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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 28.1911

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https://doi.org/10.11588/diglit.6709#0014
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6912 •-

Thron, Altar und Geldsack.

H. G.Jentzsch.

So steht die Sache schief. So ging es eben schon. Nun ist es recht gestellt;

Der Geldsack liegt zu tief; Doch wackelt noch der Thron. Das Geld regiert die Welt!

o

Bericht

des Eigenkätners Christian Ionelcit über
die Labiau--Wchlaucr Reichstagswahl.

Wissen Se, Männchen, ich sag' Ihnen: so
scheen war noch nie bei uns! De feine Härres,
wo sonst bloß de Leit' kujenieren un de Koddern
vollhauen kennen — Se hätten bloß sehn sollen,
wie die jetz auf einmal sreindlich un nieder-
trächtig waren! De reine Muschkebad!' Ich
hätt' inan bloß immer Angst, daß se einem
emmend" noch in de Fupp" sprangen. De Härr
Baroii, waZ de jnädije Härr aus Groß-Dumm-
lauken is, der hat mir dreimal hinterenander
„alterFremd" jenannt, daß alle Heeren konnten,
lln dabei ivollt' er mir doch erst letztens wieder
vom Amtsvorsteher auffe Seiferlist'sehen lassen,
weil ich mir Sonntag vor Martini e bische ver-
unnüchtert jehabt halt'. Un dem Härr Land-
rat Hab' ich falber jesehn, wie er dem Hirt
Adomat aus Adlig-Dusselkehmen puscheit' hat
— un der dräckije Kärl hat mehr Leis' aufm
Kopp ivie e anständjer Mansch Fleh' im
Hämd! Un de Härr Fahrer? hat uns in de
Kirch'.vermahnt, daß wir unsere Flichten bei
de Wahl »ich vernachlässijen sollen un keine
Sinde nich wider dem heulijen Jeust bejehen,
sondern dem wählen, wo uns der Schandarm
befehlen tut.

Un zu saufen gab-! Erbarmung!

Bon Morjen bis Abend! Wo sich einer bloß
sehn ließ, da fuhrwerkten einen: de Härres
jleich mit e Flasch' Schnaps untre Nas'. Un
Bier gab auch, ächtes bayrisches ausse Labiauer
Brauerei. Immer ein Achtelche nach's andere

'Zucker. ^ am Ende "Tasche. ' gestreichelt. "Pfarrer.

wurd' ausjelutscht. Das fing all' acht Tag'
vorher an, man^ am scheensten war doch an
de Wahl falber. Morjens kam so e dämlicher
Lorbas" ausse Stadt bei mir un sagd', ich soll
jleich inne Schul' jehn un dem Zattel abjeben,
wo er mir gab. Man ich sagd': „magrietsch'
is nich", un schmiß ihm 'raus. Un da schickten
se dem Oberschweizer bei mir. Das is e feiner,
jebildter Mansch, wissen Se. Er is zwar bloß
aus Stallupönen, aber jeden Sonntag wäscht
er sich de Beine, un denn zieht er sich sein
Schweizer Nazjonalkostiem mit nackte Knie an
un mit e Rasierpinsel aufm Hut. De Mäd-
chens sin alle jleich ganz dwatsch? wenn se
ihm sehn, un ich kann ihm auch gut leiden.
Also der bestallt mir e scheenen Gruß vom
Härr Amtsvorsteher un jibt mir e Gulden
Handjäld aus'n konservativen Wahlfonk, sagd'
er, un denn bracht' er mir nach'» Krug?

Da huckt' ich bis Nachmittag un krijt immer
umschicht e Glas Bier un e Glas Schnaps.
Un win Abend wurd', da sagten se: „Nu is
aber de heechste Zeit, Joneleit, daß Se sich im
Wahllokal bejeben." Man da zwang ich nich
mehr auf. Un da krijten mir doch zwei untre
Arin' zu packen un einer schob von hinten, un
denn tritzten' se mir nach de Schul'. Mau
wie der Wahlvorsteher mir fragd': „Wie heißen
Sie?" da könnt' ich doch meinem Namen nich
sagen, un wie se mir fragten, wo ich meinem
Zattel Hab', da Hab' ich mir doch so bebrechen
missen! Aber leider war der Härr Amtsvor-
steher auch dqbei, un der fing an zu drillen
un schrie: „Raus mit den Hund! Das Schwein

'schon. 2 aber. " Kerl, 'umsonst, "verrückt. "Wirts-
haus. ' zogen.

is wieder besoffen! Nächste Woch' kommt er
ivahrraft'gen Gott auffe Seiferlist'!"

So könnt' ich meine Wählerflicht leider nich
jeniejen, weil se mir vorher 'rausjeschmissen
haben. Aber scheen war doch, un ich hätt'
gar nich jeglaubt, daß soviel Schnaps un Bier
auffe Welt jibt! ...._

In Uniform.

Bei uns zuland regiert der Drill!

Wer irgendwas bedeuten will.

Zunächst die Uniform erstrebt.

Weil sie das Ansehn mächtig hebt.

Ein StaatSmtnister, als Major,

Kommt sich darin gewaltig vor;

Als „Sommerleutnant" gilt man mehr.

Als wenn man nur Professor wär'.

Und so erstrebt denn jeder Trupp,

Ob Jagd-, Jacht-, Aero-, Autoklnb,

Das schöne Wörtchen „Kaiserlich"

Und brüllt danach stockheiser sich.

Der Krämer hinterm Ladenstand
Erstrebt nur eins: „Hoflieferant".

Vom Kanzler bis zum Straßenkehrer
Sind alle Uniformverehrer.

Der deutsche Spießer, brav und treu.

Ist der gcbor'ne Hoflakai;

Sein höchster Traum: ein Ordensband...
„Mit Gott für König und Vaterland."

___ Alfred Scholtz.

Entschuldigungsgrund.

Richter: Wie kommen Sie dazu, diesen harm-
losen Menschen ohne jede Ursache zu überfallen und
niederzuschlagen?

Angeklagter: Herr Jerichtshof! Ick war früher
Schutzmann, un als Schutzmann da denkt mau cbm
manchmal, et will eenem eener wat tun, na, un che
man sich wat von ihm tun läßt, tut man ihm lieber
selber wat! Sehen Sie, Herr Jerichtshof, so is et
gekommen, denn der Kerl sah mich jrade danach aus,
als ob er mich wat tun können wollen täte. Kl.
 
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