denn Exzellenz steckte sein sauer verdientes
Geld genau so kaltblütig ein, ivie daheim ein
Monatsgehalt.

Tief unten.

Tief unten in den Nächten,

Da ist es traurig bang',

Tief unten in den Schächten,

Da töiit's wie Grabgesang.

Da ist der Winde Pfeifen,

Da ist der Tropfen Fall,

Ein Tappen und ein Greifen
Gespenstig überall.

Da sind die finstern Klüfte,

Lohläugig wie die Gruft,

Da sind die Moderlüste,

Da ist der Grabesduft.

And hier, in dieser Lölle,

Wo's jedem Wesen graust.

In Staub und in Gerolle
Der arme Bergmann haust.

In diesen öden Klüfte»,

Weltfern von Kind und Weib,

In diesen Todesgrüften

Stirbt Seele ihm uiid Leib. a. it
 
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