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https://doi.org/10.11588/diglit.6709#0019
6917 —
Wehlau-Labiau.
Seit alten Zeiten stand im Osten,
Als uneinnehmbar fester Ban,
Als Schutz- und Trutzwehr für uns Junker
Der Wahlkreis Wehlau-Labiau.
Von seinen stolzen Zinnen wehten
Die heil'gen Farben Schwarz und Blau,
And unser Wort und Wink regierte
Den Wahlkreis Wehlau-Labiau.
Der Landrat, kundig seiner Pflichten,
And der Gendarm, beherzt und schlau.
Sie deichselten für uns die Wahlen
Im Kreise Wehlau-Labiau.
Drum war ich meines Sieges sicher
And blähte stolz mich wie ein Pfau,
Als die Kampagne man begonnen
Im Wahlkreis Wehlau-Labiau.
Ich kämpfte mit den alten Waffen,
Ich schalt und dräute wild und rauh
And log und gaunerte nach Noten
Im Wahlkreis Wehlau-Labiau.
Doch ach, es wollte nichts mehr helfen:
Verprügelt ward ich, braun und blau,
And abgesägt und 'rausgeschmissen
Im Wahlkreis Wehlau-Labiau!
Statt zur erhofften Siegesfeier
Erschein' ich nun zur Leichenschau:
Begraben muß ich meine Äoffnung
Im Wahlkreis Wehlau-Labiau!
Im feurigen Monokel-Auge
Erglänzt der Männerzähre Tau:
Auf Nimmerwiedersehn entschwunden
Ist mir mein Wehlau-Labiau!
And eine düstre Ahnung packt mich
And uin das Herze wird mir's flau:
Noch mancher Kreis wird, furcht' ich, folgen
Dem Wahlkreis Wehlau-Labiau! Balduin.
SD SD
Das boykottierte Lerrgöttle.
In Hochdorf bei Kirchheiin in Württemberg hat der
Ortsgeistliche dem in den Ruhestand getretenen Schult-
heißen das Recht streitig gemacht, fernerhin in der Kirche
im Ehrenstuhl fitzen zu dürfen. Daraufhin hat sich der
Gemeinderat mit seinem langjährigen Oberhaupt soli-
darisch erklärt und den Boykott über die gesamten Ehren-
sitze des Gcmeinderats in der Kirche verhängt, die nun
allsonntagltch leer stehen.
Fascht feifondzwanzig Johr isch dr Schultes
älle Sonndig ins Kirchle ganga ond hat im
schöansta Bänkle sei Schläfle ghalta. Ond älle
Gmoindrät send au do givea ond hent in
ihre Ehrebänkle gschlofa. Uf ointol soll dr
Schultes nemme en seim schöne Bänkle sitze
dürfe, weil er en Ruhestand trete ischt.
's Herrgöttle ischt nämlich amol nachts em
Pfarrer eni Traum erschiene ond hot zu ehnr
gsait:
„Pfäffle! Sell goht nemme, daß dr Schultes
ein Schultesstuahl betet. Denn er isch jo nemme
Schultes! Vor mir send au älle Menschekender
gleich. Wer nemme Schultes ischt, ka all nemme
ein Schultesbänkle sitza!"
Sell Gottesgebot isch em Pfarrer natürlich
heilig gwea, ond er Hot em Schultes wisse lau:
„Schultes! Du bischt jetzt nemme Schultes
ond muäscht-dr a anders Plätzle suacha!"
„Jo, Pfeifedeckel!" Hot druff dr Schultes vor
Wuat gschria. „A Saudackel bischt, wenn du
Müinscht,. daß i, dr Schultes, mir sell gfalle
laß! Wenn i nemme en mei Ehrebänkle sitze
darf, gang i au nemme ens Kirchle. Ond ein
Herrgöttle gschiehts grad reacht, wenn i no
net en Hemmet komm!"
Iunkerspäfse im deutschen Reichstag.
E. Schilling.
„Die Sache klappt tadellos — wir können wirklich jauz zufrieden mit ihm sein."
Dr Gmoindrot hot se durch de sell Maßregel
au tröffet gsühlt ond sich deswegamitem Schultes
solidarisch erklärt. Alle, älle Ehrebänkle em
Kirchle Hot er boykottiert ond beschlossa, so lang
nemme ens Kirchle z'gau ond nemme zu bete,
bis dös Hergöttle ganz niürb ischt.
Jetzt schlaft am Sonildig ein Kirchle koi Schut-
tes ond koi Gmoindrot em Ehrebänkle meh'!
