Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 28.1911

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.6709#0269
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
• 7I67 •

Das mMuMge Kußlanfl. u.

m uobelfpäne. r©

Kennst bit das unglücksel'ge Tier,

Das brummt — und kann dabei nicht fliegen?
Oft brummt es und kann nichts dafür;

Es brummt nur, weil es nicht geschwiegen.

Es brummt — und ist nicht Rind, nicht Bär;
Zweibeinig ist's und ohne Flügel;

Doch wenn es brummt, brummt's regulär
Auf Wochen hinter Schloß und Riegel.

Je öfter es gebrummt, je mehr
Gerüt's in peinliche Bedrängnis. . .

Des Rätsels Lösung ist nicht schwer:

Der Redakteur ist's im Gefängnis.

Die Völker Europas werden ans dem Wege zu den Höhen der
Kultur durch das feste Seil der proletarischen Solidarität vor einem
Zurückfallen in die brutalen Instinkte des Krieges bewahrt werden.

Die mecklenburgische Regierung macht bekannt, daß das dicke Buch,
das der marmorne Fritz Reuter auf seinem Denkmal zu Stavenhagen
liest, ihm lediglich das Warten auf die mecklenburgische Verfassung
etwas erleichtern soll. ,

Wenn auch die Säbelrasselei
Noch mächtig schmettert und dröhnt.

Sie wird vom gewaltigen Friedensruf
Der Völker übertönt.

Der evangelische Oberkirchenrat wird den Pastor Kraatz zu Char-
lottenburg wegen Störung des gottesdienstlichen Exerzierens eines Garde-
grenadierregiments voraussichtlich mit drei Tagen „stramm" bestrafen.

Im Caprivizipfel des deutschen Reichsadlers sind Unruhen ausge-
brochen; aber das arme Tier hat leider keine Zeit, dort mit gewohnter
Genauigkeit nachzusehen, weil es nämlich mit sämtlichen Gliedmassen
in die auswärtige Politik verwickelt ist!

Ihr getreuer Säge, Schreiner.

Metternichs jünger.

Der wahre ]acob wurde wegen (eines Titelbildes Ober die
ötterrelcblidjen Neichsralswahien in Wien beichiagnahml.

Stimmt NUN UN das hohe Cied!
prellt mit Pauken und Pofaunen
Öltreichs neue Heldentat,

Orod noch lpäte Enkel ltaunen.

Ganz mit Unrecht hleh es, dah
Öltreichs Staatenlenker lchlaken.

Nein, lle halten treu die wacht.

Sie und ihre — Paragraphen.

Und wie flnno achlundvierzig
Schützt man noch die Landeskinder
vor dem Umsturz, vor dem flufruhr
Und dem Einfluß kremder Sünder.

fort mit undotmäh'gen Witzen,

Oie da rütteln an dem fllten!

Und man schlägt die Noten tot.

Nämlich, wenn sie — stille halten!

)a, die Polizeigenies
Ramen hinter ihre Schliche,

Und es flechten sich den Lorbeer
Öltreichs kleine Wetterniche...

Splitter.

In der sogenannten hohen Politik erfolgt schon bei
Beginn der Verhandlungen immer gleich der „Aus-
schluß der Öffentlichkeit wegen Gefährdung der Sitt-
lichkcit". . B

Die Regierung nutzt die Reichstagsserien genal,
so betrügerisch aus wie ein Schuldcnmacher die Ge-
richtsferien. .

Die Taube gleicht im Charakter den Diplomaten.
Sie ist zwar ein Symbol des Friedens, aber doch
ein recht zänkisches Wesen.

Vas alte Oed.

Es flackert jäh ein züngelnder Brand
Über das ltille Ovamboland,

Ein Schuh

krachte herüber — ein schlimmer Oruh.

In unsres Sommers Blühn und Olühn
klingen nun wilde Melodien.

Es ltört

Empfindlid) den Spießer. Er ilt empört.

Manfragtnicht: warum? Man ruft nur die Dächer,
Strenge zu strafen dort die Verbrecher —
Geduld!

Bald willen wir, wellen die Schuld!

Ob's eines Kampfes flnfang, ob Ende, —

Oer weihe wälcht lich wieder die Hände.

Und klar

wird, dah der Digger der frevler war.

Kanonen, Flinten, Strafexpedition —

Und Menlchendlut tränkt wieder zum Lohn
Oen Sand

Im lonnenverbrannten Ovamboland.

Lieber Jacob!

De Zivilisazjon schreitet in Deitschland mit
Riesenschritten vorivärts. Wir tverden immer
feiner un keen Mensch kann sagen, wo det noch
mal enden wird. In de jute alte Zeit, da
waren de Zuhälter janz jeivehnliche Bummler
un Strolche, wie unsereener, un hatten keene
hehere Bildung un keene sozjale Stellung nich.
Jetz hat sich det aber Jott sei Dank feindlich
jeändert. Wie Du aus de Jerichtsberichte in
de Zeitung wirst mit Stolz un Befriedijlmg
ersehen haben, zählt de Berliner Ludewig-Zunft
oogenblicklich Namen von den heechsten, ältesten
un wohlriechendsten Adel, wie zum Beispiel

dem erlauchten Jrafen Wolff-Metternich, der
verwandtschaftliche Beziehungen zu de feidalsten
Hofkreise hat un mit den Ärmel unsere heechste
Diplomatie streift. Diese auserwählte Stellung
hindert ihm aber nich, in de leitseligste Weise
mit det Strafjesetzbuch zu schäkern un sich,
wenn er in Jeldklemme is, von de Mächens
durchfuttern zu lassen. Seit diese Tatsache durch
de Prozeßverhandlungen bekannt jeworden is,
hat de Friedrichstraße 'n janz anderes Ansehen
bekommen. Det Publikum iveeß jetz, det hier
nachts de heechste deitsche Aristokratie hinter de
Ecke lauert, un benimmt sich dementsprechend.
De Fremden aus de Provinz, die ferne det
Leben un Treiben der exklusiven Jesellschafts-
schichten kennen lernen mechten, bejebeu sich
heitzutage nich mehr zu Adlon oder Borchardt,
sondern se klettern eenfach in dem ersten besten
Bulljonkeller, wo se dem janz alten Adel beim
Kimmelblättchen belauschen können. Un wie
et in Amerika soll feine Restaurants jeben, wo
bloß jeivesene preißesche Jardeleitnants als
Kellner anjestellt tverden, so wird et bei uns
in Berlin bald Straßenmächens jeben, die sich
keenen Ludewig nich zulejen, der nich mindestens
'n Diplom als Reichsfreiherr uffweisen kann.
Kurz un jut, ick habe nich zu ville jesagt, wenn
ick behaupte, det tvir in de Kultur mit Riesen-
beenen vorwärts schreiten. Un wen verdanken
wir det tvieder? Ratierlich unfern Adel, uff
dem jetz alle Nerjler mit Unrecht rumtrampeln!
De Junkerschaft is et, die durch ihr ausje-
zeichentes Mitjlied, dem erwähnten Jrafen
Wolff-Metternich, zur Hebung eines bisher
leider schwer mißachteten Berufes uffs wirk-
samste beijetragen hat!

Womit ick verbleibe mit ville Jrieße Dein
jetreier Jotthilf Rauke,

an'» Jörlitzer Bahnhof, jleich links.
 
Annotationen