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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 27.1910

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https://doi.org/10.11588/diglit.6708#0199
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6674

Oie preußische Wahlrechtsvorlage.

was ihr auch im Lauf der Moncle
Cingerührt und ausgeheckt:
fllles Doktern war vergebens,
Dieses Scheusal ist verreckt,
flu der Pfuscher Kunst verzweifelnd,
Mitleid-, hilf- und hoffnungslos
Oab der eigene Erzeuger
Schließlich ihm den Onadenstoß.

Die man spann, die feinen fäden,
Das Oeschick zerriß sie roh —
Dies erkennt zu feinem Schmerze
Zedlitzens Oktavio;
fllle lunkerschliche hatten
Nur zur folge, daß man itzt
Unverhofft und höchst blamabel
Zwischen zweien Stühlen sitzt.

Das sich sonst vom Unrat mästet,
wie die Raupe in dem Kohl,

Und mit Wonne fischt im trüben —
fluch dem Zentrum ist nicht wohl.
Zwar die tzerde der Getreuen
Nahm schon manches in den Kauf,
flber jetzt ging auch dem frömmsten
Schaf ein Seifensieder auf.

Dheobald, der fromme Kanzler,

Schüttelt ernst sein Denkerhaupt:
ja, ja, ja, es kommt hienieden
flnders oft, als man geglaubt,
während in des Philosophen
Kart die Männerzähre rollt,

Lispelt er mit stiller Wehmut:

„Gott der tzerr hat's io gewollt!"

Denn schon rüsten sich die Masten,
Mächtig gärt's im ganzen Land,
Und das Werk, das ihr verpfuschtet,
Nimmt das Dolk jetzt in die Hand.

Mürrisch, unter Zank und Keifen
Scharrt man den Kadaver ein,
einer gibt die Schuld dem andern,
Keiner will's gewesen sein;

Und ein ahnungsvolles Grausen
packt der Diedermänner Schar,
wenn ste an die Reichstagswahlen
Denken — weh! — im nächsten jahr.

Das mißhandelt und verraten.

Das verhöhnt ihr und genarrt,

Gönnt euch keine Stunde Kühe,
eh' lein gutes Recht ihm ward! sm-iuin.

herbe traf's den Liberalen —
flch, der Schmerz ist nicht gering
Don den Dritten, die von links her
Und von rechts her er empfing:
Doch er läßt es stch nicht merken,
welches Übel ihm geschah.

Und mit sauersüßer Miene
Ruft er laut: Diktoria!

Aus Preußen.

Eine notleidende Majestät bittet um milde Gaben.

Blitzdrahtnachrichten.

— Zum Lohne für den Abschluß seines genialen Ne-
formwertes wurde Bethmann Hollweg mit Übergehung
der Titel Graf, Fürst und Herzog gleich direkt zum
Schützenkönig des Hornberger Schießens ernannt.

— Die königlich preußische Schnecke der organischen
Fortentwicklung hat sich, weil sehr schlechtes Wetter
eingetreten ist, wieder so tief wie möglich in das
Häuschen ihrer gottgewollten Abhängigkeit verkrochen.

— Der Popo einer gewissen Staatsregterung wird jetzt
längere Zeit hindurch der Ruhe pflegen müssen, um sich
von den Anfeindungen zu erholen, die er auf der Suche
nach der sogenannten breiten Mehrheit durchgemacht hat.

— Nach einer Debatte voll großer Gesichtspunkte be-
schloß das preußische Staatsministerium, die Dinge
nicht mehr aus der Vogelperspektive, sondern aus der
Vogelstrauß-Perspektive zu betrachten.

Das finanzüuell.

Hie Rheinbaben! Hie Gwinner — schaklt's
Im herrenhäuslichen Saale:

Die heilige ZinanzKunst trennt
Die Herren mit einem Male.

Ach. ob auch Gwinner am Ruber stand',
Gb Rheinbaben der Zührer, —

Der ZisKus ist Gewinner stets,

Das Volk ist der Verlierer!

Väterlicher Rat.

Glosse.

