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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 28.1911

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https://doi.org/10.11588/diglit.6709#0028
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6926

«> lagows Hbfd)ied. &

(Nach Schiller.)

Der Polizcipräfident d. Jagoro soll „zroeefts anderroeitiger Verwendung" aus Berlin versetzt werden.

Der Berliner.

will fiel) )agoiD ewig von mir wenden?

Soll die stolze Laufbahn jetzt schon enden.

Die io hokknungsvoii begonnen hat?

Nie mehr werd' ich was zu lachen haben,

Ivenn dich, freudenlpender, fie begraben
In Neumüniter oder Duderitadt!

Isgow.

flch, Kein Bein! Zu höherem berufen,

Klettere auf der Karriere Stufen
ich empor zu stolzem Zielen bald!
flukwärts geht's in heihem Tatendrange —

Und vielleicht, wer weih es? währt's nicht lange
Und dein Traugott folgt dem Theobald!

-o o o

Der Berliner.

flch, mein Jagoro, wann, an welchem Orte
Sah man je fchon einen deiner Sorte?

Einen zweiten jagow gibt es nicht!

Darum Iah mich. Liebster, Iah mich trauern,
während deine Kräfte still versauern,
Stumm verschwelet deines Oeiftes Licht!

Der Berliner.

Kam' es ko, id) wäre nicht verwundert:
wen'ge Männer zeugte das jahrhundert,

Die, wie du, der höchsten Ehren wert!

Möchtest du in allen Dienllbezlrken
Mit dem nämlichen Erfolge wirken,

Den die Götter dir bei mir beschert! Balduin.

lagoro.

Lieber freund, gebiete deiner Träne!
Scheide ich auch jetzo von der Szene,
wirft du andre aus dem Platze sehn.
Die, begabt mit gleichen Fähigkeiten,
Gleiche Luft und Kurzweil dir bereiten
Und ihr flmt so gut wie ich verfehn.

Verfassung für Elsaß-Lothringen.

Ls hat Mama Germania

Lin Stiefkind seit vierzig Jahren.

Das hat von ihr im Laufs der Zeit
Nicht gar viel Gutes erfahren.

Nun legte Mutter Germania,

Um manche Unterlassung
3u sühnen, auf den Weihnachtstisch
'ne nagelneue Verfassung.

Ls roch bedenklich das Geschenk
Teils preußisch, teils obotritisch.

Vas Stiefkind zog die Nase kraus
Und wurde kühl und kritisch:

„Nus Abfall ward es hergestellt
Sn deiner Zunkerküche —

Nimm's wieder mit! vis Stube wird
verpestet durch diese Gerüche!"

Nun ist Germania sehr ergrimmt;

Sie sprach mit bösem Lachen:

„Man sieht: verwöhnten Rindern kann
Man's nie zuliebe machen. . ." p. <E.

Er kennt sich aus!

Ein steckbrieflich verfolgter Raubmörder wurde
endlich gefaßt. Nachher stellte sich heraus, daß er
vor kurzem noch mitten in einer Kolonne von Ar-
beitswilligen und unter Assistenz von zwölf Schutz-
leuten als „nützliches Element" fungiert hatte.

Der llutcrsiichimgsrichter fragte ihn natürlich, wie-
so und warum er's eigentlich riskiert habe, sich in
dieser Weise direkt vor der
Nase der Polizei breitzu-
machen.

UudderNaubmorderant-
wortctc: „Na, ganz einfach,
weil die sich in solchen Fällen
nie darum kümmert, ob ihr
vielleicht mein Gesicht nicht
gefällt, sondern ganz allein
darum, ob es Gesichter gibt,
die mir nicht gefallen!"

Kleines Gespräch.

„HabcnSieschon gehört?

Die Universität Berlin will
denPastorBreithaupt wegen
hervorragender Leistungen
auf dem Spezialgebiet der
assyrisch-babylonischen For-
schung zum Ehrendoktor der
Philosophie ernennen!"

„Nann. . .?"

„Ja, weil cs ihm gelungen
ist, das WortGottcs in.Keil-
schrift' hcrauszugeben!"

Erziehungsregelit von Mieltschin.

§ 1. Die Erziehungsmethode ruht auf rein christ-
licher Grundlage; niemals dürfen Reitpeitschen und
Spazierstöcke, Handschellen, Ketten oder andere Bil-
dungsmittel in Geschäften, deren Inhaber Juden oder
Pantheisten sind, gekauft werden.

§ 2. Nur der regelrecht studierte und approbierte
Priester darf jederzeit Hiebe aüsleilen; andere Per-
sonen nur, wenn sie nachweislich ihr Morgengebet
mit Andacht verrichtet haben.

