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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 28.1911

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https://doi.org/10.11588/diglit.6709#0048
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Kinde unü Scnossen



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Erster Streikbrecher: Det wirkliche Arbeelen frcit mir jar »ich. . .

Zweiter Streikbrecher: Mensch, denk'doch, du haust dem Steen eens in de Fresse!

-o-—

Lanürats^bfolutismus.

Ich bin ein strammer Landrat,
Und nütz' mein Amt gar gut;

Die höchste wacht des Staates
In meinen Händen ruht.

Ich bin ein strammer Landrat,
Gar stolz ist mir zu Wut,

Uralt Hab' ich den Adel,

Und blau fließt mir das Blut.

Ich bin ein strammer Landrat;
Wohl zieh ich meinen Hut
vor wajestät — doch heimlich
Regier' ich absolut! e. m.

Vom Gottesgnadentum.

Bor kurzem wurde ei» Schiller bcS Gymnasiums
in Schlettstadt, der während eines Spazierganges
zu einem Mitschüler eine abfällige Äußerung über
das Gottesguadcntnm Wilhelms II. getan halte, aus
Beschluß des Lehrerkollegiums wegen „MajestätS-
bcleidigung" von der Anstalt relegiert.

Leider steht dieses schimpfliche Zeichen der Zeit
nicht vereinzelt da. Vielmehr hat sich ein äbtilicher
Vorfall vor ivenigen Tagen im Hanse des Berliner
Geheimen Nechnungsrats Lehmann zugetragcn. Der
jüngste Sohn der Familie, ein elf Monate alter
Säugling, hatte schon wiederholt erschreckende Bc-
ivcisc einer verworfenen, von der streng königstrcuen
Gesinnniig seines Vaters konträr abweichenden Welt-
anschauung gegeben. Neulich nun ereignete es sich,
daß dein ans dem Teppich spielenden Kinde eine
Nninmer der „Woche" in die Hände geriet, welche,
wie alle Nummern der beliebten Zeitschrift, bas
neueste wohlgclnngcnc Porträt Sr. Majestät des
Deutschen Kaisers enthielt. Ter entartete Säugling
schlug die betresst,idc Seite des Journals auf, nahm
aus ihr Platz »nd verunreinigte das Bildnis in einer
nicht wiederzngebendcn Weise. Der Schrecken und
die Empörung des Hauses Lehmann kannte keine
Grenzen. Nachdem der Geheime Rcchnnngsrat einen
qualvollen Kamps zwischen Vaterliebe und preußischer
llntcrtanenpslicht in seinem Herzen siegreich bestanden
hatte, ging er selbst auf das nächste Polizeibureau
und niachle die schauerliche Meldung. Noch an deni-
sclben Tage wurde der verruchte Sproß dem Schoße
der Fantilie Lehmann entrissen »nd durch drei Schutz-
leute zur Zwangserziehung in die Blohmesche Wild-
nis transportiert.

Diese traurigen Ereignisse werden den echten Pa-
iriotcn darüber nachsinnen lassen, wie derartigen
Scheußlichkeiten in Znknnst wirksam zu begegnen

sei. Zunächst erscheint es als das bedauerlichste, daß
in den erwähnten Fällen die Verbrecher nicht kriminell
gefaßt werden konnten, Iveil sic das sogenannte straf-
mündige Alter noch nicht erreicht hatteit. Ilm dem
beleidigten Rcchtsgefühl des staatscrhaltenden Bürger-
tums trotzdem Genüge z» Ict;':en, schlagen wir daher
vor, daß in Zukunft alle von jugendlichen Verbrechern
in Wort oder Tat begangenen Majeftätsbeleidigmigen
von der Staatsanwaltschaft ad acta genommen »nd
bei erlangter Strafmündigkeit nachträglich in smn-
marischein Verfahren geahndet werden.

Als vorbeugende Maßnahme aber empfehlen mir,
die bisher arg vernachlässigte Lehre von, Gottes-
gnadentum als obligatorisches Unterrichtsfach in alle
preußischen Schulen cinznführen. Denn die Erfah-
rung zeigt, daß diejenigen, die nicht schon in zartester
Jugendzeit mit den verschlungenen Jdeengängen dieser
schwierigen Disziplin vertrant gcnincht worden sind,
sich später nicht mehr klar darin zu orientieren ver-
mögen. Ob der in Frage stehende Unterricht am zweck-
mäßigsten mit den Ncligions- oder mit anderen Lehr-
stnndeii zu verbinden sei, überlassen wir der sach-
kundigen Entscheidung der preußischen Pädagogen.
Uns scheint die Turnstunde am empfehlenswertesten,
tvcil dabei zugleich das Geschmeidigmachen des Rück-
grats sowie die notwendigen Rnnipf- und Knicben-
gnngen zwanglos eingeübt werden können. Balduin.

