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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 28.1911

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https://doi.org/10.11588/diglit.6709#0284
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7182

SL Patrioten,

CUeisst du, was Patrioten sind?

Nicht? freund, dann lies die „Post“,

Und du begreifst es sehr geschwind
Bei ihrer edlen Kost.

Denn sie serviert dir jeden Cag
Gepfefferte Gourage,

Und allen Feinden schlägt sie ihr
Papier in die Uisage.

Gin Teigling, der vom frieden spricht!
Ra, deutsches Uolk, heraus,

Bast du auch keinen Bismarck nicht,
Die „Post“ beschirmt dein Baus!
„Kreuzdonnerwetter Parapluie!

Die Plempe raus und baut $e!“

So rasselt mit dem Säbel sie
Und rasselt mit der Schnauze.

Das kleine Giland in der See,
Das Grossbritannien heisst,
ÜJird als Dessert bei dem Diner
So nebenher verspeist.

(Denn seine frotte auch rumort
CUer hat den grössren Mund?
Gin einz’ger Leitartikel bohrt
Die Kähne in den Grund.

OJeisst du, wer Patriote heisst??

CUer Flinten fabriziert!

(Der Säbel und Kanonen sebweisst
Und sie dann exportiert!

Und also wird recht laut gekläfft,

Dass bald der Frieden ende.

Man ist halt tätig fürs Geschäft
Und grössre Dividende. eP.

Das alte biedre Beldentum
Bier siehst du’s neu erwacht,

Bier strebt man noch nach Siegerruhm,
Nach Kriegsgefahr und Schlacht.

Bier füllt nach alter Cradition
Noch Mut die Lederhosen,

Und man verschlingt zum frühstück schon
Gin Bataillon franzosen.

Wahlparole!

Ja, es wird allmählich Zeit.

Brüder, macht euch auf die Socken,
Daß in ihrer Dreistigkeit
Nicht die Noten doch frohlocken.

Ob uns auch der Schädel knackt.
Frisch drauf los und angepackt!
Irgendwo muß man sie holen:
Wahlparolen!

Teufel auch, noch immer nichts?
Kinder hört: wir müssen's biegen.
Wenn man es nicht biegt, so bricht's.
Wahrheit? Schön. Sonst aberlügen.
Fällt euch kein Gedanke ein?

Nicht beim Biere, nicht beim Wein?
Ober! Eine steife Bowle —
Wahlparole I

Kuli, tunk die Feder ein
And ersinne uns die Finte!
Nobel oder hundsgemein —
Nur heraus aus dieser Tinte!
Kerl, du wirst von uns bezahlt.
Daß dein Lirn Legenden strahlt
Und das dumme Volk verkohle —
Wahlparole!

Bethmann, Iunkerphilosoph l
Mann, du stehst doch an der
Spitze,

Die so oft von Weisheit troff.
Komm, und fülle unsre Spritze.
Sieh doch, wie das Feuer
brennt,

Limmelherrgottsakrament!

Es erfaßt auch deine Sohle —
Wahlparole, Wahlparole!

Seht, wie sie sich drehn und
wenden...

Ja, es wird allmählich Zeit,
Daß den leeren Iunkerhänden
Lier ein volles Korn gedeiht.
Oder — ist es schon zu spät?
Ja, was haben sie gesät
Mit den Länden, den frivolen?
Jornigrote Wahlparolen! Ep.

Sozialpolitik.

Fabrikant: Mein Konkurrent ist Mitglied des
Vereins für soziale Reform geworden. Da müßten
wir eigentlich auch etwas für die Sozialpolitik tun;
selbstverständlich möchte ich mehr leisten als die
Konkurrenz.

Ingenieur: An einer Anzahl Maschinen unseres
Betriebes fehlen noch die Schutzvorrichtungen. Wie
wäre es, wenn wir sie anschafften?

Fabrikant: Nein! Da trete ich lieber ebenfalls
der Gesellschaft für soziale Reform bei.

Post-Eselei.

Die „Post" teilt mit, daß die Sozialdemokraten
für die nächsten Wahlen 10000 Grammophone als
Wahlhelfer bestellt haben. Das ist richtig. Und alle
diese Grammophone sollen vor der Redaktion der
„Post" das schöne Lied singen: „Du bist verrückt,
mein Kind!"

Ach so

P. Müller

„Nn wird et bald een Jewitter jeben."

„Et is ooch de höchste Zeit!"

„Un dann wird et einschlagen."

„3>d,

„Un for 'ne jewisse Sorte von Mitbürjer wird et eene jeheerige Ab-
kühlung jeben!"

„Wer is denn bet?"

„Det sind de Reaktionäre, ick rede doch von de nächsten Reichstagswahlen!"

Pulver und Blei.

Erlebnis nach Jagows Schießerlatz in Berlin.

Ich schaute mich suchend um. Aha! Dort stand
ja ein Schutzmann. Ernst blickte er die Straße ent-
lang. Die Sonne küßte den braunen Lederriemen,
an dem schwer der Revolver hing. Da entdeckte mich
der Hüter des Gesetzes und lockerte seinen Gurt. Ich
bog quer über die Straße auf ihn zu, da griff er schon
nach dem Revolver. Noch zehn Schritte von ihm weg,
zog ich höflich den Hut, da spannte er den Hahn.

Devot begann ich aus dieser Entfernung: „Bitte,

können-," da drückte er ab. Ein verzweifelter

Sprung nach rechts rettete mich, nur ein paar Haar-
büschel flogen seitwärts.

„— Sie mir — —" fuhr ich fort; da knallte es
zweimal rasch hintereinander, und mein linkes Ohr-
läppchen lag am Boden.

Vielleicht sagen-", schrie ich; piff —

paff — puff — piff — puff — paff, knatterte es jetzt.
Ich fühlte, mehrere Kugeln saßen im Fleisch, eine hatte
sich in der Uhr eingemstet, grade überm Herzen.

„— wie ich am besten nach dem Kur-
fürstendamm komme?" brüllte ich.

„Mit der ^.-Linie!" ries er und brachte
den Revolver wieder im Futteral unter.

„Danke für gütige Auskunft!" stöhnte
ich. Dann wurde ich in die Charitö ge-
schafft! -wz-

Lieber Wahrer Jacob!

In Mainz saßen einige Teilnehmer
am Katholikentag gemütlich beim Bier.
Ein oberbayerischer Amtsrichter erzählte
allerlei Kurzweiliges aus seiner Praxis;
so zum Beispiel, daß er, wenn er einen
Zeugen vereidige, stets scharf danach gucke,
ob jener etwa gleichzeitig drei Finger
der linken Hand nach unten strecke! Denn
das brave, treue Landvolk sei des Aber-
glaubens, daß man auf diese Art und
Weise seelcnruhig einen Meineid leisten
könne, ohne dabei ertappt zu werden.

Diese Geschichte schien aber einem be-
kannten Zentrumssührer, der mit am
Tisch saß, sehr wenig zu gefallen. Er
rückte unruhig auf seinem Stuhl hin
und her und meinte schließlich zögernd:
„Ich möchte Sie bitten, lieber Herr Amts-
richter, wenn ich morgen meine große
Rede halte und aus die Programmpunkte
.Wahrheit, Freiheit und Recht' schwöre...
dann gucken Sie gefälligst mal woan-
ders hin, nicht wahr?" T.
 
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