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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 27.1910

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https://doi.org/10.11588/diglit.6708#0008
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6483 —

Panik im Himmel. Leopold kommt, rette sich, wer kann!

^ lwvellMne. eT

Ach, wenn unsere Ahnen wüßten,

Wie wir an Kultur so reich!

Es kommen die Schwarzen Listen
Jetzt über ganz Deutschland zugleich.

Wer wider den Stachel will lökeu.

Der wird allüberall jetzt
Gleich auf die Strafte geworfen.

Auf Hungerlisten gesetzt.

Ja, sonnet euch nur, ihr Deutschen,

I» eurer Hochkultur Licht;

Die Eskimos und Hottentotten,

Die brachten so weit es noch nicht.

Der Abreißkalender ist ein unverbesserlicher Optimist: am I. Ja-
nuar sieht er jedesmal rosig, dick und zufrieden aus — und später,
am 31. Dezeiuber, gleicht er doch immer wieder einem wehmütigen
Hungerleider! « *

Er weift aber auch höhnisch und boshaft zu sein wie ein Zwerg.
Denn mit seinem täglichen Speisezettel ärgert er den staatsbürger-
lichen Magen, und sei» täglicher frommer Spruch reizt den staats-
bürgerlicheu Verstand. . .

In Mecklenburg hat sich wieder mal gezeigt, daft bei häuslichen
Streitigkeiten der Besen der Regierung gegen den Flegel des Junkers
zu kurz zu kommen pflegt, wenn zum Schlüsse nicht noch Schivieger-
mama Germania mit Nachdruck in die Tragikomödie eingreist.

Ihr getreuer Säge, Schreiner.

wttwcnlürtorge.

vom SlsiMsekrelÄr Delbriidi.

D, Bergmann in der Lrde Schoß,
Bedenke, welch' ein traurig Los
Den Witwen du bereitest,
wenn du nicht fügsam trägst dein Joch
Und meiner Warnung trotzend doch
Zum Riesenausstand schreitest.

weh dir, wenn dich im Übermut
Nicht rührt der armen Witwe Gut,
Wenn du für Albernheiten
Wie Lhr' und Freiheit dich erwärmst,
Am Lnde gar für Bebel schwärmst.

Der Teufel soll dich reiten.

Bedenke, was dir dann erblüht,

Man weiß in Mansfeld noch ein Lied
vom Vogelfang zu singen,

Der pfiff nur, und es kam daher
Flugs das Maschinenschießgewehr,

Den Witwen Trost zu bringen.

Der Staat in seinem Busen trägt
Lin Herz, das für die Witwen schlägt,
Die Witwen will er schützen,

Die Witwen, deren Jammer groß,
Dieweil zweihundert Mille bloß
In Kuxen sie besitzen.

Für solche Witwen, voll und rund,
weiß selbst mein Bureaukratenmund
Lin Herzenswort zu finden;

Da schäme dich, du Grubensklav',
wenn du für diese Witwen brav
Dich fürder nicht willst schinden!

Aus der Rede eines Zentrumsabgeordneten.

„... Es ist allerdings richtig, daß die Hinter-
bliebeneuversicheruug am 1. Januar nicht in
Kraft treten konnte. Wir Zentrumsabgeordnete
haben das aber längst vorausgesehen, >md das
ivar für uns ein Grund mehr, die Erbschafts-
steuer abzulehnen. Denn jetzt behalten die
Hinterbliebenen ivenigstens ihre Habseligkeite»
und können von den Steuerbeamten nicht von
Haus und Hof gejagt iverden. Sie sehen also,
ivie richtig die Politik des Zentrums war..."

Sächsche Name.

Es mauxd der Gader
uffen Dach,
Esheild der Karo
an der Gedde;
In sächschen
Landdag gibbd
Sie's Grach,
Gans gegen alle
Edigedde.

De Bastersch
schreien Ach'un
Weh,

Der Gander
singd 'ne falsche
Rode,

Denn — sehnse, heernse, jemerschnee! —
Mir Hamm Sie fimfnnzwanzig Rode!

