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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 27.1910

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https://doi.org/10.11588/diglit.6708#0317
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Tag zum Kongreßlokal und fand eine Inschrift,
wo mich mit dazu gemalter Hand nach die
zweite Etasche in die „Restauratschon" hinleiten
tut. Drei Kellners bemühten sich da um vier
Gäste, wo ich der.fünfte dazu war, aber nichts
nich bekam, weil das Ol ausgegangen war,
denn so heißt hier das Bier. Die werte Redak-
schon kann sich vorstellen, daß ich schleunigst
den Staub von meine Trittlinge schüttelte und
wieder zu ebener Erde hinunterkrabbelte mit
Durst und Schwermut. Dieses erregte das
Mitleid eines Engelschen, wo mich fragte, ob
ich „thirsty“ sei als „seafering man“, als
welcher er mich gleich rekonoschiert hatte, und
ich bejahte. In die Havengade zeigte er mich
ein paßliches Lokal mit Whisky und so, und
wir lösten verschiedene internatschonale Fragen,
wobei ich die Bezahlung übernahm, was die
Engelschen die „bloody Germans“ immer gern
überlassen tun, indem sie in diese Hinsicht
keinen Rassenhaß nich kennen. Somit schloß
ich enge internatschonale Freundschaft mit
diesem Engelschen und als noch 'n baumlanger
Normann dazu kam, begründeten wir ein Nord-
seeabkommen beim Toddy, was ein seines Ge-
tränk, aber viel zu schwer für die werte Ne-
dakschon ist.

Dahingegen kann ich das „Sodawand" sehr
empfehlen, wo ich am dritten Tag genossen
habe in Gesellschaft eines Danske mit ein
blaues Kreuz, der mir sehr liebreich zugesprochen
hat. Denn man muß es auch einmal mit die
Abstinenz versuchen.

Jedoch indem ich bald wieder einen Akvavit-
rückfall hatte, geriet ich in die Schlingen einer
Sirene von über sechzig Jahr, wo allerdings
keine unrespektablen Absichten hatte, sondern
mir nur agitatorisch näher treten wollte in
Hamborger Angelegenheiten, worüber ich mir
aber nich weiter aussprechen will aus Diskret-
schon und so. Nach überstandener Anhörung
dieser Persönlichkeit mußte ich wieder einen
Akvavit genießen, was die Redakschon selbst-
verständlich finden täte bei näherer Bekannt-
schaft mit diese holde Weiblichkeit und ihrem
Zungenschlag. Leider bin ich mit sie photo-
graphiert worden, ganz meuchlings, was hier
die Reporters und Mitarbeiters von die Blätter
jümmers tun bei „charakteristischen Zähnen",
wie mich meine Landsmännin sagt, wo nichts
nich dagegen hat, bildlich berühmt zu werden,
ich aber anders gesinnt bin; das hilft aber
auch nichts in Kopenhagen, wo sie alles für
die Zeitungen abnehmen.

Somit floh ich in die Einsamkeit und ging
meine eigene Wege bis zum Sonnabend, wo
ich endlich ins Kongreßlokal richtig hineinkam
mit einigen Schwierigkeiten und Hilfe von
einem Danske, wo mich fährlich als Seekory-
phäe betrachtete und ich ihn bei diesem Glauben
ließ. Und so habe ich doch noch den Kongreß
gesehen und die Sprachen gehört und das
Singen und besonders die Engelschen, wo die
Melodie haben: „O Tannenbaum", als ob
liebsterwelt Weihnachten sei im September.

Jedoch ins Rathaus bin ich nich gekommen
wegen Mangel an Legitimatschon, sondern
habe mich diesen Abend noch mit vergleichende
Getränkestudien beschäftigt, was in mein Fach
schlagen tut und auch sonst sehr belehrend ist.

Indem ich glaube, der werten Redakschon
alleus berichtet zu haben, was man von einem
echten Kongreßbummler erwarten kann, und
indem ich mir im Voraus für Wien als Spe-
schalberichterstatter mit Legitimatschon zun,
Essen und Trinken empfehle, grüßt mit echt
skandinavischem Farwell

Claus Swartmuul,
geivesener Kongreßbummler.

Dänischer Sozialistenmarsch.

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Uns bin-det die Lie - be, uns bin-det die

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Wir fordern für alle die Gleichheit im Recht,
Ob sie auch von Lüge bedroht;

Wir wollen nicht dienen als sklavischer Knecht,
Und schwören der Lüge den Tod.

Ans bindet die Liebe, uns bindet die Not,

Zu kämpfen für Freiheit und Brot.

Voran denn, ihr Brüder, zum heiligen Streit,
Ihr Männer der Arbeit, gebt acht:

Uns führe die Liebe, die Brüderlichkeit,

Zu brechen tyrannische Macht!

:,: Ans bindet die Liebe, uns bindet die Not,

Zu kämpfen für Freiheit und Brot.:,:

Wir sprengen die Ketten der Lohnsklaverei
Die Labsucht und Wucher uns schuf.

Zum Kampfe, ihr Brüder, die Arbeit macht frei!
Zum Kampfplatz! ertöne der Ruf.

:,: Aus bindet die Liebe, uns bindet die Not,

Zu kämpfen für Freiheit und Brot.:,:

itierantivortltch für die Nedattion A. Heymann t» Stuttgart. — Perlag uns Druck von Paul Singer in Stuttgart, Furtbachstratze m.
 
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