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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 28.1911

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https://doi.org/10.11588/diglit.6709#0108
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7006

Vorbemerkung! Schon seit langem geht die Zentrumspartci mit der Absicht um, ein gcsinnungstreues Witzblatt herauszugeben,
ohne jedoch diesen Plan bisher ausgeführt zu haben. Das muß eigentlich Staunen erregen, verfügt doch das Zentrum über zahlreiche
humorbegabte Köpfe, die schon so oft Proben ihrer witzigen und doch gemütvollen Laune zu geben vermochten. Man denke nur an
den pikanten Saubengelscherz des Abgeordneten Gröber, an die tiefsinnige Auslegung des Apostels Paulus durch Bischof Lenle und
vieles andere mehr. Aber gleichviel, worin auch die Hindernisse bestehen mögen, die die verausgabe des Zentrumswitzblattes bisher
vereitelt haben, wir sind so sehr von herzlichster Nächstenliebe erfüllt, daß wir gern dabei mithelfen möchten, die Sehnsucht der gut-
katholischen Partei nach einer satirischen Zeitschrift, die ihren Gefühlen und Anschauungen Rechnung trägt, zu stillen. So bieten wir denn
dem Zentrum in echt kollegialer Gesinnung in unserer vorliegenden Spezialausgabe die Probenummer eines Zentrumswitzblattcs an, die
hoffentlich seinen Beifall findet und die es ihm ermöglichen soll, das einmal begonnene Werk in gleichem Sinne fortzuführen. Schon
der von uns gewählte Titel „Der keusche Josef" wird in allen gcsinnungstreuen und dem Zölibat bekanntlich mit Inbrunst anhängendcn
Kreisen des katholischen Klerus als eine wahrhaft sittliche Tat empfunden und freudig begrüßt werden. So gehe denn hinaus, Keuscher
Josef, zeige aller Welt deine Kunst, deinen Äumor und dein Poetcngcmüt, und begeistere alles gutkatholischc Volk von neuem für die
heilige Sache des Zentrums! Die Redaktion des Wahren Jacob.

Abonniert!

klinglingling! heran, heran,
Lentrumsieute, Mann für Mann,
flile, die ihr ftolz marschiert
Unter unsren heiligen fahnen
fluf cien einzig richtigen Hahnen -
flbonniert!

Nicht allein das Himmelstor
Öffnen wir - auch der Humor
wirci für uns jetzt reserviert!
kauft nun unsre Geistesblitze,
Unfre altbewährten Witze -
flbonniert!

Zu deö Lentrumsmannes Pflicht
Reicht der peterspfennig nicht -
fluf, entsaget resigniert
heute der geliebten flasche.

Greift in eure tiefste lasche,
flbonniert!

wer's auf lange Leiten tut.

Dem wircl für sein irdisch Out
Himmels-Manna stracks serviert:
Line Messe pro Quartal
kriegt er gratis allemal -
flbonniert!

Euer heichtiger wird schon sorgen,
vatz ihr eher heut als morgen
Lu der Redaktion marschiert.

Unser Witz ist gut und billig.

Ob er frei-, ob unfreiwillig —
flbonniert!!

& &

Lieber Keuscher Josef!

Wilhelm II. hat bekanntlich ein großes Jnterefie
für die so eigentümlich ausgeprägte Sprechweise
seiner lieben Berliner.

Neulich unterhielt er sich ans einem Hofball mit
Herrn v. Heydebrand darüber und examinierte ihn
scherzhaft nach seinen Kenntnissen in speziell berline-
rischen Redensarten.

Unser Freund Heydebrand war nicht dumm. Er
warf sich in Positur, sagte „Zn Befehl, Majestät!"
und deklamierte gleich gehorsam drauf los:
„Hannemann! Jeh'du voran! Du hast diejrößten
Stiebeln an!" ' T.

Bethmanns Fanfare.

Gefüllter Landtag. Gefüllte Tribünen.
Gespitzte Ohren. Gespannte Mienen:

Es naht das furchtbare Strafgericht
Über die Kurie! And Bethmann spricht:

„Von irgendwelcher erbitterter Fehde
And von Kulturkampf ist keine Rede!

Meine Lerren vom Zentrum, glauben Sie nur:
Ich liebe weder Kampf noch Kultur!

„Daß unsere Theologieprofessoren,

Die wir bezahlen, dem Papst geschworen.

Lat uns ja pflichtgemäß verletzt

And, sagen wir mal: in Erstaunen gesetzt.

„Auch manches andere war wohl stark
And traf den Staatsgedanken ins Mark —
Doch darum böse sein? I wo.

Ich bin nicht so. Ich bin nicht so!

„Meine Lerren vom Zentrum, ich bitte Sie:
Das war ja die reinste Perfidie!

