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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 27.1910

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https://doi.org/10.11588/diglit.6708#0408
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6875

Wer diese beiden Bilder sieht, kann der noch
einen Moment zögern, sür welche Form des
Daseins er sich entscheiden soll? Er wird so-
zusagen mit fliegenden Fahnen ins Lager der
konservativen Weltanschauung einrücken.

Sollte aber trotzdem noch jemand in ver-
bissenem Unverstand bei der proletarischen
Daseinsauffassung beharren, nun, so führe man
ihmnoch folgenden Gegensatz linematographisch
vor Augen:

Erstes Bild die Galatafel in der Jaspis-
galerie im kaiserlichen Neuen Palais. Am
Mitteltisch der Zar, neben ihm die Kaiserin;
gegenüber der Kaiser, daneben Prinzen und
Prinzessinnen, Minister, Gesandte und Gene-
rale mit ihren Dame». Die Herren in glänzen-
den Uniformen, reich mit Ordensbändern und
edelsteinbesetzten Sternen geziert. Die Damen
in herrlichsten Seiden- und Samttoiletten, im
Haar, auf dem tiefvekolettierten Busen, an den
nackten Armen leuchten und blitzen Perlen und
Diamanten, Rubine, Türkise und Smaragde
im Werte von vielen Hunderttausenden. Diener
in kostbaren Livreen gehen ab und zu, reichen
köstliche Leckerbissen und edelste Getränke. Man
ißt und trinkt, lacht und scherzt. Die Tafelmusik
spielt. Alles schwelgt und schwimmt in Reich-
tum, Glanz und Lebensgenuß.

Das entgegengesetzte Bild sei ein Proletarier-
heim. Eine müde, kranke, abgehärmte Frau
steht am Ofen der armseligen Stube, in der
gewohnt, geschlafen und gekocht wird. Sie be-
reitet eine Schüssel Pellkartoffeln, die sie auf
den Tisch setzt, als einzige Speise zum Abend-
essen. Um den Tisch fünf zerlumpte, schwächliche
Kinder und ein abgearbeiteter müder Mann. Sie
stopfen die Kartoffeln mit etwas Salz in die
hungrigen Mäuler und gießen eine dünne
bräunliche Brühe hintennach. In einer Bettecke
liegt ein Säugling, ein in Lumpen gewickeltes
Häufchen Unglück. Die Frau füllt eine Flasche
mit Kaffeebrühe, tut einen Fingeryur Milch
hinein, steckt einen Lutscher drauf und schiebt
sie dein schreienden Würmchen in den Mund.

So! — Wer dann noch nicht iveiß, welches
die schönere, beglückender« Weltanschauung ist,
dem ist nicht zu helfen. Es gibt ja verhärtete
Gemüter, verknöcherte Gehirne, die sich nicht
belehren lassen wollen. Die mögen dann sehen
ivo sie bleiben. Die große Mehrheit aber wird
sich — dessen sind wir sicher — für die kon-
servative Lebensauffassung entscheiden. D

Lm guter Kerl.

Zeichnung von
E. Schilling.

„Warum haben Sie der schönen Ella so plötzlich den
Laufpaß.gegeben?"

„Wurde mir zu langweilig. Sie ist aber versorgt —
ich hab' sie mit meinem Alten bekannt gemacht."

Zeichnung von O. Delling.

Am den Potsdamer f efttagen.

„Was sind denn das für Strolche unter dem vornehmen Publikum?"

„Um Gottes willen, nicht so laut! Das sind ja die Geheimpolizisten, die zum Schutze des Zaren
hierher beordert sind."

-—O—-.-

Die Wege des Bösen. Der Inserent.

Wie der ultramontane „Bayerische Kurier"
meldet, fand jüngst ein Bauer, der an ein
königliches Proviantamt Hafer geliefert hatte,
die zurückerhalteneu Säcke mit sozialdemo-
kratischen Schriften angefüllt.

