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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 27.1910

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https://doi.org/10.11588/diglit.6708#0055
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— 6530

Vom Streik der Blusennäherinnen in Newyork.

Der Streik der Blusennäherinnen von Newyork, der erfolgreich durchgesiihrt wurde, war
eiuc der großartigsten Erscheinungen aus dem Gebiete der wirtschaftlichen Kämpfe. Es waren
an ihm nicht weniger als 40000 Arbeiterinnen beteiligt, die, um eine» Druck auf die
öffentliche Meinung auszuüben, gewaltige Straßenumzüge veranstalteten. Unser obiges
Bild zeigt die einem solchen Umzüge voranschreitenden Führerinnen der Bewegung.

-o o o-

Der Segen.

Der Papst sandte der Baronin Uaugban seinen Segen.

Geliebte toebter, empfang' meinen Segen —

Nicht deinet-, nur deines Gatten wegen.

£r wurd’ es zwar erst im letzten Cermin;

Doch sei ihm von der Kirche verzieh»!

kr ist entgleist so manches Wal,

Und etwas bedenklich war seine Moral.

Doch haben wir's mit dem Uerdammen nicht eilig:
Mir sprachen noch ganz andere heilig.

Venn biegsam ist unsre Lehre grad
So wie der Kautschuk vom Kongostaat:

Mär' er ein gewöhnlicher Christ gewesen, -
Mir machte» nicht viel lederlesen.

lloch er war König! kin Macht'ger der krde,

Gin Lenker der frommen Bammelherde,

61» heiliger in dem modernen Pfuhl,

Eine Säule vom apostolischen Stuhl!

kr schützte gut die schwarze Mission
Und schob uns zu so manche Million,

Und so genieren uns nicht am Ende
Die abgeschnittenen negerbände.

Geliebte Lochter, sei fromm wie er
Und wenn es geht, noch etwas mehr,

Dass du einst heftest in frommer Lust

Die Cugendrose an deine Brust! p.£.

Dilemma.

Irgendwo in Preußen tagte eine so recht
erboste Versammlung von lauter königstreuen
Volksschullehrern. Man debattierte staatserhal-
tend, wenn auch leider sehr erregt über:

a. die unzulänglichen Besoldungsverhältnisse,

b. die unterdrückte politische Meinungsfrei-
heit.

Schließlich einigte man sich auf eine ziem-
lich kernige, aber dabei immer noch als durch-
aus loyal zu bezeichnende Resolution, deren
Extrakt in folgender Form an das Kultus-
ministerium telegraphiert wurde:

„Du sollst dem Ochsen, der da drischt, das
Maul nicht verbinden!"

Jin Kultusministerium grübelte man lange
über diesem frommen Bibelspruch. Denn wenn
er einerseits zwar eine gewisse recht schätzbare
Frömmigkeit verriet, so enthielt er anderer-
seits leider eine gewisse sehr bedauerliche Un-
klarheit; ganz abzusehen voir der ferner noch
darin enthaltenen, mit erfreulicher Bescheiden-
heit gepaarten kolossalen Frechheit.

Bevor man also „diesseits" zu den erforder-
lichen Maßregelungen schritt, depeschierte inan
scheinbar wohlwollend zurück:

„Minister erwartet sofortige Drahtantwort,
ob verbundenes Ochsenmaul sich auf Magen-
frage oder auf Quasselfrage bezieht!!" T.

Frevel.

Münster v. Podewils hat tm bayerischen Landtag die
Bedeutung der Sozialdemokratie für die deutsche Sozial-
politik anerkannt.

Lerr Podewils, was hört man da?

Sie loben unsre roten Rotten,

Die niemals, niemals schrien „Lurra",

Die unsern guten Schnaps boykotten?

Schon färbt sich —- wie mit Eosin —

Das ganze weite Deutschland rot.

Da haben Sie noch Sympathien
Für diese Brut? Potz Sapperlot!

Sie loben sie im Bayerland,

Anstatt mit Keulen dreinzuschlagen?

Was wird dazu der Reichsverband
And unser wackrer Liebert sagen?

Für Sozi gibt's nur Gift und Spott,

Den Schutzmann lind die blauen Bohnen.
Na, danken Sie dem lieben Gott,

Daß Sie nicht just in Preußen wohilen!!

Da wär's vorbei mit Stimm' und Sitz
Nach solcher Majestätsverletzung,

Da gab' es ä la Kattowitz
Amgehend eine Strafversetzung.

Nein, merken Sie sich Ihre Pflicht:

Man duckt den Gegner möglichst nieder!

And ob's gerecht ist, fragt man nicht--

Nicht wahr. Sie widerrufen ivieder?? P. E.

Andrea Costa -st

In Andrea Costa, der am lg. Januar In Imola starv,
verliert der internationale Sozialismus eine seiner mar-
kantesten Erscheinungen, die italienische Sozialdemo-
kratie ihren ersten Begründer und Vorkämpfer. Am
30. November 1851 in Imola geboren, schloß er sich
schon als Student der Internationale an, die er in
Italien von 18?« bis 1885 vertrat. Der scharfen Ver-
folgung der jungen Bewegung hatte er es zu danken,
daß er zu jener Zeit abwechselnd im Gefängnis und
in der Verbannung lebte. In London, wo er mit
Marx verkehrte, ging es ihm so schlecht, daß er als
Maurer Arbeit suchen mußte. 1881 wurde er, was
einen gewaltigen Eindruck machte, in Ravenna als
erster sozialistischer Abgeordneter in die Kammer ent-
sendet und auf dem ersten sozialistischen National-
kongreß, der 1884 in Bologna stattfand, wurde er in
das Zentralkomitee der Partei gewählt. In Imola,
seiner Vaterstadt, deren Bürgermeister er auch wurde,
fand er einen treuen Wahlkreis, der ihn stets von neuem
als Vertreter in die Kammer entsandte. Bei dem Mai-
länder Maiausstand von 18.8 befand er sich unter den
Abgeordneten der Partei, die vor ein Kriegsgericht ge-
stellkwurdenlausdieserZeitstammtunser oben wiederge-
gebenes Porträt. In der letzten Legislaturperiode wurde
er zum ersten sozialistischen Vizepräsidenten der italie-
nischenKammer gewählt. Er hat ei» kämpf-und arbeits-
reiches Leben hinter sich und hak sich nie geschont, wo
es das Interesse seiner Partei erheischte. Seiner Per-
sönlichkeit und seinen Verdiensten wird die Internatio-
nale ein ehrendes Andenken bewahren.
 
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