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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 28.1911

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https://doi.org/10.11588/diglit.6709#0008
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6010

Schneegestöber. Glockengetön.

Lin Raunen geht über die Flur.

Ls ruft ausTälernundvon denkföhn:

Ruf Zwölfe steht die Uhr!

Ls flutet am Himmel her und zurück
Der jagenden Wolken Flug.

Und die Zeit hält an einen Augenblick
Den Atemzug.

Nun Alle an Deck! Des Volkes Schiff
Spannt feine Segel breit!

Und keine Furcht vor Klippe und Riff:
Land Zukunft ist nicht weit!!

Die Decher zur Hand und froh gelacht
Mit unverzagtem Mut:

Denn was das alte schlecht gemacht,
Vas macht das neue gut!

Lin Lachen durch die Welten geht
Bei Mann und Weib und Rind,
Weilstärker als je durch dieLande weht
Der Zukunft Wind.

Dort blüht die Freiheit, dein höchstes Gut-
Drum wahre, du Rämpferschar,

Den alten Glauben, den alten Mut

Im neuen Iahr! paui <*nton„g.

« Neue Fahrt.

Das alte Jahr zerrann in nichts.
Lin neues wartet heut
Fröhlichen, jungen Angesichts
Rei Hellem Glockengeläut.

Lin neues Jahr, ein neuer Streit,
Doch die alte Hoffnung dabei
Den alten Trotz und die Freudigkeit,
Die heilge Drei!

Lrzderger.

Matthias, ja, das ist der Mann,

Der alles weih und alles kann —

Zumlndeft glaubt er leider dran!

Und wenn Matthias nicht mehr war,

Ls ginge viellach gar nicht mehr:

Ls war ein deuttd)es Neichsmalheur.

Ivo was palliert im Zeitenlauf,

Setzt er fein schwarzes Siegel drauf
Und sperrt den grohen Schnabel auf.

was einer fragt und einer nennt
In unterm deutschen Parlament, —

Stets ift Matthias kompetent!

Spricht man von Deutschlands Schwein und Kuh,
Don Krieg, Gewerkschaft, von frou-frou,
Matthias gibt den Senf dazu.

er fchieuderi leine Geiftesblitze
Mit viel Bebagen am eignen Witze:

€r ift der erfte Mann an der Spritze.

Doch glaubt: wenn einmal über Nacht
Der Zentrumsturm zufammenkracht,

Dann - hat's Matthias auch gemad)t. p.e.

Profefforen-Duelle.

Bernhard und Sering, Professoren der
Nitionalökonoinie an der Berliner Universität,
sind vor kurzem bei Gelegenheit eines wissen-
schaftlichen Streites dahin übereingekommen,
ihre Meinungsdifferenzen durch ein Pistolen-
duell zu begleichen.

Die Angehörigen gewisser niederer Bevölke-
rnngsschichtcn, die für kavaliermäßige Welt-
anschauung kein rechtes Verständnis haben
können, werden dieses Verfahren unangebracht
und lächerlich finden. Unbeirrt durch solche
Pöbel- und Tagesmeinungen sind wir aber der
Ueberzeugung, daß die Sering-Bernhardsche
Methode zur Schlichtung wissenschaftlicher
Streitigkeiten durchaus zeitgemäß ist. Denn ihre
mannigfachen Vorzüge liegen ans der Hand.

Unsere Professorenschaft besteht heute leider
noch zum großen Teil aus Bücherwürmern
und Stubenhockern. Wenn sich diese Herren
aber erst einmal bewußt geworden sei» wer-
den, daß sie jeden gelehrten Disput zuguterletzt
mit der Waffe in der Faust anskämpfen müssen,
dann dürfte es bald, gottlob, keinen medizi-
nischen Hochschullehrer mehr geben, der zwar
das Scziermesser und die Geburtszange zu
handhaben iveiß, vom kommentmäßigen Ge-
brauch des krummen Säbels aber keine blasse
Ahnung hat. Und es würden an preußischen

Universitäten keine Juristen mehr dozieren dürfen, die
für die Beibehaltung und Verschärfung der Todes-
strafe sich zwar ins Zeug legen, mit eigener Hand
aber noch nie einen Zeitgenossen ins Jenseits be-
fördert haben. Daß sich unter diesen Umständen zur
preußischen Prosessorenkarriere mir noch körperlich
taugliche Personen entschließen iverdcn, die mindestens
die Befähigung zum Unteroffizier der Reserve besitzen,
dürfte jedem sympathisch sein, der niit uns der Mei-
nung ist, daß die historische Bedeutung eines wahren
und echten Preußentums zu allen Zeiten mehr auf
leiblicher als aus geistiger Ucbcrlegenheit zu beruhen
pflegte.

