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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 27.1910

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https://doi.org/10.11588/diglit.6708#0023
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6498

MSL Könige. LT5S

Vs» Paul Gnderling.

Philip» II. von Spanien.

Der rnanzanares treibt so rote UJelleu -
Crieft er von Blut? Warf lächelnd man hinein
Purpurne Blüten vom ßranatbaum? Nein,
Die Scheiterhaufen sind’s, die ihn erhellen...
Man brachte wieder hundert Männer, Weiber,
Dem ßerrgott dar als ehrfürchtig fanal;

Der scharfe Brandgeruch der Ketzerleiber
Dringt langsam bis hierher, ins Eskurial ...
Er ist wie Weihrauch mir!

Uerziickten Blicks

Borch’ ich der Mönche dunklen Eitanein,

Und wieder schwör’ ich’s vor dem Kruzifix,
Dem Bott der Eiebc all mein Cun zu weihn!

«>

Karl I., Stuart.

Blonde Jane Eyre, in deinem weichen Mm
Bin ich so liebesmiide eingeschlafen.

Nun weckte mich ein träum — dass Bott er-
barm —

Uerlassen war ich von den Eords und Brafen.

Das Uolk von Condon wogte wie ein Meer —
Biszudemtower klang sein ßroll und Spott —
Und Bromwell zog am Mm mich zu sich her
Zum Mmesünderkarren - zum Schafott!!

Warnt mich der träum? Soll also wirklich ich
Die Macht des Bötzen Parlament verspüren?
Wagt man, am Königshaupte nur zu rühren ?
— Unsinn! Sie lieben mich — sie lieben mich...

2)

Triedriclt „der Krosse“.

... Und die Kartätsche reisst in Bataillonen
Uon neuem ihre blutgetränkten Bassen,

Und vor des feindes iibermäcbt’gen Masse»
Weichen zurück die preussischen Schwa-
dronen.

Man kämpft nicht um den Sieg; nur um das

Beben.

Und wild und wilder braust das Schlacht-
getümmel.

Und König fritz, von flüchtenden umgeben,
Die flutend ihn fast aus dem Sattel heben,

Ruft zornerfüllt herab von seinem Schimmel:
„Ihr Racker, wollt ihr etwa ewig leben??“
«»

EudiPia XVI.

Stimmt an das Menuett! Um unsre Bahnen
Winden sich weisse Rosen ... Bören Sie:
Ich schoss heut auf der Jagd vierzig fasanen!
Ein Böttertag!... Was wollen Sie, Marquis ?
Das Uolk erstürmte die Bastille eben??

Das Uolk? Wer ist denn das?? Mag ein

Bendarm

Es züchtigen! Ein Sektrausch sei das Beben!
ln fontainebleau soll’s morgen Birschjagd

geben.

... Marie-Antoinette, deinen Mm!

Zar Nikolaus.

Was war das nur ? Mich dünkt, es klirrte was.
Bald blitzt ein Dolch — ein hasserfüllt Besicht

Spricht seine dunklen fluche-Nein, noch

nicht!!

Das Eis der Newa springt und klirrt wie Blas.

Was schwankt im Wind dort? Jfn den Balgen baumeln Das Abendrot ist wie geronnen Blut -
Die ßoebverräter. Eärmt es nicht im f lur? Und immer weiter strömt die Purpurflut —

’s sind die Kosaken, meine Creuen, nur, Und grausig quillt ins Prunkgemach hinein

Die trunken über Marmorstufen taumeln. Der Eeicbenduft aus Russlands Wüstenein.-

„Das Leben für den Zaren."

Die „Tägliche Rundschau" i» Berlin fordert Beseitigung
der Zaren-Karitaturen.

Die klägliche
Die „Tägliche"

Die „Rundschau" räsonniert.

Daß man im frommen Preußen
Den guten Zar der Reußen
Respektlos karikiert.

Die witzigen.

Die spitzigen.

Die Witzblattzeichner seh»

In ihm nur den Idioten.

Das kränkt die Patrioten;

Sie können's nicht verstehn.

Der mächtigste.

Der prächtigste

Der Herrscher ohne Schuh?

Auf, Schutzmann, arretiere.

Verbanne, konfisziere
And biet' den Frevlern Trutz!

Die russische,

Borussische,

Die „Rundschau" klagt so schön.

Daß keinen mehr es wundert.

Wenn sie das „Schwarze Hundert"

Als Leibblatt ausersehn! P. E.

Politischer Wetterbericht.

