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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 27.1910

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https://doi.org/10.11588/diglit.6708#0016
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6491

Stammtischrede

des Mehgermeisters Wurstler.

MeiniHerrn! Wieda
isaJährruntergorgelt
und a ueis is anganga.
Waswerd dös bring«?
Was Gscheits net, a
wenn d' Leit alleivcil
Wieda so saudumm sau
und si a guats neisJahr
aiuvünsche, obwohl s'
scho dutzendmal gsehgn Ham, daß nix hilft.

Wir Münchner Ham iveuigstens dös Guate,
daß ma a bißl in Zukunft sehgn komm. IS
der Karneval vorbei, nachher gibt's an Sal-
vator; is der Salvator weggsuffa, kiinmt der
Bock; is koa Bock mehr da, nachher kann ma
scho allmähli abends am Keller geh und si
seine Maß und seine Radi im Freien über-
leg». Nachher kiinmt 's Oktoberfest und danach
iverd's Märzenbier ausgschenkt, und dös is
ma beinah liaba wia der Bock. Salvator, Bock,
Oktoberfest und Märzenbier, dös san dö vier
Münchner Jahreszeiten.

Oans is a gwiß, nämli das; mir a int Jahr
1010 für dö Frätzchen in Preißa fest blechen
müassn. Dös viele Redn hat aufghört, aber
derfür derf ma jetzt mehra zahln. Mir war's
eigentli umgkehrt liaba. A bsouders guats
»eis Jahr werd 's Zentrum kriagn. Leicht
werd's eahm net wer», si rauszlüagn, wenn's
a 's Lüagn ausm Fundament vasteht. Da is
übrigens neili bei mir was Guats passiert.

Also, i sitz gemütli dahoam in der Wohnung,
auf oamal kommt d' Köchin rei und sagt, a
Kapuziner war draußen und tat für dö Wildn
in Afrika um milde Gaben bittn. Mei Alte
is glei aufgsprunga und hat ihren Geldbeitel
gsuacht, derweil bin aber i' »aus und Hab zum
Kapuziner gsagt: „I tat Enhna recht gern was
gebn, aba 's Zentrum hat so viel neie Steiern
bewilligt, daß ma grad froh sei »maß, wenn's
dahoam langt. Da bleibt für dö Wildn na-
türli nix mehr über."

I sag Eahna, meint Herrn, der Kapuziner
hat dreigschaüt, als ob eahm oaner von hinten
a Schaffel kalt's Wasser übern Kopf gschüit
hält. Und rot is er worn vor lauter Schaum
wia a jungs Madl. Schnell hat er auf sei
Kappn nausglangt und is schleinigst verduft.
Sei Kutten is grad so gslogn, wia er über d'
Treppen nuntergstolpert is. Der kiinmt nimmer,
und der nächst, der kiinmt, dem mach i's grad
so. Dös is do die höhere Unverschämtheit:
Zerst halsen an dö Schwarzsräck an Haufeii
Steiern auf und nachher lassen f an no an-
betteln.

Begieri bin i, was mit 'm Fürsten Eulen-
burg werd, ob er a uo 's Jahr 1910 überlebt,
obwohl er alleiveil an; Tod is. Für an Schwer-
kranken, dem d' Füaß angschwolln san wia
Bierfassln, und von dem alle paar Monat in
der Zeitung steht, daß er jetz nimmer z' retten
war, treibt er's eigentli sak-
risch lang.Hoffentli lebi,wenn
dö Dokter amol sagn, daß bei
mir nix mehr zmacha is und
i der Katz ghör, grad so lang
wia er. Zenzl, dadrauf trink
i no a Maß!

Militärischer Anterricht.

„Dragoner Heustadel . . . worüber soll sich
ein braver Soldat erst mal ganz genau ver-
gewissern, bevor er sich beschweren geht?"

„Über dem Herrn Wachtmeister sei' Hand-
schuhnummer!"

Altmaterial im Reichstag.

Die Reichstagsverwaltung beabsichtigt folgendes unbrauchbar gewordenes Material
demnächst meistbietend zu versteigern:

I. Zwei ansrangierte Vizepräsidenten.

Sie sind beide noch wohlerhalten und können noch gut als Reklamefiguren in Spiel-
warcnhandlungen verwendet wcrdeiz. Der eine eignet sich wegen seines Leiligenscheins
gut zum St. Niklas. Der andere ist ein geradezu idealer Nußknacker.

2. Das Schiff der Witwen- und Waisenversorgnng.

Der Lotse Trimborn hat es bekanntlich mit so viel Geschick auf die Klippen der agrarisch-
klerikalen Zoll- und Rüstungspolitik festgcfahrcn, daß es nicht mehr los zu kriegen ist,
obgleich die ganze zur Versorgung der Wittven und Waisen bestinunte Ladung über
Bord geworfen wurde. Doch sind noch einige Säcke von dem Sand vorhanden, den die
schwarze Bemannung mit sich führte, um ihn dem Publikum in die Augen zu werfen.

3. Die eiserne Faust des Herrn von Tirpitz.

Es ist dieselbe Faust, mit der er, nach seiner eigenen Mitteilung, in die Verhältnisse
auf der Kieler Werst cingegriffen hat. Man sieht es ihr aber nicht an, so gut ist sic
noch erhalten. Trotzdem konnte sic freihändig nicht verkauft werden, da der Altwaren-
händler Frankenthal die Behauptung aussprcngtc, das „Eisen" sei nur bronzierte Pappe.
Dagegen liegt für die zur Füllung benutzten Lumpen bereits ein Angebot in Löhe von
0,05 Mark vor, und zwar von einem Bildhauer, der Original-Wachsbüsten von Meistern
aller Zeiten und Länder für die königliche Museumsverwallung in Berlin hcrstcllt.
 
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