O, wia sell onser Herrgöttle schmerze tunt!
Traurig sitzt es em Hemmel ond ivoiß koin
8iot nemme!
Dr Schultes aber ond dia Gmoindrät lachet
sich ins Fäuschtle ond saget:
„Gelt Herrgöttle, jetzt lernscht au amol kenna,
tvia a Schultes ond a Gmoindrot zu eschtimiera
send ! Hoscht denkt, mir wäret Nex? Pfeifedeckel!
Mir send dr Schultes ond dr Gmoindrät! Ond
wenn du ond bet Pfäffle ons net eschtimiera,
no eschtimiera mir di au nemme! Ond damit
baschda, daß dus woischt!"
Reacht hend se, dr Schuttes ond dia Gmoind-
rät. Schultes ond Gmoindrät vom Schwoba-
ländle! Vereinigt euch oitd verteidigt euer
Ehrebänkle em Kirchle! es.
Nachdenkliches.
Die Jahre folgen aufeinander Ivie die Glieder einer
Kette, von der man vorläufig noch nicht weiß, an
welcher Stelle sie einst wird gesprengt werden können.
Beim Eintritt iits neue Jahr freut man sich wie
ein dummer Rekrut; beim Austritt dagegen wie ein
entlassener Reservist! T.
„f}alt! Rollege!"
Immer sind sie unterm Haufen,
Um zu schüren, um zu Hetzen,
Ivenn empörte Bürgermasscn
Uuh' und Drdnung mal verletzen.
In verwirrender Verkleidung
Lind sie schwer nur zu erkennen,
Selbst geübte Schutzmannsaugen
Können sie vom Plebs nicht trennen.
tvütend hau'n sie mit dem Knüppel
In die aufgeregte Nasse,
Um sie immer neu zu spornen
Zum verderben und zum tsasse.
Kommen dann die Blauen, Blanken,
Stellen sie sich an die tvände,
Daß der Säbel nicht in ihnen
Auch ein blutig Vpfer fände.
Drohen ob der Naskerade
Dennoch für sie rauhe Schläge,
Heben schützend sie den Knüppel,
Mahnend klingt es: „Halt! Kollege!"
Und der Schutzmannssäbel senkt sich,
von dem Zauberwort bezwungen —
So schützt Vater Polizeistaat
Liebend die Achtgroschenjungen. Litt.
Wehlau-Labiau.
Seit alten Zeiten stand im Osten,
Als uneinnehmbar fester Ban,
Als Schutz- und Trutzwehr für uns Junker
Der Wahlkreis Wehlau-Labiau.
Von seinen stolzen Zinnen wehten
Die heil'gen Farben Schwarz und Blau,
And unser Wort und Wink regierte
Den Wahlkreis Wehlau-Labiau.
Der Landrat, kundig seiner Pflichten,
And der Gendarm, beherzt und schlau.
Sie deichselten für uns die Wahlen
Im Kreise Wehlau-Labiau.
Drum war ich meines Sieges sicher
And blähte stolz mich wie ein Pfau,
Als die Kampagne man begonnen
Im Wahlkreis Wehlau-Labiau.
Ich kämpfte mit den alten Waffen,
Ich schalt und dräute wild und rauh
And log und gaunerte nach Noten
Im Wahlkreis Wehlau-Labiau.
Doch ach, es wollte nichts mehr helfen:
Verprügelt ward ich, braun und blau,
And abgesägt und 'rausgeschmissen
Im Wahlkreis Wehlau-Labiau!
Statt zur erhofften Siegesfeier
Erschein' ich nun zur Leichenschau:
Begraben muß ich meine Äoffnung
Im Wahlkreis Wehlau-Labiau!
Im feurigen Monokel-Auge
Erglänzt der Männerzähre Tau:
Auf Nimmerwiedersehn entschwunden
Ist mir mein Wehlau-Labiau!
And eine düstre Ahnung packt mich
And uin das Herze wird mir's flau:
Noch mancher Kreis wird, furcht' ich, folgen
Dem Wahlkreis Wehlau-Labiau! Balduin.
SD SD
Das boykottierte Lerrgöttle.
In Hochdorf bei Kirchheiin in Württemberg hat der
Ortsgeistliche dem in den Ruhestand getretenen Schult-
heißen das Recht streitig gemacht, fernerhin in der Kirche
im Ehrenstuhl fitzen zu dürfen. Daraufhin hat sich der
Gemeinderat mit seinem langjährigen Oberhaupt soli-
darisch erklärt und den Boykott über die gesamten Ehren-
sitze des Gcmeinderats in der Kirche verhängt, die nun
allsonntagltch leer stehen.
