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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 27.1910

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https://doi.org/10.11588/diglit.6708#0036
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6511

m DoDelfpanc.

Du Michel magst dich freuen,

Wie jetzt das Glück dir lacht!

In Preuße» wird das Wahlrecht
Dir neu zurecht gemacht.

Du kriegst ein neues Messer
Geschenkt, und das ist viel.

Fehlt leider nur die Klinge
Daran und auch der Stiel.

Fasching rückt merklich näher. So zum
Beispiel fand am 27. Januar, wie immer,
ein allgemeines patriotisches Kappenfest statt,
bei dem man als vollivertiger Teilnehmer nur mit Helm oder Zylinder
herumlaufen durfte. , ,

Das Schwein, das die Reichsregierung heuer ganz entschieden zu
haben gedachte, ist leider bereits an seiner Loyalität krepiert, weil es
als freiwilliges Versuchskaninchen für die Unschädlichkeit der Eosin
gerste zuviel begeisterten Appetit entwickelte.

In der Wahlrechtsfrage raucht die preußische Regierung vorläufig
eine streng ivissenschnftliche Friedenspfeife, die uns so viel statistischen
„blauen Dunst" Vormacht, daß wir aus „starken Tabak" gefaßt sein müssen.

Jeder Staatsbürger, der die Freiheit liebt, mag sich daraus ge
faßt machen, daß ihm die eifersüchtige Dame Justitia zuweilen hinter-
rücks einen Schabernack spielt.

Für den richtigen Spießbürger vergreift sich die Polizei erst dann
an den heiligsten Gütern der Menschheit, wenn sie ihm persönlich
ans seinem eigenen Bauch heruniknufft.

Ihr getreuer Säge, Schreiner.

„Das Luder kann mir gestohlen bleiben! Es gackert wobl, aber es legt nischt!"

enttaukcvl.


Die flüchtige Luise.

Srci nach 0octbc.

CUcr reitet sc eilig durch lischt und Wind?

Cs ist Luise, das Waisenkind.

Hngstbebend ruht sie in Mattachichs .Hrm,

Der lasst sie sicher und hält sie warm.

Sie senkte den Vater ins kühle Grab;

Ihre Schulden sind gross und das Erbe ist knapp;
Sie kränzte weinend den Leichenstein,

Und die Uaughanin steckte die Batzen ein.

Dun kehret zurück sie von Gleopolds Bahr',

Huf den 5ersen folgt ihr die Gläubigerschar.

Die Dächte sind schaurig, die Winde sind kiihl
Und siebzehn Millionen kein Pappenstiel.

„0 eil’ dich, Geliebter, und spute dich sehr.

Schon sind die Gläub'ger dicht hinter uns her!

Ich merk' es, ich ahn' es, die Sache wird krit'sch,
.letzt geht’s an den Kragen uns, TUattachich!"

..„Sei ruhig, bleibe ruhig, mein Kind:

In dürren Blättern säuselt der Wind!““ —

„0 Mattachich, guatsch' nicht! 6s sind ja, ich seh's,
Siinf Juweliere und achtzehn Bankiers!

„Schon ist die Bande ganz dicht an uns dran.

Bald siegeln sie mir meine Koffer an!“ —

....Bleib' ruhig, Luise, wir beide verstehn
Mit derart'gem Lausepack umzugehn!““

ln den Unterrock näht sie Demant und Saphir,
fr birgt an dem Busen das Wertpapier:

Dann geben dem Rosse sie mutig den Sporn,

Und vorwärts gebt es durch Dickicht und Dorn.

Jetzt sprengen die gierigen Gläub'ger herbei.
Weithin erschallt ihr Criumphgeschrei,

Wild fallen sie über die Beute her — —

Doch weh', dreimal wehe: die Koffer sind leer! g. $.

Beim Aulomobilrennen.

„Sagen Sie, lieber Baron, könnte man di
Rennen künftig nicht dadurch interessante
machen, daß man die Tribünen dort errichte
wo die Unglücksfälle stattfinden??"

Übertrumpft.

„Ich Habe den LeuWneerMHlt, dah Ich den Nordpol
enldectt habe."