Kommt der Untertan, mein Sohn,

Unverhofft in Kollision
Jemals mit Gesetz und Recht,

Geht es ihm verteufelt schlecht;
Staatsanwalt und Landgericht
Kenne» keine Gnade nicht. —

Ist man Korpsstudent in Bonn,

Kommt man glimpflicher davon:

Jenen sperrt man in den Kerker,

Dieser zahlt nur wen'ge Märker.

Drum, wenn du ein schlimmer Bruder,
Ruppsack, hundsgemeines Luder,

Raufbold, Lümmel, Lüderjahn,

Dabei jeden Tag im Tran,

Stets von sträflichem Gelüst,

Kurz, ei» wüstes Rüpel bist —

Söhnlein, lasse dich bedeuten
Und salviere dich beizeiten:

Lösch' das Feuer, eh' es brennt —

Werde Bo nn er Korps find ent! Tobias.

Kleines Gespräch des heiligen Theobald

mit seinem politischen Seelsorger Pater Filuzius.

„Meine Bedenken gehen hauptsächlich dahin, Hoch-
würden, daß die Thronrede vom 20. Oktober 1908
doch nun mal die organische Fortentivicklung des
preußischen Wahlrechts feierlich als eine der wich-
tigsten Aufgaben der Gegenwart bezeichnet hat!"

„Ach, wissen Sie, Exzellenz ... das ist eben bloß
wieder so 'ne Wichtigtuerei von dem ehrgeizigen Kerl,
dem Bnlow gewesen!!"

„Aber Hochwürden ... es handelt sich doch immer-
hin um ein verpfändetes Königswort!"

„Um das sogenannte,große' oder um das bewußte
.kleine', Exzellenz?" ,

Verwandlungskünstler.

Der Bund der Landwirte hat vor den kommen-
den Neichstngswahlcn eine höllische Angst. Er schämt
sich bereits seiner Firma und tritt jetzt in verschiede-
nen Gegenden Deutschlands unter anderen! Namen
ans, so zum Beispiel als „Dentschnationale Partei".
Andere Gruppen des Bundes wollen als Skatverein,
Theatergcsellschaft und Eisbcin-G.m.b.H. firmieren.

Auch die Bundesführer haben ihre Namen um-
geändert in der Hoffnung, auf diese Weise vielleicht
inkognito in den Reichstag zu gelangen. Diederich
Hahn nennt sich, wie bereits gemeldet, Christian
Schulze, Or. Roesicke tritt als Kaspar Suppengrün
auf, während Dr. Oertel sich für Balthasar Lämmer-
schwanz entschieden hat. Das sind allerdings un-
verfängliche Namen, die einen guten Klang haben.

Ein katholisches Gewerkschaftsblatt gab kürzlich
den Arbeitern den Rat, wenn sie von der Arbeit
„niedergedrückt" seien, sich mit ihrem Seelcnhirten
auszusprechen, anstatt mit ihren Arbeitskollegen.

Wenn die Arbeiter diesen Rat befolgen, so wird
es ihnen gehen wie dem armen Teufel, der sich von
dem Rentier Mudicke etwas pumpen wollte. Dieser
erklärte ihm: „Wenn et Ihnen schlecht jetzt, denn
kommen Se zu mich un klagen mich Ihr Leid, dann
weene ick mit Ihnen; aber pumpen dhu ick prin-
zipiell nischt." —.—

Konsequent.

„Feuerbestattung? stier bei uns??

Vas muss man unbedingt verbieten.
Uerlangt’s auch stürmisch Rinz und Kunz“ —
Rief sterr von Koller und von Ziethen.

„km janzen Leben hat der Christ
Zn sagen nischt auf Preussens Erden,

Und bloss, weil er jestorben ist,

Sollt' daran was jeandert werden??“

Cf fiormnm promt

„Habt Ihr die Dachluke vermietet zu dreißig Mark
die Nacht?"

„Ja, Herr."

„Habt Ihr die Butter mit Margarine vermischt?"
„Ja, Herr."

„Habt Ihr die Katze als Hasenbraten zubereitet?"
„Ja, Herr."

„Na, dann kommt zum Gebet!"
 
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