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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 27.1910

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https://doi.org/10.11588/diglit.6708#0186
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6661

Freiligrath, der mit Marx, Engels, Lassalle
und anderen Sozialisten hier zusammentraf
und sich der am Rhein stark gewordenen sozia-
listischen oder kommunistischen Bewegung an-
schloß, trat bald darauf in die Redaktion der
von Marx und Engels geleiteten „Neuen
Rheinischen Zeitung" in Köln ein. Mehrere
seiner schönsten Revolutionsgedichte, bei denen
der Einfluß von Marx ersichtlich ist, erschienen
in diesem Blatte. Als es am 18. Mai 1819
unterdrückt wurde, erschien in der letzten roten
Nummer an der Spitze Freiligraths trotzig-
kühnes „Abschiedswort", welches ankündigte,
daß die „Rebellin" sich wieder erheben werde.

Diese Zugehörigkeit von Freiligrath zur
Sozialdemokratie und besonders zu der -von
Marx und Engels geleiteten Richtung der
Sozialdemokratie sei hier ausdrücklich betont
gegenüber den Versuchen neuerer Literarhisto-
riker, den Dichter von der sozialistischen Be-
wegung loszulösen und ihn in irgend einer ver-
schwommenen „Demokratie" unterzubringen.
Freiligrath war, wie die meisten Dichter, kein
strenger Parteimann; aber das „Kommunistische
Manifest" bildete, wie bei seinen Redaktions-
kollegen, die Grundlage seiner Weltanschauung.
Er hielt indessen seine freundschaftlichen Be-
ziehungen zur bürgerlichen Demokratie auf-
recht, was in der Flüchtlingszeit zu Differenzen
führte. Seinen sozialistischen und demokra-
tischen Anschauungen aber blieb er treu bis
zuletzt, was auch aus seiner Umgebung bezeugt
worden ist.

Nach dem Ende der „Neuen Rheinischen
Zeitung" begab sich Freiligrath nach Bilk bei
Düsseldorf, ivo er seine „Neuesten politischen
und sozialen Gedichte" erscheinen ließ, in denen
einige seiner gewaltigsten Revolutionsgesänge
enthalten sind. Aber nunmehr streckte die Re-
aktion die Krallen nach ihm aus. Erst erhielt
er einen Ausweisungsbefehl, der aber wieder
zurückgenommen wurde. Freiligrath, der wei-
tere Verfolgungen vorhersah, begab sich recht-
zeitig nach England, und in der Tat flog
gleich ein Steckbrief wegen Majestätsbeleidi-
gung hinter ihm her. Diesem folgte bald ein
zweiter wegen Teilnahme an einem „Umsturz-
komplott". Freiligrath figurierte als Ange-
klagter im Kölnischen Kommunistenprozeß von
1852, blieb aber glücklicherweise der Justiz
entrückt. Auf jeden Fall ist damit seine Partei-
stellung genügend gekennzeichnet, über welche
die Herren Literarhistoriker das deutsche Volk
mit allerlei Redensarten zu täuschen suchen.

In London hatte es Freiligrath anfangs
sehr schwer; er mußte erst in einein Geschäft
für geringen Gehalt hart arbeiten. 1857 ver-
mittelte ihm der ungarische Revolutionsgeneral
Klnpka eine Stellung bei der Filiale der
Schweizer Bank in London. Die klangvolle
Harfe des Dichters verstummte bei dem schwe-
ren Kampfe ums Dasein; nur bei besonderen
Gelegenheiten, wie bei Johanna Kinkels Tod,
drangen die alten, mächtigen und ergreifenden
Töne in die Heimat herüber.

1867 ging die Filiale der Schweizer Bank
ein und Freiligrath blickte düster in die Zu-
kunft. Aber nun zeigte es sich, wie tief und
nachhaltig sein herrliches Saitenspiel in die
deutschen Herzen gedrungen war. Alsbald er-
ging der Ausruf, dem Dichter einen sorgen-
freien Lebensabend zu bereiten, und in kurzer
Zeit waren 180000 Mark für ihn beisammen,
ein „Nationaldank" oder besser Volksdank, wie
er keinem anderen Dichter zuteil geworden.
Der dies schreibt, erinnert sich noch der Be-
geisterung, mit der auch arme Leute ihr Scherf-
lein für den innig verehrten Dichter hergaben.

1868 kam Freiligrath nach Deutschland zu-
rück und sprach seinem Volke den Dank für
 
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