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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 28.1911

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https://doi.org/10.11588/diglit.6709#0034
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— 6932 .

v. Arnim-Schnodderheim

an v. Below-Pleitenburg.

Mein Allerwertester! Komme soeben aus
Mecklenburg zurück, wo bei altem Regiments-
kameraden auf Jagd war. Famoses Land das,
bin auf Ehre noch ganz enthusiasmiert. Adel
kommandiert Regierung unbeschränkt und un-
bebrummt, und zwar nicht, wie bei uns, von
fatalen Hinterwegen aus, sondern frei, offen,
gradezu, offiziell, kolossal! Unmaßgebliches
Dreinreden, ehrenrührige Kontrolle, mit einem
Wort: dämlicher Parlamentsbelrieb — is nich!
Freilich total sorgenfreies Dasein auch dort
für patriotischen Edelmann nicht imnier mög-
lich. Selbst dieses ideal schöne Land schon hie
und da von modernem Geiste angestänkert. So
zum Beispiel in Schulwesen. War bis dato
tadellos. Ritterschaft beorderte Lehrer und sorgte
dafür, daß Lernplan in ordnungsmäßigen
Schranken gehalten wurde. Jetzt kommt plötz-
lich Regierung und will — wie sagt man doch? —
„reformieren". Kennen ja den Zauber, Religion,
Buchstabieren und kleines Einmaleins genügt
nicht mehr, verlangt noch Zeichnen, Turnen,
Handarbeiten, Landkarten, Globus und andern
modernen Blödsinn. Außerdem soll wöchentliche
Unterrichtszeit von zwölf auf zweiundzwanzig
Stunden erhöht werden. Ritterschaft setzt sich
natürlich prompt auf Hinterbeine, opponiert
von moralischeni, kirchlichem, nationalem, dy-
nastischem und pekuniärem Standpunkt aus,

erklärt pflichtgemäß „ihr könnt uns sonst was"
— und damit ist Reformschwindel erledigt und
begraben. Hat aber doch viel Mühe und Ärger
gemacht und manchem Edelmann jetzige schöne
Zeit der Treibjagden verbittert. Besonders
peinlich war, daß Regierung mecklenburgischen
Rittern vorhielt, sie hätten sich selber drüber
beklagt, daß Lehrer von Ostern bis Michaelis
zu wenig zu tun, weil ewig Ferien. Natürlich
haben Schulmeister ganzen Sommer nischt zu
tun! Aber deshalb Unterrichtszeit verlängern
und Leutekinder notwendigen Erntearbeiten
auf Rittergütern entziehen zu wollen, geht
nicht! Wie ich höre, hat denn auch Ritter-
schaft bereits beschlossen, unleugbarem Übel-
stand auf praktischere und verständigere Weise
nbzuhelfen, indem von jetzt ab faulenzende
Schulmeister ebenfalls zu Feldarbeit komman-
diert werden sollen. Geht ganz glatt und schmerz-
los, weil Ritterschaft gottlob unbeschränktes
Aufsichts- und Bestimnumgsrecht über Land-
schulen hat. Wenn man so was hört, mein Aller-
wertester, wird einem sozusagen Herz schwer,
man glaubt effektiv in goldenem Mittelalter
zu leben und nicht in trister, elender, hnnde-
miserabler Gegenwart! Könnten solche phäno-
menalen Zustände auch bequem in Preußen
haben, ivenn gottverdammte, vaterlandslose,
rote Himmelhunde nicht wären, die gesunden
Sinn des Volkes irreführen und Rückkehr zu
guter alter Zeit einfach unmöglich machen!

Ihr Arnim.

Der unpolttMe ianürat.

Unpolitisch ist der Landrat,

Schwebend über den paitei'n,

Hält vom Schmutz der Tageskämpfe
Hände er und Seele rein!
freudig waltend seines Amtes
Fst es völlig ihm egal,

Gb komervativ gesonnen
Jemand oder liberal.

Nur daß er zum Pferdehändler
Dft mit ernster Warnung spricht:

„Bei dem Hund, dem Liberalen,

Kaufe deine Schinder nicht!"

Und daß jedem Wirte, welcher
Nicht konservativ gewählt. |

Schon beim nächsten Sonntagstan; die !
Militärkapelle fehlt;

Und daß er den volkskalender,

Den ein strammer Mucker schreibt.

Unter seinen Kreisinsassen
Gern mit eigner Hand vertreibt;

Während er die liberale
Zeitung ungeniert und glatt
Bor der Untertanen Ghren
Ästimiert als „Schweinevlatt";

Niemand darf daran was finden.

Denn es schwört der Bureaukrat.

Daß er alles, was geschehen,

Lediglich „privatim" tat.

Unpolitisch ist der Landrat,

Schwebend über den partei'n,

Hält vom Schmutz der Tageskämpfe
Hände er und Seele rein.

Also ward's und wird's gehalten
Allezeit im preußenland —

Wer das Gegenteil behauptet,

Fst ein Lump und (Querulant,

Welchen in des Königs Namen
vor das Tribunal man zerrt,

Wo ihn der gerechte Nichter

Auf ein Fahr ins Kittchen sperrt, zehmaan.

Lieber Wahrer Jacob!

Als Bethmaun Hollweg jüngst sein Palais der»
ließ, um in den Reichstag zu gehen und den Ab-
geordneten mal feste seinen Standpunkt klarzumachen,
fiel ihm beim Anblick des in der Wilhelmstraße po-
stierten Schutzmanns Plötzlich ein, daß die Berliner
Polizei bekanntlich alle jene wertvollen E'gcnschaflen
besitze, die zum Handwerkszeug eines modernen Staats-
manns gehören und die man als „Takt, Umsicht und
Korrektheit" zu bezeichnen pflegt.

Bethmann Hollweg ist nun ein anerkannt vor-
urteilsloser Politiker, der stets bereit ist, sein Hand-
werkszeug durch brauchbare Anregungen, von welcher
Seile sie auch kommen mögen, zu ergänzen uitd even-
tncll zu verbessern.

Er trat also leutselig auf den stramm salutieren,
den Schntzniann zu und fragte:

„Mein Lieber! Ich muß heute in den Reichstag,
um dort, wie man das so nennt, Rede und Ant-
wort zu stehen. Was raten Sie mir, was ich da
tun soll?"

Der Schutzmann überlegte nicht lange. „Sprechen
Se doch jarnich erst mit ihm, Exzellenz, sondern hauen
Se ihm jlcich einfach in de Fresse!!" meinte er mit
kollegialem Verständnis. T.

y

4

6",

Aus einer monarchisch gesinnten Familie.

„Papa... wenn ich später mal groß bin, brauch'
ich doch nicht mehr zu arbeiten?"

„Unsinn! Jeder erwachsene Mensch muß arbeiten!
Sogar unser Kaiser!

„Was arbeitet denn der Kaiser, Papa?"

„Das ... das steht doch jeden Abend spaltcnlang
in der Zeitung, dummer Bengel!!
 
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