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https://doi.org/10.11588/diglit.6708#0419
— 6886
Gendarmenhochzeit.
Der Amtsvorsteher von Seifersdorf
im Kreise Liegnitz verweigerte jüngst die
Erlaubnis zur Abhaltung von politischen Ver-
sammlungen während eines ganzen Monats
mit der Motivierung, der Gendarmeriewacht-
meister habe in diesem Monat Hochzeit.
Im Gegensatz zu zahlreichen Nörglerblättern,
die sich über dieses Vorkommnis lustig machen,
halten wir die Maßnahme der Seifersdorfer
Obrigkeit nicht nur für durchaus berechtigt,
sondern sind sogar der Meinung, daß der Herr
Amtsvorsteher mit seinein Bescheide noch lange
nicht weit genug gegangen ist. Er verbot die
Abhaltung politischer Versammlungen lediglich
für den Monat, in den die Hochzeit des Sicher-
heitsbeamten fiel. Diese Frist erscheint uns
viel zu knapp bemessen. Ein Gendarm, der
immer ein Mann in reiferen Jahren ist, ivird
einerseits zur wirksamen Vorbereitung auf die
Pflichten eines jungen Ehemanns unbedingt
einer längeren Ruhe- und Sammlungsperiode
bedürfen, und er wird andersetts von den
Strapazen der Flitterwochen in der Regel der-
artig angegriffen sein, daß nur eine ausgiebige
Erholungspause ihn wieder m den Stand setzen
kann, seine amtlichen Obliegenheiten i» vollem
Umfange wahrzunehmen. Emmonatlrche Vor-
bereitungs- und zweimonalliche Wiederher-
stellungsserien dürften unseres Erachtens das
inindeste sein, was dem Beamten zu bewilligen
errichung zum Deutschtum. s°Khv.
„Komin' nur mit, wenn de ooch 'n Franzos' bist?
Eene Nacht bei mir und du singst Deutschland,
Deutschland über alles!"
ist. Die politische Versammlungsfreiheit müßte
also bei Gendarmenhochzeiten nicht einenMo-
nat, sondern ein volles Vierteljahr ruhen.
Aber auch hiermit können wir uns noch
nicht zufrieden geben. Denn man muß berück-
sichtigen, daß solche Hochzeiten pflichttreuer
und tatkräftiger Beamter nicht ohne Folgen
zu bleibe» pflegen. Und von dem Augenblick
an, wo die Frau Gendarmin ihr holdes Ge-
heimnis dein freudig lauschenden Ohr des
Galten anvertratlt hat, wird der letztere kaum
noch fähig sein, als Überivachender bei poli-
tischen Versammlungen zu fungieren. Sein
Sinnen und Denken gehört mit Recht aus-
schließlich dem frohen Ereignisse, das sich im
Schoß seiner Familie vorbereitet, und sein
Tun muß lediglich der zarten Sorge um das
Wohl der Gemahlin und des zu erwartenden
Nachwuchses gewidmet sein. Während der
neunmonatlichen Schwangerschaft der Gen-
darmenfrau ist daher die polizeiliche Erlaubnis
zur Abhaltung von politischen Versammlungen
ebenfalls unbedingt zu verweigern.
Welches Verfahren bei Kindstaufen, Schwie-
germutterbesuchen und anderweitigen Festen
in Gendarmenfamilien zu beobachten ist, kön-
nen wir ruhig dem Taktgefühl der preußischen
Amtsvorsteher überlassen. Wir möchten nur
darauf Hinweisen, daß unser liberales Reichs-
vereinsgesetz auch in dieser Hinsicht der Be-
tätigung polizeilicher Humanität den denkbar
weitesten Spielraum läßt. Lehmann.
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