Lieber Wahrer Jacob!

Das Söhnchcn eines preußischen Landrats ging
in Begleitung seiner Gouvernante spazieren. Die
Gonvernnntc war vorher ein für alleninl beauftragt
worden, die Unterhaltung mit dem Söhnchcn stets
so zu führen, daß die konservative Weltanschonnng
dabei eine Förderung erfuhr.

„Nicht wahr, Fräulein ... Papa kan» doch alles?"
fragte da plötzlich ihr Schützling.

Die Gouvernante überlegte einen Augenblick und
sagte dann, saust belehrend: „Ja, gewiß, Ottokar!
9inr der liebe Gott kann mehr!" —■

Gegen Abend erhielt der Landrat durch sein mit-
teilsames Söhnchen Wind von dem Gespräch. Die
Gouvernante wnrdc Knall und Fall entlassen. Und
in ihrem Zeugnis trug sic den Vermerk davon: „Hetzt
gegen Autoritäten!!" ^ %,

Der scharfe Denker.

Ein Jurist sah zmn erstenmal einem Pserderennen
zu und ließ sich durch einen sachverständigen Freund
über die Einzelheiten belehren.

„Siehst du —," meinte dieser, „da schickt das
königlich preußische Hanptgestüt zmn Beispiel heute
zivei Pferde zusammen in ein und dasselbe Rennen.

Aber das eine soll nur gleich vom Fleck tveg für
den Stallgefährten ordentlich „Tempo" vorlegen;
und das Pferd, das nachher im entscheidendeti Augen-
blick an die Spitze gehen und das Rennen gewinnen
soll, ist überhaupt das andere!"

Der Jurist dachte fünf Minuten nach. Dann hatte
er begriffen und meinte: „Es ist also ein ähnliches
Verhältnis wie zwischen Staatsanwalt »nd Gerichts-
hof im Strafverfahren!" T.

Arbeitsteilung.

In, Hosbräu zu München saß ein bayerischer Land-
gendarm und ließ sich's tvohl sei». Nach der fünfte»
Maß Bier wurde er gesprächig und erzählte, daß er
irgendwo in Oberfranken stationiert sei und jetzt bis
zmn nächsten Sonntag Urlaub habe.

„Ja, geht denn dös so ohne wcitres?" fragte
ein erstaunter Einheimischer. „Js denn gar nix zu
tun für Eahna da heroben?"

Der Gendarm strich seinen langen Schuanzbart,
machte ein wichtiges Amtsgesicht und meinte: „Kri-
minalsachen san sparsam! Und i Hab' fast nur Sonn-
tags zu tun, mit d' Körperverletzungen, wissen S'!
D' Sittlichkeit und d' politische Polizei besorgt der
Herr Pfarrer!!" - T.

Fährt, mer i» Sachsen uff der
Eisenbahne,

So fälld een gerne
Bombe uffen Nibbs,
So stehd mer närgends
änne rode Fahne,
Nur dann unwannämal
ä roden Schlibs.

De Leide sein gemied-
lich un bescheiden,
Gedeesche sein se, bvli-
ziftcnfromm.

An driffd ämal ä Nauh-
been mer zu Zeiden,
So iS gewiß aus Brei,
tzcn es gcgomm.
Mer hecrd »och nich ämal
'ne lose Schunde,

Wie bei der braudenborgischen Gullcer.

Bei unsen Volke liegd das nich in Binde —

Das sagd nich viel, doch denkd stch's desto mehr.

„Mir Sachsen!"

Ich gennese je nu seid Gindesbeenen
Un hawwe immer hecme mich gequäld;

Ich weetz genau, was se in Schdillc» meene»,
U» weetz genau von jeden, wie er wähl».

Ich sage Sic, da is nischd mehr zu machen;
Der Drcie Boom is abgcschdorm un dod
Un wandcrd in des großen Ofens Rachen —
Das ga»se Volk is zu drei Vcrdcln rod.
 
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