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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 27.1910

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https://doi.org/10.11588/diglit.6708#0404
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6871

Sein -Vaterunser-.

Zeichnung
8t. 8

von

äolf.

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■=j| | Wenn täglich ich in Schweiß und Dunst

. Muß mühsam mich bewegen,

V }\ Denk' ich: hält' einen bessern Zweck

Und allerlei Gedanken sich
®^ll,er nuf das Hirn mir legen:

'r<5äS£^. Könnt' ich die edle Junkerschaft

Doch endlich mal absägen!

Zwar ich allein, ich kann es nicht,

M Doch einmal bringt's zuwege

Das Volk, ivenn es erwacht und nimmt
■3uv ®nnb bie 9VD&e ®“se-

Die Verteidiger von Thron und Mtar haben sich von jeher in der
Weise ergänzt, daß immer einer Schiniere gestanden hat.

Das gediegenste himmlische Instrument ist und bleibt ein gefüllter
Geldsack.

Ganz aufgeregt sich der Philister eriveist,

Dieweil der Kronprinz nach Asien reist;

Beruhigt euch nur, denn ihr werdet sehn.

Daß all die Gebirge dort bleiben stehn;

Und daß auch das Wasser, ganz ohne Wunder,

Dort immer noch läuft den Berg hinunter.

Zur Linderung der Fleischnot tut Fleisch not.

,...und erlöse uns von dem Aebel!"

Preußisches Wahlrecht heißt, daß der Staatsbürger sich wählen darf,
ob er mit Fäusten, Säbel, Revolver oder Gummiknüppel bearbeitet
sein will. Ihr getreuer Säge, Schreiner.

Kirschner.

„Es heißt ja schon i» der Bibel im ersten Buch Mose,
daß nicht aufhören wird Sonnner und Winter, Frost und
Kitze usw. Wen» schon Gott solche Einrichtungen ge-
schaffen bat, dann können wir Menschen nichts dagegen
machen" — sagte der Berliner OberbürgermeisierKirsch»
ner zu den städtischen Parkarbeitern, die ihn baten, sie
für den Winter nicht aufs Pflaster zu werfen.

Ein donuernd Vivat unserm Kirschner,
Der Weisheit nie erschöpftem Born,

Dem wahrhaft liberalen Manne,

Dem Kerl von richt'gein Schrot und Kor»!
Der taktvoll fand am rechten Orte
Das rechte Wort zur rechten Zeit
Und aus der Klemme sich befreite
Durch seine Bibelfestigkeit!

„Proleten!" also sprach er huldvoll,

„Seid guten Muts und murret nicht!

Gott selber, der allgüt'ge Vater,

Lat's so gewollt und eingericht't:

Wer sich im Sommer satt gefressen.

Der darbe, wenn es friert und schneit,
Und wer im Winter Nahrung hatte.

Der hungere zur Sommerszeit!

In des Allmächt'gen Weltenpläne
Zu greifen mit vermess'ner Land,

Dazu ist auch ein Bürgermeister,

Selbst ein Berliner, nicht imstand.

Drum kehret heim in eure Lütten,

Ihr wißt nun, wie die Sache steht.

And schnürt getrost den Riemen fester
And stärkt die Seele im Gebet!"

Mit solchen Worten tat der Brave
Als wahrhaft frommer Christ sich kund
And stopft' dem Troß der Lungerleider
Mit einem Bibelspruch den Mund,
Beschwichtigt gratis, ohne Kosten,

All' ihre Sorgen und ihr Weh
And packt dann eilig seine Akten,

Denn es war Zeit zum Dejeuner.

Ja, Winterfrost und Sommerhitze,

Sie geh'» und kommen Jahr für Jahr,

Doch unser Oberbürgermeister
Ist Gott sei Dank unwandelbar!

Die Flut, die seinem Weisheitsborne
In stolzem Redestrom entrann.

Wie lustig treibt sie uns're Mühlen!

Lab' Dank dafür, du edler Man»!

__ Lehmann.

Militärische Genauigkeit.

„Kerls!! Auf Befehl Seiner Majestät des Kaisers
sollt ihr alle non jetzt ab täglich ein Vaterunser
beten!" So hatten sämtliche Leutnants des Grcnadier-
regiinents König Peter frühmorgens beim Unter-
richt verkündet.