„Das Ist noch gar nichts! Ich habe meinem Bolt
ei» besseres Wahlrecht versprochen."

Lieber Jacob!

Hallejuja! Entschuldije jietijst, det ick Dir
mit den fronnnen Jodler bejrieße. Aber wir
stehen hier oogenblicklich in't Zeichen von de
Heilsarmee. Wat unsere Stadtverwaltung is,
hat de jottselije Schnorrerkolonne dreidausend
Meter in bar bewilligt, damit dem Volk ooch
fernerhin de Reljon mit Orchesterbejleitung
erhalten bleibt. Ick wollte daher ooch »ich so
sind un hatte mir bereit erklärt, for meine
Olle un for meine sämtlichen Töchter Heils-
kiepen zu koofen; aber die Schwefelbande ivollte
nich 'ran un lehnte mein jutjemeintes Anerbieten
rundweg un in beleidijende Ausdrücke ab. Da-
druff entschloß ick mir, uff 'n „Kriegsruf" zu
abonnieren. Aber ooch det ließ sich zu meinem
Schmerze leider »ich durchfiehren, weil det
Papier ville zu dinne is un mir in sehr pein
liche Nerlejenheil brachte. So mutz ick mir
damit bejniejen, meine innerlichen Jefiehle
durch heifije un kräftije Hallelujarufe Aus-
drucks zu jeden, wodurch ick mir neilich, wie ick
aus de Stamntkneipe zu Hanse jondelte, beinahe
'ne pollezeiliche Verhaftung znjezogen hätte. Ob

ick mir am Ende eijenhändig von de Heils-
armee amverben lasse, weeß ick noch nich; ick
ivill vorleifig abwarten, bis se Kirschner'n,
Cassel'n un Mugdan injekleid't haben.

Jedenfalls hat et mir sehr traurig jestimmt,
det der erwähnte Schuhjeist meine ieberirdi
sche Verzickung partul) nich von ruhestörenden
Lärm unterscheiden konnte, nw unsere Pollezei
doch sonst sonne scharfe Unterscheidungsjabe
besitzen tut. Ick denke dabei an de Freie Jugend -
orjanisation, die se setz uffjeleest hat, weil se
ihr als ’n polliteschen Verein erkannt hat, wäh
rend der Nationale Jugendbund in Potsdam
jänzlich unbehelligt jeblieben is, objleich er
seine Mitglieder noch vorije Woche 'n Vortrag
ieber Weltpollotik jeleistet hat. De Pollezei Hai
ebent jleich befristen, det der Mumpitz un faule
Zauber, den de nationalen Potsdamer betreiben,
for keen Jeld als Polletit anjesehen werde»
darf un deshalb nach det neie liberale Ver
einsjesetz ooch »ich verboten ist.

Im iebrijen leide ick seit Neijahr an 'n starken
Reißmadichtig nebst Husten, Schnupfen un det
dazujeheerije Fieber. Ick habe daher mit jroßen
Interesse von de neiste ajrarische Eosinkuren
in de Zeitung jelesen. Ufs't Reichsjesnndheits
amt haben se doch 'n fieberkrankes Schwein,
det schon mit een .Hinterbeen im Jrabe stand,
mit Eosinjerste ivieder janz jesund jekriegt, so
daß et nach wenije Stunden uffstehen un spa-
zieren sehen konnte. Die Ajrajer sind natier
lich sehr stolz von wejen dieset Resultat un'
singen Jubellieder uff de denaturierte Jerste.
Ick ivollte mir nu jleich 'n paar Fund von det
Wundermittel bezehmen, aber mein Fremd
Edeward hat mir davon abjeraten. Er meente,
wat kor 'n Schwein un for 'n Ajrarjer anje
nehm un zuträglich is, det braucht 'n Mensch
noch lange nich verknusen zu können. Ick will
also noch 'ne Weile warten, ob et nich villeicht
von alleene wieder besser wird.

Womit ick verbleibe mit ville Jrieße Dein
jetreier Jotthilf Rauke,

an'n Jörlitzer Bahnhof, jleich links.
 
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