§ 3. Nach dem frommen Grundsatz: „Wenn du
gibst, so laß die Linke nicht wissen, was die Rechte
tut!" muß immer derjenige zählen, der gehauen wird.

ß 4. „Gib dein Armen reichlich," ist ein edles
Wort, darum nie unter fünfundzwanzig; wenn aber
das Herz voll ist, so darf man wohl bis zu fünf-
undsiebzig oder auch hundert gehen.

Z 5. Du sollst kein Mittel unversucht lassen, darum,
o edler Mensch und Christ, sperre diejenigen, welche
du zu Gott führen sollst, in den nassen, kalten Keller,
nimm ihnen den Nock, wenn sie einen haben, und
hänge ihn zu dem deinen. Ebenso tränke die Dursten-
den mit Wasser und gib den Hungernden alle zehn
Tage einmal warmen Brei.

Allo, daß du dein frommes Ziel erreichest und
dir Schätze sammelst iin Himmel, wie dir der Herr
verheißen hat. Amen. F. S.

Anvorsichtig.

Frau v. Blödwitz: Ist den Leuten ganz recht,
wenn sie sich an Margarine vergiften: warum nehmen
sie keine Butter?

Der Segen des Kaiserhochs.

Das Verfahren des vr. Henrici, der in einer Leip-
ziger Siudentenversammlung nach einem Bortrag
Eduard Bernsteins ein Kaiserhoch ausbrachte und,
als er damit keinen Beifall fand, die Leiter der Ver-
sammlung beim sächsischen Kultusminister denunzierte,
verdient weiteste Beachtung. Es kann in dem immer
schwieriger werdenden Kampfe gegen den Umsturz
als sehr wirksame Waffe dienen; denn bekanntlich
wird die Nichtbeteiligung an einem Kaiserhoch in
Deutschland als Majcstätsbeleidignng bestraft. Wir
setzen nun den Fall, es findet eine sozialdemokratische
Versammlung statt und die anwesenden Patrioten
fühlen, daß sie die peinlichen Ausführungen des Red-
ners zu widerlegen außerstande sind. Sobald sie
dies eingesehcn haben — und der Moment wird in
der Regel bereits recht frühzeitig eintreten —, unter-
bricht einer der Patrioten den Vortrag und bringt
mit lauter Stimme ein Hurra auf Se. Majestät den
Kaiser aus. Aus Furcht, sich einer Verfolgung wegen
Majestätsbeleidigung auszusetzen, wird natürlich die
ganze Versammlung sofort mit einstimmen. Sobald
es verklungen ist und der Redner in seinem Bor-
trage fortfahren will, bringt ein zweiter Patriot ein
Hoch auf den Landcsvater irgend eines Bundesstaates
aus, dann folgt ein dritter und so fort, bis die Ge-
nossen, die von der ungewohnten Tätigkeit des Hurra-
schreiens sehr schnell heiser und müde zu werden
pflegen, kleinlaut den Saal geräumt haben. Auf
diese Weise kann das monarchistisch gesinnte Bürger-
tum, jede sozialdemokratische Versammlung unmög-
lich machen, was namentlich für die bevorstehenden
Reichstagswahlkämpfe von großemVorteil sein dürfte.
Daß aber auch in anderen heiklen Lebenslagen wirk-
lich staatserhaltcnde Elemente sich das reichsvcrbnnd-
lerische Verfahren des vr. Henrici mit gutem Er-
folge zunutze machen können, beweist ein Fall, der sich
vor kurzem in Berlin zuge-
tragen hat. Ein Angestellter
der bekannten Moabiter Fir-
ma Hintze sollte wegen Ein-
bruchdiebstahls, Zuhälterei
und schwerer Körperverletz-
ung verhaftet werden. Als
sich ihm sechs Schutzleute in
dieser Absicht näherten, for-
derte er sie zunächst auf, mit
ihm in ein Kaiserhoch einzu-
stimmen, und intonierte so-
dann mit Begeisterung das
Lied „Heil dir im Sieger-
kranz". Die Schutzleute nah-
mendieHelme vomKopfeund
sangen in der vorgeschrie-
benen strammen Haltung
pflichtschuldig mit. Als das
Lied zu Ende war und sie die
Verhaftungvornehmen woll-
ten, war der kluge Patriot
nicht mehr zu finden. Erhalte
sich bereits während des zwei-
ten Verses unbemerkt zu ent-
fernen gewußt. Lehmann.

Knuten-Örtel: Wie herrlich ist meine Saat aufgegauge»! So habe ich also doch nicht

umsonst gelebt.
 
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