Schon abends um 6 aber kam folgender ergänzen-
der Regimentsbefehl heraus: „Im Interesse der Auf-
rechterhaltung der Disziplin vor dem lieben Gott wird
angeordnet, daß die Bitte „Unser täglich Brot gieb
uns heute!" nur an den Tagen, wo Brotempfang
stattfindet, in das Gebet mit aufzunehmen ist!" T.

Lieber Jacob!

Neilich hat bet Scheffenjericht ’neit ver-
krüppelten Straßenhändler verurteilt, weil er
sich mit seine Wachsstreichhelzer längere Zeit
an de Ecke Friedrich- un Behrenstraße uff-
jehalten hatte un dem Befehl des Schutzmanns,
det er sich in schleunijet Tempo fortbewejen
solle, »ich flichtschuldigst nachjekommen war.
De Entschuldijung des Mannes, det er nich so
schnell vorwärts könne, weil er keene Beene
nich habe, ivurde von't Gericht natierlich als
faule Ausrede abjelehnt. So wat jibt's bei
uns nich! Wer keene Wohnung nich hat, wird
bestraft, un wer keene Beene nich hat, wird
ooch bestraft. Wir leben nämlich hier in ’n
jeordnetes Staatswesen, verstehste. Außerdem,
wenn eener sich nich vorwärts bewejen kann,
denn muß er sich ebent rickwärts bewejen —
det is die Jangart, mit die man in Preußen
noch immer am schnellsten zum Ziele kommt.

Nikolaus mit de volle Hose, der uns in
Potsdam mit seinen Besuch beehrt hat, is

bald wieder — in des Wortes eijentlichste Be-
deitung — verduftet. Et muß ihn hier ivoll
nich jefalle» haben, un ick kann ihn det am
Ende ooch nich verdenken. Allens, wat sonst
sonne allerheechste Spritztouren nach Berlin
dem feinsten Reiz verleihen tut, fiel diesmal
aus. Keene eenzige Rede wurde nich jehalten,
un et soll ieberhaupt sehr ernsthaft zujejangen
sind. Daher haben denn ooch alle Beteiligten
dein Abschiedsschmerz recht jut ieberstanden,
un et soll sojar unter de Potsdamer manche
jejeben haben, die froh waren, wie der teire
Ehrenjast ivieder seinen Koffert packte. Nich
bloß de Reinmachefrauen, die in de Festdage
'n sehr anstrengenden Dienst hatten, sondern
ooch de Pollezeiorjane haben erleichtert uff-
jeatmet. Det Berjniejen muß se woll ville
Schivitz jekostet haben, denn Nikolausen zu be-
wachen is keen Kinderspiel nich. Dazu reichten
die Schutzjeister von Jroß-Berlin nich ans.
Et mußten noch pollezeiliche Hilfsmannschaften
aus de Provinz zujezogen werden. Nachdem
inan in de maßjebenden Kreise lange ieberlegt
hatte, wo woll de jeeijnetsten Kräfte for diesem
Zweck zu finden wären, entschloß man sich,
'n starkes Uffjebot von Schandarmen aus Posen
kommen zu lassen, die dort seit 'n paar Wochen
beschäftigt jewesen waren, den von de Maul-
un Klauenseiche bedrohten Ochsen ihren obrig-
keitlichen Schutz anjedeihen zu lasse». Se sollen
sich ooch in Potsdam jut bewährt haben, un
et is nischt vorjekommen. Wat inzwischen aus
det Posener Rindvieh jeworden is, kann ick
nich sagen. Ick bin aber sicher, det et det Opfer
ferne jebracht hat, denn wat ’n richtijer ost-
elbischer Ochse is, der setzt jerne sein Leben
uff't Spiel un riskiert jede Maul- un Klauen-
seiche, wenn er weeß, det er an allerheechste
Stelle damit kann jefällig un nitzlich sind.

Womit ick verbleibe mit ville Jrieße Dein
jetreier Jotthilf Rauke,

an'» Jörlitzer Bahnhof, jleich links.
 
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