Das grenzte, auf mein Kanzlerwort,

Ganz dicht an einen Brudermord.

„Drum steige ich jetzt vom Rednerpult —
Meine Lerren, es war nicht meine Schuld,
Daß man mir zumaß krieg'rischen Sinn!
Entschuld'gen Sie, daß ich geboren binI"P.E.

Katechismus für Zentrumswähler.

Deine Einzelstimme ist zwar nur ein Scherflein; aber im
ganzen kommt sozusagen doch ein politischer peterspfennig
bei der Geschichte heraus. *

Daß die Wahl geheim ist, soll mit flbsicht eine läuternde
Versuchung zur Sünde für dich sein, damit du nachher deinem
Pfarrer freudig bekennen kannst, du habest sie siegreich über-
standen. *

Schau getrost in die Zukunft. Du gehörst zum auserwählten
Volke jener Leute, die nicht „alle" werden!

Veredelung der Sitten.

Die Redaktion des „Keuschen Josef" hat es sich
zur Aufgabe gesetzt, jene oft etwas derben Schlag-
worte, mit denen unsere Freunde, die Junker, so er-
folgreich zu operieren verstehen, für unser» eigenen
politischen Hausgebrauch mnzugestalteu.

Es kommt hierbei darauf an, daß der absolut sanft-
mütige und sittliche Standpunkt des Zentrums ge-
bührend herausgekehrt wird, ohne daß dabei das
Schlagwort etwas von seiner Frische und Wirksam-
keit verliert.

Wir machen nachfolgend einige Vorschläge.

Der so beliebte uralte Knüppelvers:

„Und willst du nicht mein Bruder sein.

So schlag' ich dir den Schädel ein!"
verstößt eigcullich gegen die christliche Weltanschauung.

„So seif'ich dich trotzdem noch ein!"
wäre viel sinniger und versöhnender.

Und die berühmte Einladung Dicst-Dabers:

„Die Minister können uns sonst was!!"
läßt sich durch ein näher bestimmtes

. . können uns im Mondschein begegnen!"
sehr viel anständiger ausdrücken.

Denn jeder echte Zentruiusiuaun wird bei dem
„Mondschein" lediglich an eine geistliche Tonsur,
nicht aber an das Gegenteil denken.

Bei den christlichen Polen.

Eine wahre Begebenheit.

In einer polnischen Bergarbeiterversammlung zur
Feier von Kaisers Geburtstag hielt der Vorsitzende
Wndracsek eine Rede, in der er zum Schluß sagte:
„Wer »ich Kaiser liebt, liebt auch »ich Obersteiger,
und wer »ich Obersteiger liebt, is Schweinehund!"
Cendracsek protestierte!

Wndracsek: „Wenn Cendracsek nich Maul hält,
schließ ich Versammlung."

Das Zentrum.

Des Deutschen Reiches Obrigkeit
Lat mancherlei Instanzen,

Doch alle sind mir untertan:

Ich schwebe überm Ganzen.

Dünkt sich der Kanzler noch so groß,
Allmächtig der Minister —

Der eine wie der andere,

Rur mein Faktotuin ist er!

Die deutsche Volksvertreterschaft
Riskiert zwar manche Lippe,

Ich aber halt' mit starker Land
Sie alle an der Strippe:

Der Junker und der Schlotbaron,

Der Welfe wie der Pole
Sind meine Lospitante» nur.

Denn Schwarz ist die Parole!

Es werfen stolz sich in die Brust
Die urgerman'schen Knoten,

Doch wie er sich auch bläht und spreizt.
Der Troß der Patrioten:

Auf meinen Wink und Pfiff pariert
Die ganze Schwefelbande,

And Rom schreibt die Gesetze vor
Dem deutschen Vaterlande!

And um die Fülle meiner Macht
Am schärfsten zu beweisen,

Verhindert' ich — man denke sich! —

Das Reichshaupt selbst am Reisen.

Gern wär' man gen Italien
Zum Jubelfest gezogen:

Ich aber sprach: „Wird nich verzappt!"
And alles war gelogen.

Kurzum, das ganze Deutsche Reich
Last' ich in festen Krallen,

And ohne meinen Willen darf
Kein Spatz vom Limmel fallen;

Geht unten auch im Zickzackkurs
Die impulsive Latze —

Ich sitz' auf meinem Zentrumsturm
And spuck' euch auf die Glatze!

Da sitze ich und seh' vergnügt.

Wie sich die andern zanken;

Denn fest gegründet ist mein Turm
And nichts bringt ihn ins Wanken!

Er ruht auf starkem Fundament,

Ihm kann man schon vertrauen!

Des deutschen Michels Dummheit ist
Der Fels, auf den tvir bauen. Tobias.
 
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