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Hand riß, betrauerte die Sozialdemokratie aller Länder in ihm den
treuesten, mit dem umfassendsten Wissen ausgerüsteten und dabei in
anspruchslosester Weise sich gebenden Ratgeber, der je gelebt.
Man muß nicht glauben, daß Friedrich Engels, weil er aus wohl-
habender Familie war, nun sein ganzes Leben hindurch in sorglosem
Wohlstand gelebt hätte. Üppig hat er es in jungen Jahren nur ganz
ausnahmsweise gehabt. Dagegen gab es eine Zeit, wo er für sein
Leben ganz und gar auf sich selbst angewiesen war, und lange Jahre
hat er zwar im Geschäft, an dem sein Vater beteiligt war, eine An-
stellung gehabt, dort aber gegen ein durchaus nicht sonderlich reiches
Gehalt sehr tüchtig schaffen müssen. In dieser Zeit nun war es, wo
Marx die eingangs zitierten Worte an Weydemeyer schrieb. Es ist
fast unglaublich, was Engels damals quantitativ und qualitativ
leistete. Während er im Geschäft sich so gut bewährte, daß sein Vater,
so sehr er ihm ob der politischen Mißratenheit bitter grollte, ihm doch
die Anerkennung tüchtiger Leistung nicht versagen konnte, sehen wir
ihn in seinen Feierstunden noch literarisch und für seine Ausbildung
in Sprachen, Kriegswissenschaften, Geschichte arbeiten. Und wenn
man dazu aus seinem Briefwechsel erfährt, wie er alles das fertig
brachte, ohne deshalb als Stubenhocker zu leben, dann kann man nicht
fasser des Vorworts nicht oder nur unbestimmt wußten, ist, daß
schon diese militärischen Artikel aus Engels' Feder zur Zeit, wo sie
erschienen, das größte Aufsehen erregten. Die Darstellung und Kritik
der Vorgänge auf dem Kriegsschauplatz wurden weit und breit nach-
gedruckt, und die allgemeine Auffassung war, daß die „New Jork Tri-
büne" in Europa einen höheren Offizier zum Mitarbeiter haben niüsse.
Bei einem gelernten Kaufmann, der in Manchester die Korrespondenz
einer großen Baumwollenfabrik führte, hätte niemand die große mili-
tärische Sachkenntnis gesucht, die aus den Artikeln sprach.
Wie hatte Engels aber auch auf diesem Gebiet gearbeitet! Von
der Pseudo-Genmlität, die sich auf die Erwerbung der nötigsten all-
gemeinen Kenntnisse beschränkt und das übrige von der Eingebung
des Moments erwartet, hielt er ganz und gar nichts. „Das Auto-
didaktenwesen", heißt es in seinem Brief vom 19. Juni 1851 an Joseph
Weydemeyer, „ist überall Unsinn. Wenn man das Ding nicht syste-
matisch betreibt, bringt inan es zu nichts Ordentlichem." Er ivollte
daher „zunächst" vermittels „Durchochsen" der besseren Werke der
einschlägigen Fachliteratur sich alle die Kenntnisse aneignen, die das
Mittelglied zwischen dem bilden, was er als einjähriger Soldat bei
der Artillerie erlernt, und was er 1849 als Adjutant im badischen
Engels Geburtshaus in Barmen.
anders, als das „arbeitsfähig zu jeder Stunde des Tages und der
Nacht" als buchstäbliche Wahrheit zu begreifen.
In der Hauptsache hatte Engels damals bei seinen Arbeiten fast
nur Zwecke der sozialistischen Bewegung im Auge. Er wollte sich
für die kommende Revolution, die von ihm als nicht fern gedacht
ward, geistig ausrüsten, er wollte das Seinige tun, ihr die Blätter
zu erhalte», die hier und dort noch existierten, und er wollte vor allein
dem Freund und von ihm als ersten Kopf der Bewegung erkannten
und verehrten Karl Marx in dessen Kampf mit den Nöten des Da-
seins helfend zur Seite stehen. Zu diesem Behufs wurde er in viel
höherem Grade, als man es bisher gewußt hat, Marx' Mitarbeiter.
Er half dem Freund in doppelter Weise. Er stieß Mittel für ihn
ab, wo er nur konnte, und er nahin ihm daneben auch einen Teil
der Arbeiten für den Erwerb ab — letzteres auch deshalb, damit der
Freund soviel als möglich die Hände für wissenschaftliches Forschen
und Arbeiten frei behielt.
Von der literarischen Hilfe, die Engels auf diese Weise Marx
leistete, ist bereits früher schon der militär-technischen Beiträge zu den
Briefen Marx' an die „New Dort Tribüne" gedacht worden. In ihrem
Vorwort zu der Sammlung von Marxschen Briefen über den Krim-
krieg, die 1897 in London unter dem Titel „The Eastern Question
by Karl Marx“ herauskam, schrieben Eleanor Marx und Ed. Aveling,
sie hätten in die Ausgabe auch eine Anzahl militärischer Aufsätze der
„Tribüne" hineingenoinmen, die sich ganz direkt auf den Krieg bezogen,
und setzten hinzu: „Die meisten dieser Artikel, wenn nicht alle, sind
entweder von Engels verfaßt oder aus Briefen entstanden, die er an
Marx geschrieben." Das ist, soweit diese eine Seite der literarischen
Mitarbeit Engels' in Betracht kam, auch richtig. Was aber die Ver-
Feldzug praktisch in bezug auf Kampagnen mit durchgemacht und
beobachtet hatte.