Schon eener war genug u» sadd
Sin hadde egal Lust zum Raufe»;

Nu gomsc an aus Dorf und Schdadt,

Un zwar sogleich i» Hellen Laufen!

Wenn eener au se dalben will.

Der ziehd sogleich zurick de Fode
Mid gans cndsetzlichen Gebrill —

Mir Hamm Sie fimfunzwanzig Rode!

War Sic das 'ne Gcmiedlichgeed
In unsrer braven zweede» Kammer!

Nu is de Menschhced wie verdrehd —

Es is geradezu ä Jammer!

Verleimdung, Zwiedrachd, Laß un Groll
Werd nu in unsen Lande Mode,

Denn was ze doll is, is ze doll —

Mir Hamm Sie fimfunzwanzig Rode!

Lieber Jacob!

Prost Neijahr! Un wat sagste zum neic»
Reichskanzler? Ick kann mir nich helfen, mir
jefällt er janz jut. So schee» ivie Bülow is
er ja nu nich, aber ick meeue, man derf nich
zu sehr uff't Eifterliche sehen, ooch wenn eenen
de Jurke direkt in't Ooge sticht. Dafor is der
Mann ebent Philosoph, »n die sollen immer
schon von Natur 'n bisken merkwirdig aus-
sehen — hat mir mein Drittjüngster jesagt, der
Ostern uff de vierte Klasse kommt. Sokrates, sagt

er, wat'u sehr Heller Kopp jeweseu is, hat ooch
'ne Kulpsneese jehabt, un wat den eenen recht
is, is den andern billig. Jedenfalls hat Beth-
mann schon bei sein erstes Uffireten jezeigt,
det er for sein Amt de richtije Dienstauffassung
hat. Nach rechts nickt er und nach links pickt
er. Er weeft trotz seine kurze Lehrzeit schon
janz jenem, det Blauschwarz de Parole iS un
det er dem Fuselblock immer hibsch Ordre
parieren muß, wenn er mit heile Knochen zu
Muttern retourkommen ivill. Aber ooch sonst
jloobe ick, det Du, lieber Jacob, uff ihm de
hoffnungsvollsten Erwartungen bauen kannst
un det er Dir mindestens ebent so oft in un-
freiwillije Nahrung sehen wird, wie Bülow
et jetan hat. Un in diesem Sinne wollen wir
Theobald'» mit den philosophischen Zinken
herzlich willkommen Heeßen.

In't preißesche Abjeorntenhaus wurde mal
— et is noch nich lauge her — 'ne Thronrede
verlesen, in die det feierliche Versprechen je-
jebcn worden war, det det preißesche Drei-
klaffenwahlrecht sozusagen reformiert werden
sollte. Da det aber nu de Edelsten un Besten
nich wollen, so is et mit de Ausfiehrung von
det Versprechen Essig jeiveseu, un de Regierung
hat sich ville Schmeicheleien deswejen sagen
lassen missen, weil se wat versprochen jehabt
hat, ohne vorher de Junker um Erlaubnis zu
fragen. Det is Theobald'» sehr in de oben
erwähnte Reese jestiegen, un um in Zukumft
sonne Fahrlässigkeiten zu vermeiden, hat ersetz
'»e neue Methode erfunden. In de Thron-
reden wird nischt mehr versprochen, et wird
ieberhaupt jar nischt mehr jesagt, wobei sich
irjendiver wat denken kann. Bei de Ereff-
nuug von'» Reichstag is det Verfahren schon
mit ville Jlick zur Anwendung jekommen, un
später wird et noch radikaler durchjefiehrt wer
den. Da sollen ivie ick aus de sicherste Quelle
erfahren habe bloß noch immer abivechselnd
eeinnal de zehn Jebote un't neechste Mal det
kleene Einmaleins uffjesagt iverden. Uff diese
Weise hofft man alle birjerlichen Parteien zu
befriedigen un an de maftjebenden Stellen
keenen Anstoß nich zu erregen.

Womit ick verbleibe mit ville Jrießc Dein
jetreier Jotthilf Rauke,

an'u Jörlitzcr Bahnhof, jleich links.
 
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