Bet unvermindert anhaltenden, kräftigeil ost-
elbischen Winden lagert ein schweigsames und
teilweise sogar direkt katzenjämmerliches Mini-
mum über der Wilhelmstraße. Der Zentrums-
himmel ist durch nachdenkliche Wolken getrübt,
die sich trotz allen pfäffischen Wetterschießens
verstärken und ganz nach Platzregen und
Hagel aussehen. Wetterleuchte» am preußi-
schen Horizont.

Der starke Mann am Ziel.

Höher und höher stieg die rote Flut. Bang
und bänger wurde es den Junkern ums schwarze
Herz. Schon begannen die Schnapsprosite zu
sinken. Aber wenn die Not der Junker am
größten ist, dann ist auch der starke Man» von
Januschau am nächsten, llnd zum vierhundert-
dreiundzwanzigsten Male zeigte Herr v. Olden-
burg seinen vor Angst zitternden Freunden
den einzigen Weg zur Rettung.

„Meine Herrn!" schloß er seine Rede. „Man
diktiere jedem Sozialdemokraten fünfundzwan-
zig Knutenhiebe, streue Pfeffer und Salz in die
Wunden und sperre die Kerls ein, bis sie nicht
mehr piepsen können. Man schaffe jedes Wahl-
recht, jede Versammlungs-, Rede- und Preß-
freiheit ab - diese blödsinnigen Verirrungen
einer an Humanitäts- und Freiheitsduselei
kranken Zeit —, man gebe uns einen Getreide-
zoll von dreißig Mark, und Deutschland wird
bald keine Sozialdemokraten mehr haben, und
deutsches Wesen, deutsche Sitte, deutsche Ord-
nung werden wieder aufblühen!"

Der Beifall, der dieser Rede folgte, war so
stark, daß fünf Fensterscheiben zerbrachen, llnd
Herr l)r. Ortet strich schmunzelnd über sein
dickes Bäuchlein, als ob er beim Reichskanzler
zum Diner gewesen wäre. Herr v. -Oldenburg
aber verließ die Versammlung in der sieges-
freudigsten Stimmung und sagte im Bette seine
Rede nochmals vor sich her, weil er sie andern
Tags auch im Reichstag halten wollte.

Was war das nur? Er hatte doch geklingelt,
um sich das Frühstück bringen zu lassen, statt
des Kellners kam aber der Wirt selbst und
machte ihm folgende Mitteilung:

„Herr Baron, ich bedaure, kein Frühstück
servieren lassen zu könne». Der agrarische
Staat ist eingeführt, und mein Personal ist
verhaftet. Sie waren alle Sozialdemokraten."

Der Herrscher von Januschau und llm-
gegend erschrak erst, denn er hatte einen großen
Appetit. Aber dann brach die Freude über
den raschen Sieg hervor und er rief dreimal:
„Hurra! Hurra! Hurra!"

Dann fragte er den Wirt, ob er ihm denn
nicht selbst ein Frühstück bereiten könne? Aber
der Wirt bedauerte.

„Weder Semmeln noch Milch sind heute ge-
bracht worden," sagte er. „Eine telephonische
Anfrage war unmöglich. Auch die Telephon-
fräuleins sind alle eingesperrt worden, weil
sie Sozialdemokratinnen sind."

Der Wirt schlich betrübt davon.

Herr v. Oldenburg rief jetzt noch dreimal:
„Hurra! Hurra! Hurra!" Dann sprang er die
Treppe hinab, um sich zum Reichstag zu bege-
ben, wo er gewiß ein Frühstück erhalten werde.

Auf der Straße sah er zu seiner großen
Freude nichts als Polizisten und Soldaten.

„Wagen!" rief Herr v. Oldenburg mit starker
Stimme.

Aber kein Wagen kam. Und ein Schutzmann
zeigte mit dem Zeigefinger nach dem Kopfe
und sagte: „Männecken! Det sollten Sie doch
man wissen, det die Kutschers injespunnt sind!"

„Na, da fahren wir halt einmal proletarisch
mit der Elektrischen!" bemerkte resigniert Herr
v. Oldenburg.

Der Schutzmann lachte laut auf und rief:
„Fährt ooch nich! Schaffners-alle injesperrt!"

Erregt vor Freude, daß seine Bestrebungen
von so durchschlagendem Erfolg waren, be-
schloß Herr v. Oldenburg nun, zu Fuß nach
der Reichströdelbude — wie er den Reichstag
immer nur nannte — zu gehen. Als er dort
ankam, fand er aber alle Türen fest verschlossen
und ein großes Schild verkündete: „Auf Ab-
bruch zu verkaufen!"

„Bravo! Bravo!" ries der starke Mann. Aber
sein Magen begann immer lauter zu knurren.
„Nun aber auf nach Januschau!" rief Herr
 
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