Aus weiteren Briefen an Weydemeyer und aus seinen Briefen
an Marx ersieht man, wie Engels sodann immer neue Zweige dieses
Wissensgebietes vornahm, zu den grundlegenden Werken der Theorie
des Krieges überging, die großen Kriege an der Hand ihrer Darstellung
aus den kompetentesten Federn studierte, kurz, nichts unterließ, was
dazu gehörte, einen Gegenstand wissenschaftlich von Grund aus in
all seinen Verzweigungen zu erforschen, damit er, so drückte er es im
Briefe an Weydemeyer bescheiden aus, „theoretisch einigermaßen mit-
sprechen kann, ohne mich zu sehr zu blamieren".
Dies und mehr hat er denn auch erreicht. Nicht nur während des
Krimkrieges hat er über die Bewegungen der Heere und die Aus-
sichten der Streitenden kritische Aufsätze in der Tagespresse veröffent-
licht, und nicht nur in bezug auf ihn haben seine Aufsätze in Fach
kreisen Beachtung gefunden. Über den 1866er Krieg zwischen Preußen
und Österreich hat er am Vorabend und während des Krieges dem
„Manchester Guardian" Artikel zur Verfügung gestellt, welche die
Redaktion dieses Blattes, das angesehenste Provinzblatt Englands,
nur zu gern zum Abdruck brachte. Ähnlich veröffentlichte er 1870 Auf
sätze über ben Deutsch-Französischen Krieg in der damals noch in ent-
schieden liberalem Sinne redigierten „Pall Mall Gazette" und führte
dort schon am 25. August aus, daß bei Seoan die entscheidende Schlacht
werde geschlagen werden, was dann acht Tage später auch wirklich
zutraf. In deutscher Sprache hat er militärische Fragen 1859 während
des italienischen Krieges in den zivei Broschüren „Po und Rhein" und
„Savoyen, Nizza und der Rhein", 1865, nach dem Dänischen Krieg,
in der Broschüre „Die preußische Militärfrage", 1877 in den Kapiteln
Hand riß, betrauerte die Sozialdemokratie aller Länder in ihm den
treuesten, mit dem umfassendsten Wissen ausgerüsteten und dabei in
anspruchslosester Weise sich gebenden Ratgeber, der je gelebt.
Man muß nicht glauben, daß Friedrich Engels, weil er aus wohl-
habender Familie war, nun sein ganzes Leben hindurch in sorglosem
Wohlstand gelebt hätte. Üppig hat er es in jungen Jahren nur ganz
ausnahmsweise gehabt. Dagegen gab es eine Zeit, wo er für sein
Leben ganz und gar auf sich selbst angewiesen war, und lange Jahre
hat er zwar im Geschäft, an dem sein Vater beteiligt war, eine An-
stellung gehabt, dort aber gegen ein durchaus nicht sonderlich reiches
Gehalt sehr tüchtig schaffen müssen. In dieser Zeit nun war es, wo
Marx die eingangs zitierten Worte an Weydemeyer schrieb. Es ist
fast unglaublich, was Engels damals quantitativ und qualitativ
leistete. Während er im Geschäft sich so gut bewährte, daß sein Vater,
so sehr er ihm ob der politischen Mißratenheit bitter grollte, ihm doch
die Anerkennung tüchtiger Leistung nicht versagen konnte, sehen wir
ihn in seinen Feierstunden noch literarisch und für seine Ausbildung
in Sprachen, Kriegswissenschaften, Geschichte arbeiten. Und wenn
man dazu aus seinem Briefwechsel erfährt, wie er alles das fertig
brachte, ohne deshalb als Stubenhocker zu leben, dann kann man nicht
fasser des Vorworts nicht oder nur unbestimmt wußten, ist, daß
schon diese militärischen Artikel aus Engels' Feder zur Zeit, wo sie
erschienen, das größte Aufsehen erregten. Die Darstellung und Kritik
der Vorgänge auf dem Kriegsschauplatz wurden weit und breit nach-
gedruckt, und die allgemeine Auffassung war, daß die „New Jork Tri-
büne" in Europa einen höheren Offizier zum Mitarbeiter haben niüsse.
Bei einem gelernten Kaufmann, der in Manchester die Korrespondenz
einer großen Baumwollenfabrik führte, hätte niemand die große mili-
tärische Sachkenntnis gesucht, die aus den Artikeln sprach.
