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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 26.1909

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https://doi.org/10.11588/diglit.6707#0407
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6475

Die erste historische Leistung, des Reichskanzlers.

Bei der Hofjagd in Setzlingen mußte jüngst der neue Reichskanzler, wie alle zum erstenmal dorthin Ein-
geladenen, de» historischen, mit Seit gefüllten Humpen leeren. Dieser Humpen wurde von Friedrich Wilhelm I V.
gestiftet; er ist in Hirschgeweih gefaßt und schwierig zu handhaben. Der Trinkende muß ihn, hochheiligem
Brauch entsprechend, stehend vor dem König leeren, ohne sich dabet zu bellecler».

„Bravo, mein lieber Bethmann, Ich sehe, daß ich mich auf Sie verlaßen kann.
Sie sind jeder Schwierigkeit gewachsen."

o o o

diese sehr eindrucksvoll in den Hinweis auf das
nahende Weihnachsfest, auf das Fest der welt-
erlösenden Gottesliebe ausklingen lassen konnte.

Da klang die Feierabendglocke vom Wirt-
schaftshof herüber.

Erregt schob der Gutsherr die Blätter zu-
sammen. Nachher würde er den Schluß schrei-
be». Er stand auf und ging durch das mit
Jngdzellg und Büchern angefülltc Nebenzimmer
in ein drittes daran anstoßendes Gemach, ©in
breites, mit weicher Felldecke belegtes Ruhe-
bett und ein großer Spiegel bildeten die Haupt-
ausstattungsstücke dieses intimen Kabinetts, das
einen unmittelbar in den Garten führenden
Nebenausgang hatte.

Herr von Herrwitz überzeugte sich, daß die
Fensterläden geschlossen ivaren. Dann kehrte
er in sein Bureau zurück und harrte auf ben
bestellten Besuch. Nicht lange und er hörte
die festen Tritte der Arbeiterin auf den Stein-
fließen der Vorhalle.

Als sie im Zimmer stand, sah er, daß die
strotzende Pracht ihres jungen Körpers noch
schöner war, als sie ihm draußen erschienen.
Er lvars nur einen stüchtigen Blick auf die
Papiere, die sie ihm mit einem demütigen Knix
hinreichte. Dann trat er dicht vor sie hin und
gab ihr die Hand.

„Na, mein Kind, ich hoffe, daß es dir bei uns
gefällt. Wenn du brav und fleißig bist, wirst
du dich über mich nicht zu beklagen haben."

„Das will ich sein, gnädiger Herr", sagte
sie verlegen.

„Was du für ein hübsches Mädel bist!"
fuhr der Gutsherr fort, indem er ihr mit der
Linken das Kinn hob und sie mit der Rechten
näher au sich zog.

Eine jähe Röte schoß dem Mädchen ins
Gesicht. Unwillkürlich wich sie zurück.

„Nanu, du fürchtest dich doch nicht vor
mir", sagte er lachend, „du wirst doch wohl
deinem Herrn ein wenig Vertrauen und Liebe
entgegenbringen."

„Komm", fuhr er fort, als er ihre Augen
feucht werden sah, „erzähle mir, ivo du seit-
her warst. Ich wünsche das Leben meiner
Leute zu kennen, um ihnen in allen Sorgen
hilfreich beistehen zu können."

Damit faßte er sie bei der Hand, um sie in
sein Extrakabinett zu führen.

Sie aber widerstrebte. „Ich habe einen
Schah, gnädiger Herr", sagte sie hastig. „Der
Kutscher Karlein. Wir wollen uns bald hei-
raten, wenn der gnädige Herr es erlaubt."

„So", sagte er gedehnt. „Aber gewiß werde
ich euch das erlauben, wenn Du brav ist.
Darum darfst du mich aber doch auch ein
wenig lieb haben. Das wird dir dein Schatz
gewiß nicht übel nehmen. Du brauchst es ihm
ja auch nicht zu sagen. Komm, sei lieb!"

