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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 27.1910

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https://doi.org/10.11588/diglit.6708#0423
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- - - 6890

& * Weihnachten. & ☆

6s fehlt-wermöchle clieles leugnen?-
Dem Michel leider mancherlei,

Drum lehnte er mit ganzem Herzen
Das liebe Meihnachtslelt herbei;

Denn jetzt, lo hottt'er, würcl'von oben
Ihm endlich alles das beschert,

Mas er lo dringend nötig hatte
Und schon lo lange heih begehrt.

Oewitz, der Zettel seiner wünsche
ward mit der Zeit ein wenig lang.
Doch hosfnungsfreudig schlug sein herze.
Bis die Bescherungsglocke klang;

Mit festlich froh beschwingten Schritten
Tritt vor den Lhriltbaum er und schaut,
was ihm das Korps der Oberbonzen
Mit weiter Sorgfalt aufgebaut.

was steht inmitten seines Istches?

Der Michel tritt herzu und stutzt:
welch altes, schäbiges Oerümpel,

Mit Bede-Ooldtchaum aufgeputzt?
welch Popanz aus llrvätertagen,
Derknautlcht, vergilbt,verschmutzt, verstaubt:
Das Oottesgnadentum, das längst er
Derlcharrt und abgetan geglaubt!

ein dicker Kranz von neuen Steuern
Ziert seinen lisch nach altem Brand),
ein Bündel Polizeirevolver,

Handschellen und ein Oummilchlauch,
ein Maulkorb auch nicht zu vergessen,
Daneben eine hohle Buh:

Der fromme Olaube, den dem Michel,

Dem braven, man erhalten muh.

Denkmäler gibt's in hüll' und fülle,
Mit krön'und Bdler schön verziert,
Und Orden eine schwere Menge.
Sofern der Michel gut pariert;

Zum Schlutz noch etwas für das herze.
Bis ailerfeinste Leckerei:

Don jungen hohenzollernprinzlein
ein neues Dutzend oder zwei.

Der Michel steht sich die Bescherung
Still prüfend eine weile an,
lind sein Oestcht wird lang und länger
lind Wut packt den geduld'gen Mann;
Die krätt'ge faust ergreift den Beten
lind fegt - groß ist der Bonzen Schreck -
Mit ein'gen wohlgezielten hieben
Den ganzen Krimskrams in den Dreck!

„Zum Deutel fahrt mit eurem Plunder,
Den ihr mir bietet jahr für jahr!

Ich laste mich nicht länger foppen,
Selbst mir, dem Michel, ward es klar:

Don oben her ist nichts zu hotten!
wer euch vertraut, der baut auf Sand!

Don jetzt ab schmück'ich mir mein Bäumchen
Derlaht euch draufr- mit eig'ner Hand!"

Lehmann.

Oer 5charimacher.

Derheydebrand zieht im Cand herum —
Bumbum —

€r übertönt das UJeh und Heb,

Das lauter wird mit jedem Cag,
tllit wudrt'gem, dröhnenden Pauken*
schlag.

Er zieht umher und bleibt nicht stumm —
Bumbum —

Es redet der von Reydebrand
Im junkergespickten Pommerland,

In Schlesien und am Elbestrand:

„Der Geist des Aufruhrs gehet um,
Bumbum!

Der rote Drache, von Jahr zu Jahr
Sdmappt frecher stets nach Cbron, Altar
Und nach den Konservativen sogar!

„Gefährdet ist alles Eigentum,
Bumbum,

UJenn er noch weiter die3miker bedroht.
Die Stützen des Staats! Potzschwerenot,
Dun schlagt das Biest doch endlich tot!“

Und lauter klingt der Pauke Gebrumm,
Bumbum:

„Es ist eine Sdrmach und ist eine Schand’.
hinaus mit ihnen aus dem Land!
mit Gott, für König von ßeydebrand!! “

p. e.

fazit.

üonBprilbis OUtoberfind merundneunzio
Preßprozetfe gegen fozialdcmoliratifipc
Blätter angestrengt worden.

vierunvneunzig Preßprozesse —
Das sind: viele tausend iMärker,
Und dazu verschiedne Jahre
Staatspension imdeutjchenKerker.

vierundneunzig Prehprozesse —
Das bedeutet: taujend Fehler,
Tausend rote Abonnenten
Und zehntausend rote Wähler!

Ein Gruß aus der jüngsten Republik.

Obige in de» portugiesischen Farben gehaltene Postkarte, aus der der Sieg der Republik
gefeiert wird, ist uns von einem portugiesischen Parteigenossen zugesendet worden:
sie wird in Millionen von Exemplaren verbreitet.

Bismarck Nr. 2.

Der sattsam bekannte Scharfsinn des
Majors und Doktors Theobald v.Beth-
mann Hollweg hat im Reichstag neu-
lich entdeckt und sestgestellt, daß das End-
ziel der Sozialdemokratie uidjtä mehr
und nichts weniger als sage und schreibe
die — Republik ist.

Wie wir erfahren,werden dieser unge-
mein staatsmännischen Entdeckung bin-
nen kurzem noch einigeweitere, nidzt min-
der erstaunliche und erbauliche folgen.

So ztltil Beispiel, daß es in Deutsch-
land bereits sehr viele Sozialdemo-
krakett gibt.

Und daß es von Tag z» Tag immer
mehr werden.

Und daß das sehr unbegnem ist.

Und daß es eigentlich verboten wer-
den müßte.

Und daß man das ja mal probiere»
kann.

Und daß man dabei hineinsällt! T.

Bürgerstolz.

„Sie sehen ja so abgespannt ans,
Frau Meyer?"

„Ach Gott! Meiil Man» studiert mit
mir zusammen jetzt jeden Abend bis
Über Mitternacht hinaus Geographie,
wissen Sie!"

„Nanu . . .?"

„Er sagt: wir gehen alle beide nicht
eher zu Bett, Auguste, als bis wir ditrch
Vergleich mit der Zeitung und durch
Messungen ganz genau sestgestellt haben,
wo Kronpritizens in dieser Nacht sind!"

Die neueste Bekanntmachung.

Es wird da« Recht, über Moabit
die Wahrheit zu sagen, Verkündet.

Die Wahrheit sagt lediglich die
Polizei.

Bei Widerspruch gegen die Ans-
sagen der Polizei erfolgt Meineids-
anzeige.

Ich warne alle Zeugen!

v. Jagow.
 
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