Wie hatte Engels aber auch auf diesem Gebiet gearbeitet! Von
der Pseudo-Genmlität, die sich auf die Erwerbung der nötigsten all-
gemeinen Kenntnisse beschränkt und das übrige von der Eingebung
des Moments erwartet, hielt er ganz und gar nichts. „Das Auto-
didaktenwesen", heißt es in seinem Brief vom 19. Juni 1851 an Joseph
Weydemeyer, „ist überall Unsinn. Wenn man das Ding nicht syste-
matisch betreibt, bringt inan es zu nichts Ordentlichem." Er ivollte
daher „zunächst" vermittels „Durchochsen" der besseren Werke der
einschlägigen Fachliteratur sich alle die Kenntnisse aneignen, die das
Mittelglied zwischen dem bilden, was er als einjähriger Soldat bei
der Artillerie erlernt, und was er 1849 als Adjutant im badischen
Engels Geburtshaus in Barmen.
anders, als das „arbeitsfähig zu jeder Stunde des Tages und der
Nacht" als buchstäbliche Wahrheit zu begreifen.
In der Hauptsache hatte Engels damals bei seinen Arbeiten fast
nur Zwecke der sozialistischen Bewegung im Auge. Er wollte sich
für die kommende Revolution, die von ihm als nicht fern gedacht
ward, geistig ausrüsten, er wollte das Seinige tun, ihr die Blätter
zu erhalte», die hier und dort noch existierten, und er wollte vor allein
dem Freund und von ihm als ersten Kopf der Bewegung erkannten
und verehrten Karl Marx in dessen Kampf mit den Nöten des Da-
seins helfend zur Seite stehen. Zu diesem Behufs wurde er in viel
höherem Grade, als man es bisher gewußt hat, Marx' Mitarbeiter.
Er half dem Freund in doppelter Weise. Er stieß Mittel für ihn
ab, wo er nur konnte, und er nahin ihm daneben auch einen Teil
der Arbeiten für den Erwerb ab — letzteres auch deshalb, damit der
Freund soviel als möglich die Hände für wissenschaftliches Forschen
und Arbeiten frei behielt.
Von der literarischen Hilfe, die Engels auf diese Weise Marx
leistete, ist bereits früher schon der militär-technischen Beiträge zu den
Briefen Marx' an die „New Dort Tribüne" gedacht worden. In ihrem
Vorwort zu der Sammlung von Marxschen Briefen über den Krim-
krieg, die 1897 in London unter dem Titel „The Eastern Question
by Karl Marx“ herauskam, schrieben Eleanor Marx und Ed. Aveling,
sie hätten in die Ausgabe auch eine Anzahl militärischer Aufsätze der
„Tribüne" hineingenoinmen, die sich ganz direkt auf den Krieg bezogen,
und setzten hinzu: „Die meisten dieser Artikel, wenn nicht alle, sind
entweder von Engels verfaßt oder aus Briefen entstanden, die er an
Marx geschrieben." Das ist, soweit diese eine Seite der literarischen
Mitarbeit Engels' in Betracht kam, auch richtig. Was aber die Ver-
Feldzug praktisch in bezug auf Kampagnen mit durchgemacht und
beobachtet hatte.
Aus weiteren Briefen an Weydemeyer und aus seinen Briefen
an Marx ersieht man, wie Engels sodann immer neue Zweige dieses
Wissensgebietes vornahm, zu den grundlegenden Werken der Theorie
des Krieges überging, die großen Kriege an der Hand ihrer Darstellung
aus den kompetentesten Federn studierte, kurz, nichts unterließ, was
dazu gehörte, einen Gegenstand wissenschaftlich von Grund aus in
all seinen Verzweigungen zu erforschen, damit er, so drückte er es im
Briefe an Weydemeyer bescheiden aus, „theoretisch einigermaßen mit-
sprechen kann, ohne mich zu sehr zu blamieren".
Dies und mehr hat er denn auch erreicht. Nicht nur während des
Krimkrieges hat er über die Bewegungen der Heere und die Aus-
sichten der Streitenden kritische Aufsätze in der Tagespresse veröffent-
licht, und nicht nur in bezug auf ihn haben seine Aufsätze in Fach
kreisen Beachtung gefunden. Über den 1866er Krieg zwischen Preußen
und Österreich hat er am Vorabend und während des Krieges dem
„Manchester Guardian" Artikel zur Verfügung gestellt, welche die
Redaktion dieses Blattes, das angesehenste Provinzblatt Englands,
nur zu gern zum Abdruck brachte. Ähnlich veröffentlichte er 1870 Auf
sätze über ben Deutsch-Französischen Krieg in der damals noch in ent-
schieden liberalem Sinne redigierten „Pall Mall Gazette" und führte
dort schon am 25. August aus, daß bei Seoan die entscheidende Schlacht
werde geschlagen werden, was dann acht Tage später auch wirklich
zutraf. In deutscher Sprache hat er militärische Fragen 1859 während
des italienischen Krieges in den zivei Broschüren „Po und Rhein" und
„Savoyen, Nizza und der Rhein", 1865, nach dem Dänischen Krieg,
in der Broschüre „Die preußische Militärfrage", 1877 in den Kapiteln