Mit Recht tadelt das Zentrumsblatt die
Gewissenlosigkeit der roten Rotte, der jedes
Mittel recht ist, um „an die Leute heran-
zukommen". Aber leider weiß der „Bayerische
Kurier" noch lange nicht alles. Nicht nur durch
Hafersäcke wird das fressende Gift des Um-
sturzes in die einfältigen Herzen der ultra-
montanen Landbewohner hineinbugsiert, son-
dern auch noch auf tausend anderen dunkeln
Wegen, deren die satanische Phantasie der
Sozi täglich immer neue zu finden weiß.

Ahnungslos — so wird uns aus Zentrums-
kreisen berichtet — langt die Hand des recht-
gläubigen Landmanns zum Klosettpapier, um
mit jähem Schrecken zu bemerken, daß sie statt
des gewohnten und liebgewordenen „Bayeri-
schen Kurier" eine Nummer der „Münchener
Post" ergriffen hat, die von den Sendboten
der roten Revolution an diesen neutralen Ort
eingeschmuggelt ivorden ist!

Auf eine ganz besonders teuflische Art aber
wurde neulich ein verruchtes Attentat auf den
wegen seiner Streuggläubigkeit und ultra-
montanen Sittenreinheit allgemein verehrten
Pfarrer Schautenmayr in Oberdusselfingen
ausgeübt.'Als Hochwürden sich abends in ge-
wohnter Weise zur Ruhe begeben wollte, fand
cr — die Feder sträubt sich, es niederzu-
schreiben — mehrere Exemplare der berüch-
tigten Pfaffennummer des „Wahren Jacob",
die ein infamer roter Halunke unter der Bett-
decke der Pfarrersköchin versteckt hotte! In
der ihm eigenen christlichen Milde hat der geist-
liche Herr bisher davon Abstand genommen,
dieses empörende Vorkommnis an die Öffent-
lichkeit zu bringen und so die düsteren Machen-
schaften der Sozialdemokraten endlich einmal
der ihnen gebührenden allgemeinen Verachtung
preiszngebcn. Vnidui».

Wenn wo in heimlichen Verstecken
Was Unmoralisches geschah.

Sogleich ist, dieses aufzudecken.

Die bürgerliche Preffe da;

Kein Frevler kann vor ihr sich retten,
Sie folgt den Pfaden des Bankiers,

Sie leuchtet in die Ehebetten
Und in die Chambres separöes.

Ach, wer ermißt die Seelengualen:

Was heute man gesündigt hat.

Liest morgen schon die Frau Gemahlin
Beim Frnhkaffee im Zeitungsblatt;
Frohlockend hören's die Kollegen,

Des Konkurrenten Weizen blüht.

Die Schande folgt auf allen Wegen
Und futsch sind Kundschaft und Kredit.

Ja, schweres muß der Bürger leiden.

Ist er auch noch so auf der Äut-

Doch, um dies Übel zu vermeiden,

Gibt's einen Weg, erprobt und gut:
Willst du das §>erz der Presse rühren.
Geneigt sie machen deinem Tun,

Mein Sohn, so mußt du inserieren
Bei Ullstein, Mosse, Scherl und Bruhnl

Dann brauchst dir fürder nicht zu bangen
Stumm ruht der Preffe Donnerkeil,
Sieht sie nur deinen Namen prangen
Tagtäglich im Annoncenteil:

Bedienst du sie mit Inseraten,

So trifft dich nimmer ihr Geschoß,

Es schweigt zu deinen düstern Taten
Sogar die strenge Tante Boß.

Man preist vielmehr dich allerorten.
Man macht Reklame gern für dich
Und singt dein Lob mit warmen Worten
Bald über und bald unterm Strich.
Drum willst du, daß man stets mit Ehren
Und Lichtung deinen Namen nennt.

Mein Sohn, so lasse dich belehren
Und werd' beizeiten Inserent! ermann
 
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