Fascht feifondzwanzig Johr isch dr Schultes
älle Sonndig ins Kirchle ganga ond hat im
schöansta Bänkle sei Schläfle ghalta. Ond älle
Gmoindrät send au do givea ond hent in
ihre Ehrebänkle gschlofa. Uf ointol soll dr
Schultes nemme en seim schöne Bänkle sitze
dürfe, weil er en Ruhestand trete ischt.
's Herrgöttle ischt nämlich amol nachts em
Pfarrer eni Traum erschiene ond hot zu ehnr
gsait:
„Pfäffle! Sell goht nemme, daß dr Schultes
ein Schultesstuahl betet. Denn er isch jo nemme
Schultes! Vor mir send au älle Menschekender
gleich. Wer nemme Schultes ischt, ka all nemme
ein Schultesbänkle sitza!"
Sell Gottesgebot isch em Pfarrer natürlich
heilig gwea, ond er Hot em Schultes wisse lau:
„Schultes! Du bischt jetzt nemme Schultes
ond muäscht-dr a anders Plätzle suacha!"
„Jo, Pfeifedeckel!" Hot druff dr Schultes vor
Wuat gschria. „A Saudackel bischt, wenn du
Müinscht,. daß i, dr Schultes, mir sell gfalle
laß! Wenn i nemme en mei Ehrebänkle sitze
darf, gang i au nemme ens Kirchle. Ond ein
Herrgöttle gschiehts grad reacht, wenn i no
net en Hemmet komm!"
Iunkerspäfse im deutschen Reichstag.
E. Schilling.
„Die Sache klappt tadellos — wir können wirklich jauz zufrieden mit ihm sein."
Dr Gmoindrot hot se durch de sell Maßregel
au tröffet gsühlt ond sich deswegamitem Schultes
solidarisch erklärt. Alle, älle Ehrebänkle em
Kirchle Hot er boykottiert ond beschlossa, so lang
nemme ens Kirchle z'gau ond nemme zu bete,
bis dös Hergöttle ganz niürb ischt.
Jetzt schlaft am Sonildig ein Kirchle koi Schut-
tes ond koi Gmoindrot em Ehrebänkle meh'!
O, wia sell onser Herrgöttle schmerze tunt!
Traurig sitzt es em Hemmel ond ivoiß koin
8iot nemme!
Dr Schultes aber ond dia Gmoindrät lachet
sich ins Fäuschtle ond saget:
„Gelt Herrgöttle, jetzt lernscht au amol kenna,
tvia a Schultes ond a Gmoindrot zu eschtimiera
send ! Hoscht denkt, mir wäret Nex? Pfeifedeckel!
Mir send dr Schultes ond dr Gmoindrät! Ond
wenn du ond bet Pfäffle ons net eschtimiera,
no eschtimiera mir di au nemme! Ond damit
baschda, daß dus woischt!"
Reacht hend se, dr Schuttes ond dia Gmoind-
rät. Schultes ond Gmoindrät vom Schwoba-
ländle! Vereinigt euch oitd verteidigt euer
Ehrebänkle em Kirchle! es.
Nachdenkliches.
Die Jahre folgen aufeinander Ivie die Glieder einer
Kette, von der man vorläufig noch nicht weiß, an
welcher Stelle sie einst wird gesprengt werden können.
Beim Eintritt iits neue Jahr freut man sich wie
ein dummer Rekrut; beim Austritt dagegen wie ein
entlassener Reservist! T.
„f}alt! Rollege!"
Immer sind sie unterm Haufen,
Um zu schüren, um zu Hetzen,
Ivenn empörte Bürgermasscn
Uuh' und Drdnung mal verletzen.
In verwirrender Verkleidung
Lind sie schwer nur zu erkennen,
Selbst geübte Schutzmannsaugen
Können sie vom Plebs nicht trennen.
tvütend hau'n sie mit dem Knüppel
In die aufgeregte Nasse,
Um sie immer neu zu spornen
Zum verderben und zum tsasse.
Kommen dann die Blauen, Blanken,
Stellen sie sich an die tvände,
Daß der Säbel nicht in ihnen
Auch ein blutig Vpfer fände.
Drohen ob der Naskerade
Dennoch für sie rauhe Schläge,
Heben schützend sie den Knüppel,
Mahnend klingt es: „Halt! Kollege!"
Und der Schutzmannssäbel senkt sich,
von dem Zauberwort bezwungen —
So schützt Vater Polizeistaat
Liebend die Achtgroschenjungen. Litt.