Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 27.1910

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.6708#0017
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
6492

Ein Knäblein ward geboren
In kalter Wintcrnacht,

Da haben ihm drei Männer
Die Luldigung gebracht.

Der erste mik-dem .Wappen»
Das Bett versiegelt hak.

Der andre war der Schutzmann
Und bracht' ein Strafmandat.

Zum Schluffe kain der Lausherr
Und brüllt: Nu aber raus —

Ich dulde keine Kinder
In meinem beff'ren Laus!

-O O O-

Konservativer Katzenjammer.

Rerr Ritter Kunz, wie war das gleich,

Gs scheint fast, dass der letzte Streich,

Bei dem ihr doch ganz kunstgerecht
mit einem Crick, der gar nicht schlecht,
Rasch die Millionen eingekriegt,

Glich etwas schwer im Magen liegt.

Der Freudenbecher blinkt gar schön,

Ihr habt zu tief hinein gesehtt,

Zu viel genossen, was sich bot,

Drum ward auch eure Oase rot.

Rerr Ritter Kunz, dass Gott euch helf
Im Jahre neunzehnhundertelf,

Da gibt es eine grosse Schlacht,

Rerr Ritter Kunz nehmt euch in acht,

Die Bauernfaust trifft ganz genau,

Da wird die rote Oase blau. suiz sang«.

Prophezeiungen für das Jahr 1910.

Das kgl. Museum in Berlin lauft alle Wachs-
figuren aus Kaftans Panoptikum, da Bode ent-
deckt hat, daß sie nicht die Fürstlichkeiten,
Räuberhauptleute usw. vorstellen, die der Ka-
talog angibt, sondern daß es Medicäerporträts
von der Hand Michelangelos sind.

Holzbock bestätigt es und wird unter dem
Namen „von dem Holzbock" geadelt werden.

Ein griechischer Apothekerlehrling bombar-
diert Athen mit Stinkbomben. Es steht eine
internationale Flottenkundgebung für König
Georg bevor.

Der neue Termin im Prozeß Euleilburg ivird
auf den 29. Februar anberaumt werden.

Zeppelin besucht auf
Kommando nicht nur den
Nordpol, sondern auch
den Mond.

General Liebert wird
unter den Mondkälbern
eine ne>le Abteilung
des Reichsverbandes be-
gründen.

Bei einem Streik der
Zeitungsjungen in Bux-
tehude gelangt außer
Artillerie, Infanterie
und Kavallerie ein Ka-
nonenboot zur Verwen-
dung. Die Truppen ver-
richten heroische Taten.

Knackfuß schafft eine Denkmünze, die allen
Zeitgenossen dieser großen Tage verliehen wird.

Ein Minister erinnert an das Versprechen
der Wahlreform und wird zur Strafe dafür
Bürgermeister von Husum.

Der serbische Kronprinz wird dem Pastor
Breithaupt in Mielczin zur Erziehung über-
wiesen.

Die Kieler Werftverwaltung verkauft die in
Kiel weilende deutsche Flotte an einen Alt-
eisrnhändler für 33,85 Mark. Dieser stellt sie
dem Staat für eine kleine Milliarde ivieder
zur Verfügung.

Ein adliger Verbrecher kommt aus Versehen
ins Gefängnis statt ins Sanatorium. Der
schuldige Richter wird strafversetzt.

In seiner Enzpklika „De meschuggis“ for-
dert der Papst die Umwandlung des „Peters-
pfennigs" in eine „Petersmark".

Zur Feier von Schillers hundertfünftem
Todestage werden die Theater in Preußen
fortan der Zensur des zuständigen Polizei-
ivachtineisters unterstellt. Diese stellen den Ju-
bilar auf den Index, da er nie Hohenzollern-
dramen geschrieben hat.

Die Spanier siegen sich in Marokko täglich
einen Kilometer rückwärts.

Der deutsche Gesandte in Madrid dringt
auf Friedensschluß, damit die „Pom' le merite“
für den spanischen General und den Rifkabplen-
häuptling Ab-el-Murkser abgesandt werden
können. ,

Der Zar ist dem Hungertode nahe, da die
Großfürsten die Zivilliste gestohlen haben.

Eine Abordnung mecklenburgischer Ritter
stlidiert die parlamentarischen Einrichtungen
in Timbuktu.

Die heiligen drei Könige.

In allen klerikalen
Ländern finden Protest-
oersammlungen gegen
die spanischen Hinrich-
lungen statt; man sor
dert, daß dergleichen
künftig geheim abge-
macht wird.

In Ostelbien werden
die Kinder fortan nur
beiin Kartoffelbuddeln
und Rübenziehen unter-
richtet. Die dadurch er-
zielten Ersparnisse an
Schulgebäuden usw.so!-
leii unter die verhun-
gernden Schnapsbarone
verteilt werden.

Tolstoi wird zu einen!
Kabaretvortrag auf ein
schlesisches Jagdschloß
geladen iverden.

Die Hinrichtung einer Kindsmörderin wird
kinematographisch ausgenommen.

Die Konservativen bringen ein Gesetz ein,
das die Ministerverantwortlichkeit — vor dem
Bund der Landwirte regelt.

Die Liberalen stimmen begeistert zu und
dürfen dafür beim nächsten Bethmann-Hollweg
sehen Bierabend das Bier herumreichen.

Schack wird Austausch-Professor und liest
über den „Austausch in der germanischen Ehe".

Schücking wird dem Sultan von Marokko
überantwortet, der ihn neben den Roghi in
einen Käfig setzt.

Haußmann schreibt einen offenen Brief an
den Sultan.

Auf einigen Kriegsschiffen wird die Idee der
Abrüstung durch Herauswerfen von Munitions-
teilen praktisch demonstriert.

Die stellungslosen griechischen Prinzen neh-
men Stellung als Kellner in Spree-Athen an,
iverden aber bald entlassen, da sie sich wieder
— verrechnet haben.

Carmen Sylva macht ein Gedicht auf das
Elend der rumänischen Bauern. Diese prote-
stieren gegen diese neue Barbarei.

Erzberger begründet das klerikale Witzblatt
„Der schwarze Peter" und läßt zunächst seine
Agitationsreden darin erscheinen.

Ein Hofball kann nicht stattfinden, da alle
aristokratischen Damen als Zuschauerinnen bei
den neuen Skandalprozessen verweilen.

Der König von Griechenland nimmt den
Titel „Liebling des Vaterlandes" an.

Zur Feier der Jahreswende wird das
preußische Dreiklassenwahlrecht — entsprechend
der preußischen Lotterie in ein sünfklassiges
verwandelt.

Der Kanzler-Major wird Oberstleutnant.

Die suspenlUerien öoruffen.

„TiesetJelehrtenvoll wird immer anmaßender! Näch-
stens werden le vielleicht noch ein rejelrechtes Examen
von uns verlangen!"
 
Annotationen