Die Methode Scring-Bcrnhard bedeutet ferner
eine außerordentliche Vereinsachnng des Ver-
fahrens bei wissenschaftlichen Streitigkeiten. Statt
tage-, Wochen- und monatelang Zeitschriften, Bro-
schüren und Bücher mit langwierigen polemischen
Auseinandersetzungen zu füllen, begibt man sich ein-
fach morgens an den vereinbarten Rendezvonsplatz
und erledigt das in Frage stehende Problem mit
wenigen Hieben oder Schlissen. Diese Methode hat
nebenbei auch den Vorzug, daß sic in jedem Fall
eilte klare und nnzweidelttige Entscheidung der wisscn-

Itletin Betbmann nach ITloabit gekommen wäre.

„Meine Herren, als Reichskanzler sage ich: erfüllen Sie
Ihre Pflicht!"

schastlichen Streitfrage bringt. Bei den bisher üb-
lichen Gelchrtenkämpfen konnte oft nach jahrelangen
Katzbalgereien jede der beiden Parteien behaupten,
sie sei im Recht und der Gegner sei geschlagen. In
Zukunft wird jeder diesbezügliche Zweifel absolut
ausgeschlossen sein: wer ans dem Rasen liegen bleibt,
hat Unrecht.

Schließlich wird durch die neue Praxis die Teil-
nahme an gelehrten Auseinandersetzungen auch den-
jenigen Kreisen ermöglicht, die dank ihrer besseren
Abstammung und Erziehung für rein wissenschaft-
liche Fragen kein Verständnis haben, dagegen allen
Vorgängen ans dem Gebiete ritterlicher Wettkämpfe
das regste Interesse entgegenbringcn. In den Sport-
abteilnngen der bürgerlichen Blätter dürfte dann bald
eine regelmäßige Rubrik zu finden sein, die die Leser
über die Ergebnisse der interessantesten Proscssoren-
zweikämpfe unterrichtet.

Sollte übrigens die Ausdehnung der neuen Me-
thode auf die Dozenten der theologischen Fakultäten
als nnttmlich erscheinen, so ließe sich hier leicht ein
Ausweg finden. An Stelle des Zweikampfes müßte
das sogenannte Gottesurteil treten, das, in den alt-
ehrwürdigen Formen der Wasser- oder Feuerprobe
vollzogen, bei der henke in Preußen an maß-
gebender Stelle herrschenden Vorliebe für mittel-
alterliche Romantik sicherlich warmen Beifall
finden würde. Tobias.

Gedanken eines Priigelpastors.

Die Predigt des Mttndes muß durch die
Jnterpnnktion der Peitsche ergänzt werden,
sonst „sitzt" sie nicht.

Hundert Hiebe über das Gesäß sind gleich-
sam ein eifriges Pochen der chrtstlichen Liebe
an die Pforte aller Tugenden.

Man muß nicht bloß im Weinberg des
Herrn zu arbeiten, sondern auch ans seiner
Tenne zu dreschen verstehen! T.

Vom Büchertisch.

Moabiter Märchenschatz. Für kindliche
Gemüter sehr zu empfehlen. Gesammelt von
Herrn v. Jagow, einem der glänzendsten Sti-
listen der Gegenwart.

Das Berliner Publikum, bearbeitet von
der Berliner Polizei. — Interessante Bilder
ans dem Berliner Straßenleben!

Das Geheimnis der alten Mamsell.
Nämlich daß die Sozialdemokraten Revolution
machen wollen. Ren heransgegeben und mit
gelehrten Anmerkungen versehen von Herrn
v.Bekhmann Hollweg, Doktor der Philosophie.
 
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