Bei diesen Worten schlang er den Arm um
ihre Hüften und versuchte sie mit sich sortzu-
ziehen. Als sie sich aber energisch sträubte
und zu befreien versuchte, faßte er derber und
zynischer zu.

Ein heftiges Ringen folgte. Dem Gutsherrn
kochte das Blut bei der nahen Berührung mit
dem sich windenden, glühenden Frauenkörper.
Er setzte seine ganze Kraft daran, sie gleich
auf der Stelle zur Nachgiebigkeit zu zwingen.

Das Mädchen aber kämpfte ivie eine wilde
Katze. Und als der „gnädige Herr" sie mit
einem brutalen Griff niederzwingen wollte,
da gab sie ihm einen so wuchtigen Stoß, daß
er rücklings gegen ein großes Aquarium und,
dieses im Fall zertrümmernd, mit großem
Krach auf den Boden flog.

Ehe der Gestürzte recht wußte, was mit
ihm geschehen war, hatte sie ihre Papiere an
sich gerissen und war fort.

Herr von Herrwitz wischte sich eine Wasser-
pflanze aus dem Gesicht und erhob sich aus
dem Trümmerhaufen. Verstört blickte er auf
die greuliche Verwüstung und die sich zu Tode
zappelnden Ziersische. Er war gänzlich ab-
gekühlt und durchnäßt bis auf die Haut.

„Schauderhaft, schauderhaft!" entrang es
sich seiner noch keuchenden Brust. „Dieses
freche widerspenstige Weibsbild. Der Teufel
hole die Bestie!"

Dann klingelte er seinem Diener.

„Bin ausgeglitten und auf das Aquarium
gefallen," sagte er zu dem bestürzt Drcin-
schauenden. „Schaffe rasch Ordnung!"

„Der gnädige Herr bluten im Gesicht," sagte
der Diener besorgt.

„Das ist von den Glasscherben," entgegnete
der Gutsherr, sich das Gesicht abwaschend.
Die Fingernägel der siegreichen „Bestie" hatten
ihn Reichlich gezeichnet.

Die Scherben hatten allerdings auch Spuren
hinterlassen. Diese befanden sich aber auf dem
rückseitigen Gesicht. Er wurde sie erst in ihrer
ganzen Schönheit und Schmerzhaftigkeit ge-
wahr, als er sich im Schlafgemach der an-
klebenden Kleider erledigte.

Unter diesen Umständen hielt er es für rötlich,
einige Tage unter Ausschluß der Öffentlichkeit
zu verbringen. Den Inspektor, der täglich zum

Rapport kam, konnte er allerdings nicht gut ab-
weisen. Von ihm erfuhr er andern Tags, daß
die Neue gleich ivieder fort sei. Auch der
Klltscher Karleiik ersuche um seine Entlassung.

Der Inspektor wunderte sich gar nicht, daß
der Gutsherr deu anstelligen Burschen sofort
ziehen ließ. Aber er hütete sich, auch nur mit
einer Miene seine Gedanken zu verrate».

Nach einigen Tagen, als Herr von Herrwitz
das Sitzen wieder vertrug, schrieb er auch den
Schluß des strategischen Artikels über die Wahl-
reform. Er wählte die strengere Fassung: Auch
die größten Politiker unterliegen nämlich zu-
weilen ihrer Stimmung. . . .

Unregelmässige Steigerungsformen.

Lin Nachtrag zur deutschen Grammatik.

bell — $ a cl) $ e — Berliner

leer — Kirche Reichssäckel

dick — Örlel — Zeiitrumsschädel

mager — Sarah Bernhardt — (Jolksschullehrer

geil — Ziegenbock — Schack

gemein — Ciige — „Wahrheit“

elend — Jinanzreform — Dreiklassenwahlrecht

feindlid) — Rektor und Achilles — Cook und Peary

heilsam — Panazee — Lehm

schwankend — Rohr — Liberalismus.
 
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